zum Hauptinhalt
Tief getroffen. Alfred Gislason lebt seit fast 30 Jahren in Deutschland. Nun wurde er erstmals fremdenfeindlich bedroht. Der 61 Jahre alte Isländer führte die Handball-Männer als Bundestrainer gerade erst zu Olympia.

© Imago

Solidarität mit Handball-Bundestrainer Gislason: „Alfred, ich und viele Menschen stehen an Deiner Seite“

Der Isländer Alfred Gislason wird in einem Brief fremdenfeindlich bedroht. Einzelfall oder ein Spiegel aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen?

Auf den Schock folgte die Welle. Nachdem Alfred Gislason am Dienstag einen Hassbrief gegen ihn öffentlich gemacht hatte, erhielt der Handball-Bundestrainer anschließend viele aufmunternde Nachrichten. „Ich kann mir kaum vorstellen, was so eine Drohung in einem Menschen auslöst“, schrieb beispielsweise sein Fußball-Amtskollege Joachim Löw und versicherte dem 61 Jahre alten Isländer: „Ich und viele Menschen stehen an Deiner Seite.“

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff fand deutliche Worte: „Der Drohbrief ist nicht hinnehmbar und erfüllt mich mit großer Abscheu. Wir sind stolz, dass Alfred Gislason seit vielen Jahren in Sachsen-Anhalt lebt und möchten, dass das so bleibt.“

In dem an ihn adressierten Brief war Gislason aufgefordert worden, von seinem Posten zurückzutreten. In holpriger Rechtschreibung hieß es darin unter anderem: „Wir sind alle deutsch und wünschen uns auch einen deutschen Trainer für die Handballmannschaft… Sollten Sie das Amt nicht niederlegen, werden wir sie mal auf ihren Grundstück aufsuchen mal sehen was aus ihren Anwesen dann wird. Wir warten ab.“

Gislason postete das Schreiben auf seinem Instagram-Account und schrieb dazu: „Schöner Brief in dem Briefkasten heute!!! Nach insgesamt knappen 30 Jahren in Deutschland, das erste mal das ich in diesem großartigen Land bedroht wurde.“ Er sei enttäuscht, wolle sich aber von dem Vorfall keine Angst einjagen lassen. „Für mich ist klar, dass es ein Einzelfall ist“, auch wenn er nicht verstehen könne, dass jemand das Bedürfnis habe, dem Handball und ihm zu schaden, denn: „Ich habe nie jemandem etwas getan.“

Erst am Wochenende hatte sich Gislason mit der deutschen Mannschaft für die Olympischen Spiele qualifiziert. Der Vater dreier Kinder lebt mit seiner Familie auf einem Grundstück in der Nähe von Magdeburg. Ein regionalspezifisches Problem schließt Marc-Henrik Schmedt dann auch aus: „Handball steht für Internationalität, wir haben Spieler aus acht Nationen im Team, auch zwei Isländer“, sagte der Geschäftsführer des SC Magdeburg. Sein Klub sei Botschafter für das Land Sachsen-Anhalt – auch dank des einstigen Trainers. „Unter Alfred Gislason haben wir unsere größten Erfolge gefeiert“, sagte Schmedt und sprach von einer „irren Einzelmeinung“.

Der Handball spiegelt letztlich nur gesellschaftliche Tendenzen wider

Gislason wurde mit Magdeburg einst Meister und gewann die Champions League, später führte er den THW Kiel zu weiteren sechs Titeln in der Handball-Bundesliga und zwei Europapokalsiegen. Seit etwas über einem Jahr verantwortet er nun die Nationalmannschaft. Fremdenfeindliche Beschimpfungen gegen ihn gab es bisher nicht, doch der Handball spiegelt letztlich nur gesellschaftliche Tendenzen wider.

Diese Erfahrung musste zuletzt auch Nationalspieler Hendrik Pekeler machen, der nach seinem freiwilligen Verzicht auf die Weltmeisterschaft in Ägypten in den sozialen Netzwerken wüst beschimpft worden war – allerdings erst nach verlorenen Spielen seiner Kollegen während des Turniers.

„Wir haben ja in letzter Zeit ... mitbekommen, was da medial alles so möglich ist“, sagte Andreas Michelmann jetzt im Deutschlandfunk. Der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), der auch Oberbürgermeister der Stadt Aschersleben ist, findet: „Es ist höchste Zeit, dass wir dieser Verrohung, die sich da insbesondere im Netz oder in so einem anonymen Schreiben zeigt… wieder Einhalt gebieten.“

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Auch sein Vizepräsident Bob Hanning sieht das so, wobei bei derartigen Drohungen immer die Frage mitschwingt, wie viel öffentliche Aufmerksamkeit der Verfasser dafür erhalten sollte. „Man kann solche Dinge nicht so stehen lassen, deshalb ist Alfred Gislason an die Öffentlichkeit gegangen“, sagte der Füchse-Geschäftsführer.

Wenn seine Mannschaft am Donnerstag ohne die positiv auf Corona getesteten Hans Lindberg und Jacob Holm in der Bundesliga auf Minden trifft (19 Uhr/Sky) wird es von Seiten der Berliner keine gesonderte Aktion geben, um sich mit Gislason zusätzlich so solidarisieren. „Ich glaube, dass wir dazu alle Position gezeigt haben“, sagte Hanning und meinte damit auch Sportdirektor Stefan Kretzschmar, der sich in einem Interview mit dem Fernsehsender Sky „erschüttert und befremdet“ äußerte.

Für das Spiel der Füchse am Sonntag beim SC Magdeburg wollen sich die beiden Vereine noch einmal miteinander abstimmen. Möglich, dass Spieler und Verantwortliche dann noch einmal gemeinsam ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Hassreden setzen werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false