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Martina Voss-Tecklenburg wird voraussichtlich Bundestrainerin bleiben.

© Reuters/Dan Peled

Selbstkritik ist angesagt: Martina Voss-Tecklenburg und die Vorhersehbarkeit

Das DFB-Team ist zum ersten Mal überhaupt nach einer WM-Vorrunde ausgeschieden. Vor allem, weil die deutschen Fußballerinnen zu ausrechenbar waren. Das lag auch an der Bundestrainerin.

So furios die deutschen Fußballerinnen in die Weltmeisterschaft gestartet waren, so enttäuschend beendeten sie am Donnerstag die Vorrunde. So vielversprechend der Auftakt gegen Marokko auch war, so trüb ist nun die Aussicht. Nach nur vier Punkten in der Gruppenphase bei der diesjährigen WM steht zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Frauen-Nationalteams das Ausscheiden in der Vorrunde fest. Statt Achtelfinale wartet als Nächstes die Nations League im September.

Kritische Fragen, wie es dazu kommen konnte, muss Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nun aushalten. „Am Ende haben wir jetzt zweimal ein Ergebnis erzielt, was nicht ausreicht, dem müssen wir uns jetzt stellen. Und das in erster Linie auch in meiner Person, ist auch ganz klar“, sagte Voss-Tecklenburg am Donnerstag nach dem Unentschieden gegen Südkorea. Vor möglichen Konsequenzen soll es aber erst eine Analyse geben.

Voss-Tecklenburg ist seit November 2018 im Amt. 2019 schied sie mit Deutschland im Viertelfinale der WM aus und verpasste so auch die Qualifikation für Olympia. Sie erhielt anschließend Rückendeckung vom DFB. Die Zusammenarbeit im Vorfeld zu kurz gewesen sei, hieß es aus Verbandskreisen. Im letzten Jahr bestätigte sie das entgegengebrachte Vertrauen und feierte mit ihren Spielerinnen die Vize-Europameisterschaft. Damit einher ging eine große öffentliche Aufmerksamkeit, wie es Voss-Tecklenburg und die Spielerinnen selbst nie zuvor erlebt hatten. Vielfach wurde gesagt, dass das deutsche Team nun unbedingt an diesen Erfolg anknüpfen müsse, um den entfachten Boom im Frauenfußball am Leben zu erhalten.

Kreativität schlägt Taktikvorgabe

Nun ist Deutschland verdient ausgeschieden. Was insbesondere daran lag, dass das deutsche Team zu ausrechenbar war. Es fing in der Defensive an, die von vornherein als Schwachstelle bei dieser WM galt. Mit Giulia Gwinn und Carolin Simon fielen zwei der drei besten Außenverteidigerinnen verletzt aus.

Voss-Tecklenburg und ihr Trainer:innenteam entschieden sich bei der Kadernominierung dennoch dazu, nur Felicitas Rauch (verletzte sich kurz nach dem ersten Gruppenspiel) und Sophia Kleinherne als nominelle Außenverteidigerinnen mitzunehmen. Der Plan war, mit Chantal Hagel und Svenja Huth zwei Mittelfeldspielerinnen umzufunktionieren. Dieser Plan wurde allerdings nur ein Mal getestet in der Vorbereitung. Eine mögliche Systemänderung auf eine Dreier-Abwehrkette war nicht vorgesehen. Und die Aufstellung damit für Deutschlands Gegnerinnen planbar.

Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viel erreicht und angeschoben und darauf wollen wir trotz dieses Rückschlags weiter aufbauen.

Martina Voss-Tecklenburg, deutsche Nationaltrainerin

Weiter vorne verließ sich Voss-Tecklenburg zu sehr auf Alexandra Popp und ihr Kopfballspiel. Gegen Marokko überzeugte Deutschlands Offensive noch mit Flexibilität, profitierte dabei aber auch von einer schwachen Defensivleistung der Gegnerinnen. Kolumbien und Südkorea ließen sich nicht so einfach bespielen. Popp traf dennoch zweimal, aber außer dieser Strategie hatte die deutsche Elf kaum etwas zu bieten. Voss-Tecklenburg fand ebenso keine Lösung von außen. Obwohl zu erwarten war, dass Deutschlands Gruppengegnerinnen allesamt tief verteidigen würden. Dass einzig Sydney Lohmann selbstbewusst und entscheidungsfreudig auftrat, könnte dabei auf die Bundestrainerin zurückfallen.

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Voss-Tecklenburg musste sich vor der EM 2022 die Kritik gefallen lassen, dass sie zu viel von ihren Spielerinnen verlange und taktisch zu viel vorgebe. Dadurch blieb kein Raum für Kreativität und Überraschungsmomente. Sie änderte ihr Coaching daraufhin, gab sich betont locker und weniger autoritär. Das kam bei den Spielerinnen an und die EM belegte das. Die positive Entwicklung setzte sich in diesem Länderspieljahr allerdings nicht fort, weder in der Leistung noch in den Ergebnissen. Das vorzeitige Ausscheiden bei der WM war nun der Negativ-Höhepunkt.

All das sind Punkte, die die Arbeit von Voss-Tecklenburg betreffen. Natürlich lastet die Verantwortung nicht allein auf ihren Schultern, auch die Spielerinnen haben nicht ihre beste Leistung zeigen können. Ob die Bundestrainerin nun die besten Voraussetzungen dafür geschaffen hat, muss der DFB analysieren. Am Freitag gab sich Voss-Tecklenburg aber kämpferisch. „Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viel erreicht und angeschoben und darauf wollen wir trotz dieses Rückschlags weiter aufbauen“, schrieb die Trainerin in den sozialen Netzwerken. Sie kündigte eine „akribische“ Aufarbeitung an.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach ihr bereits am Donnerstag sein Vertrauen aus. „Wir haben den Vertrag mit ihr erst vor wenigen Monaten verlängert nach dieser überaus erfolgreichen Europameisterschaft im vergangenen Jahr und haben ihr das Vertrauen ausgesprochen, das sie nach wie vor auch genießt“, sagte Neuendorf. Voss-Tecklenburg dürfte also weiterhin Bundestrainerin bleiben und Deutschland bei der EM 2025 in der Schweiz coachen. Dort bekommt sie ein weiteres Mal die Gelegenheit zu beweisen, dass der EM-Erfolg nicht nur ein positiver Ausrutscher war.

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