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Auftrag ausgeführt. Ondrej Duda traf gegen Nürnberg zwei Mal.

© dpa

Perfekter Start in die Rückrunde: Hertha BSC: Harmonie mit System

Mit seinen Saisontoren acht und neun hat Ondrej Duda bei Hertha BSC alle Erwartungen übertroffen – er profitiert von Grujics Rückkehr und der Systemumstellung.

Dass es sich bei Fußballfans um geistig minderbemittelte Wesen handelt, ist ein Vorurteil, das sich wohl nur schwer aus der Welt schaffen lässt. In Wirklichkeit verfügen viele Fans über Hochleistungshirne, von denen selbst belanglose Kleinigkeiten in Sekundenschnelle abgerufen werden können. Die Anhänger von Hertha BSC zum Beispiel konnten am späten Sonntagnachmittag in Nürnberg dank ihres guten Gedächtnisses eine neun Jahre alte Rechnung begleichen. Kurz nach dem Abpfiff im Max-Morlock-Stadion erklangen aus ihrem Block „Absteiger! Absteiger!“-Rufe. Im März 2010 war es umgekehrt gewesen. Da standen die Berliner in der Fußball-Bundesliga ganz unten. Nach einer Heimniederlage wurden sie vom Nürnberger Anhang verhöhnt, und als dann auch noch Torhüter Raphael Schäfer eine unfreundliche Geste Richtung Ostkurve machte, stürmten einige Testosteron-Monster den Platz.

Hertha ist 2010 am Ende der Spielzeit tatsächlich abgestiegen, und genauso wird es in dieser Saison dem 1. FC Nürnberg ergehen, der nach der 1:3-Niederlage gegen die Berliner seit nunmehr zwölf Ligaspielen ohne Sieg ist. Aber nicht nur wegen dieser Bilanz, sondern vor allem wegen der unzureichenden fußballerischen Darbietungen deutet alles auf den zehnten Abstieg des Clubs hin. Auch deshalb besteht für Hertha BSC nach dem letztlich ungefährdeten Sieg gegen den 1. FC Nürnberg – dem ersten zum Auftakt einer Rückrunde seit 2010 – kein Grund, in ungezügelte Euphorie zu verfallen. Und trotzdem lieferte die Begegnung einige erfreuliche Erkenntnisse.

Zum ersten Mal seit drei Monaten mit Dreierkette

Zum ersten Mal seit dem Spiel in Dortmund Ende Oktober ließ Pal Dardai seine Mannschaft wieder mit einer Dreierkette verteidigen. „Man hat gesehen, dass wir beide Systeme drauf haben“, sagte Niklas Stark nach seinem Comeback in der Abwehr. In der Hinrunde hatte Trainer Dardai von der Variante mit drei Innenverteidigern zumeist absehen müssen, weil ihm schlichtweg das Personal fehlte. Inzwischen ist mehr Flexibilität möglich. „Manchmal müssen wir auf den Gegner reagieren“, sagte Stark, „manchmal müssen wir eher unser Spiel durchziehen.“

Die Dreierkette eignet sich ideal dafür – weil sie sich sowohl defensiv (wie gegen Dortmund) als auch offensiv (wie in Nürnberg) interpretieren lässt. Gegen den verunsicherten Tabellenletzten wollte Dardai seine Mannschaft hoch verteidigen lassen und dadurch den Raum verknappen. Zudem erlaubte es ihm das System, verbunden mit der Rückkehr von Marko Grujic, seine geballte Offensive aufzubieten. „Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, guten Fußball zu spielen“, sagte Grujic.

Hinter den beiden Stoßstürmern Davie Selke und Vedad Ibisevic lief gegen Nürnberg Ondrej Duda als echter Zehner auf. Der Slowake war nach seinem beeindruckenden Start in die Saison mit sechs Toren aus den ersten acht Spielen im Herbst weitgehend blass geblieben und hatte bis zur Winterpause nur noch ein weiteres Mal getroffen. Wie kein Zweiter hat er unter der Verletzungspause von Marko Grujic gelitten, der nicht nur Stabilisator im defensiven Mittelfeld ist, sondern auch das Verbindungsstück zwischen Defensive und Offensive.

Je zwei Scorerpunkte für Duda, Selke und Ibisevic

Das 1:0 durch Ibisevic leitete Grujic mit einem vertikalen Pass hinter die erste Nürnberger Verteidigungslinie ein, den finalen Assist leistete schließlich Davie Selke. „Wir haben gut harmoniert“, sagte Selke über das Zusammenspiel der drei Offensiven. Für jeden standen am Ende zwei Scorerpunkte zu Buche: Duda traf zwei Mal, Selke gab zwei Vorlagen, und Ibisevic kam auf ein Tor und einen Assist – wobei seine Vorarbeit zu Dudas 2:1 per Hackenablage künstlerisch wertvoller war als sein Führungstreffer vor der Pause nach dem Doppelpass mit Davie Selke.

Ibisevic, der im Sommer 35 wird, hat bereits sieben Saisontore erzielt – das ist schon jetzt einer mehr, als ihm in der gesamten vorangegangenen Spielzeit gelungen sind. Und auch Duda hat längst alle Erwartungen übertroffen. „Er muss sich gut fühlen, damit er funktioniert“, sagte Selke. „Aber wenn man ihn machen lässt, ist er ein Unterschiedspieler.“ Niklas Stark bescheinigte dem 24-Jährigen einen guten Spürsinn für die Offensive: „Er nimmt den ersten Kontakt, wenn’s geht, immer nach vorne. Das macht er überragend.“ Als Verteidiger wisse er aus dem Training, wie frustrierend es sein könne, gegen ihn zu spielen.

Duda bekommt jetzt eine Rolex

Herthas Gegner haben diese Erfahrung auch schon gemacht: In Nürnberg erzielte Duda seine Saisontore acht und neun. Sein Kollege Salomon Kalou hatte ihn im Sommer zur Seite genommen und ihm eine Rolex-Uhr versprochen, sollte er acht Mal oder öfter treffen. Ein überaus großzügiges Angebot, allerdings auch eines mit überschaubarem Risiko. Seit seinem Wechsel aus Warschau im Sommer 2016 hatte Duda in den zwei Spielzeiten bei Hertha BSC exakt ein Bundesligator erzielt.

Kalou und Duda kamen in Nürnberg gemeinsam aus der Kabine. Während Kalou feixte, schien Duda eher peinlich berührt. Er wolle keine Rolex, sagte er, werde sie daher für einen guten Zweck spenden. Kalou stellte noch einmal klar, dass sein Angebot nicht etwa Ausdruck von Großmannssucht gewesen sei. „Ich wollte, dass Ondrej herausfindet, wo sein Limit ist.“

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