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Sportdirektor Rudi Völler (l.) und Deutschlands Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Auslosung in Hamburg.

© dpa/Christian Charisius

Schweiz als vermeintlich größte Herausforderung: Deutschland ist in der Gruppe „nicht der Topfavorit“

Erst gegen Schottland, dann gegen Ungarn und zum Abschluss gegen die Schweiz. Für die deutsche Nationalmannschaft stehen die Gruppengegner bei der EM fest. Nur gegen eine Nation stimmt dabei die Bilanz.

Weder Rudi Völler noch Julian Nagelsmann wollten am Samstagabend von Glück sprechen, nachdem der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Schottland, Ungarn und die Schweiz als Gruppengegner für die Europameisterschaft zugelost worden waren.

Auch wenn DFB-Präsident Bernd Neuendorf nach der jüngsten Länderspielniederlage gegen die Türkei in Berlin noch das EM-Finale als Ziel ausgegeben hatte, hielten sich sowohl Sportdirektor Völler als auch Bundestrainer Nagelsmann mit ambitionierten Zielsetzungen zurück. „Es ist sehr ausgeglichen, es gibt nicht den absoluten Topfavoriten in unserer Gruppe“, sagte etwa Völler im Anschluss an die Auslosung in der Elbphilharmonie in Hamburg.

Beide beteuerten mehrmals, dass ihnen und auch der deutschen Mannschaft die schwierige sportliche Lage bewusst sei. „Wir müssen besser spielen als in den letzten beiden Länderspielen, das ist klar“, sagte Völler. Nagelsmann wies aber darauf hin, dass man aus den Niederlagen gegen die Türkei und Österreich Erkenntnisse gewonnen habe und „sicherlich nicht hilflos“ sei. „Wir haben natürlich eine umfassende Analyse gemacht und werden im Sinne der Sache Entscheidungen treffen, um besseren Fußball zu spielen“, sagte Nagelsmann.

Es gibt jetzt keine Radikalkur, dass wir zehn Spieler zu Hause lassen und zehn neue einladen, aber es wird sich schon etwas verändern in der Struktur.

Julian Nagelsmann, deutscher Bundestrainer, kündigte personelle Veränderungen an

Der 36-Jährige wollte diese Aussage am Samstagabend nicht weiter ausführen, deutete aber an, dass es personelle Veränderungen im deutschen Team geben wird. „Es gibt jetzt keine Radikalkur, dass wir zehn Spieler zu Hause lassen und zehn neue einladen, aber es wird sich schon etwas verändern in der Struktur, weil wir auch eine veränderte Nationalmannschaft haben vom Selbstverständnis, in der Art und Weise, wie wir auftreten“, sagte Nagelsmann. So sei man kein Team mehr, das auf den Platz komme und den Gegner einfach so wegspiele.

Bei Gruppengegner Ungarn werden emotionale Erinnerungen wach

Das dürfte auch nicht der Fall sein, wenn es zum EM-Auftakt in München am 14. Juni gegen Schottland geht. Das schottische Team, das von Steve Clarke trainiert wird, überzeugte in der EM-Qualifikation mit Siegen gegen Norwegen und Spanien. Ein großer Faktor Schottlands, das zum vierten Mal bei einer EM dabei sein wird, sind die Fans, die laut Clarke zahlreich zum Eröffnungsspiel anreisen werden.

Die deutsche Bilanz gegen die Schotten kann sich sehen lassen, in den vergangenen drei Spielen gewann die DFB-Elf dreimal. Auch bei einer EM trafen beide Nationen schon mal aufeinander. Bei der ersten Teilnahme Schottlands 1992 in Schweden siegte der damalige amtierende Weltmeister Deutschland mit 2:0.

Als zweiter Gruppengegner steht Ungarn fest, das zum fünften Mal an einer EM-Endrunde teilnimmt und gegen das die deutsche Nationalelf am 19. Juni in Stuttgart antritt. Auf dem Papier ist Deutschland der klare Favorit, in der Realität sieht es aber ganz anders aus, das weiß auch Ungarns Trainer Marco Rossi. „Deutschland ist auf einem anderen Level“, sagte der Italiener. Aber eben nicht unschlagbar. Das verdeutlichen auch die Ergebnisse in den vergangenen drei Spielen: 2:2 (Juni 2021/EM), 1:1 (Juni 2022), 0:1 (September 2022/beides Nations League).

Vor allem das Duell bei der EM vor zweieinhalb Jahren war emotional und politisch stark aufgeladen. Neben der Regenbogen-Debatte musste das DFB-Team unbedingt punkten gegen Ungarn. Nach seinem Ausgleichstreffer, der Deutschland das Weiterkommen in der Gruppe schließlich sicherte, formte Leon Goretzka beim Jubel vor der Ungarn-Kurve ein Herz vor der Brust.

Für Nagelsmann ist es zudem ein Wiedersehen mit ehemaligen Spielern. „Bei Ungarn kenne ich natürlich einige Spieler, die ich selbst trainiert habe“, sagte der Bundestrainer und spielte damit auf Dominik Szoboszlai sowie Willi Orban und Peter Gulacsi an. Alle kennt er aus Leipziger Zeiten.

Deutschlands Leon Goretzka (li.) bejubelte sein Tor zum 2:2 gegen Ungarn vor zweieinhalb Jahren auf eine besondere Art und Weise.
Deutschlands Leon Goretzka (li.) bejubelte sein Tor zum 2:2 gegen Ungarn vor zweieinhalb Jahren auf eine besondere Art und Weise.

© dpa/Lukas Barth

Der letzte und vermeintlich stärkste Gruppengegner ist die Schweiz, die zum sechsten Mal an einer EM teilnehmen wird (am 23. Juni in Frankfurt/Main). „Einerseits freue ich mich für unsere Fans und auch Spieler, die auch zahlreich in der Bundesliga gespielt haben. Es ist eine tolle Gruppe, sehr herausfordernd“, bilanzierte der Schweizer Nationaltrainer Murat Yakin. Die Favoritenrolle habe ihm zufolge aber sicher Deutschland, unabhängig von den jüngsten Testspielergebnissen. „Wir kennen es ja, dass Deutschland eine Turniermannschaft ist.“

Ein besonderes Augenmerk richtet sich im Schweizer Kader auf Granit Xhaka, der derzeit im Haus von Rudi Völler in Düsseldorf wohnt und bislang eine überragende Saison bei Bayer Leverkusen spielt. Hinzu kommen neben Xhaka zahlreiche andere Bundesliga-Profis, die das deutsche Team vor eine große Herausforderung stellen dürften. Die deutsche Bilanz in den vergangenen drei Spielen unterstreicht das: 3:5 (Mai 2012/Testspiel), 1:1 (September 2020), 3:3 (Oktober 2020/beides Nations League).

Auch wenn Deutschland nicht unbedingt in einer Hammergruppe gelost wurde, sind es keine einfachen Aufgaben angesichts der jüngsten Leistungen. Ein Sieg gegen Schottland zum Auftakt wäre aus sportlicher Sicht wichtig, aber auch, um spätestens dann eine Euphorie im Land zu entfachen. „Am besten ist es sowieso, wenn du Gruppenerster wirst, das war schon immer so“, fasste es Völler zusammen.

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