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Bei ihren ersten Paralympics auf dem Fahrrad gewann Annika Zeyen bereits zwei Medaillen.

© Reuters

Nächste Medaille bei den Paralympics: Nur Annika Zeyen entkommt der „Defekthexe“

Annika Zeyen fährt nach ihrer Goldmedaille beim Zeitfahren zu Silber im Straßenrennen. Bei den anderen deutschen Startern überwiegt die Enttäuschung.

Cooler als Vico Merklein könnte man vor einem paralympischen Rennen gar nicht sein. Mit verschränkten Armen lag der 44-Jährige Routinier in seinem Handbike an der Startlinie, inmitten seiner Konkurrenten, und strotzte nach seiner Silbermedaille im Zeitfahren vom vergangenen Tag vor Selbstbewusstsein. Zu Recht: Merklein ging in Tokio als amtierender Paralympics-Sieger im Straßenrennen an den Start. Und lange sah es danach aus, als könnte ihm die Titelverteidigung sogar gelingen: Das Rennen begann, Merklein biss sich in der Spitzengruppe fest und war drauf und dran, seine Qualitäten im finalen Schlusssprint auszuspielen. Auch in diesem Jahr waren die Weichen wieder auf Medaille gestellt.

Aber der Zug entgleiste. Knapp zwei Stunden später die Ernüchterung: Ein technischer Defekt zwang Merklein zum Aufgeben, so wie kurz zuvor schon seinen Kollegen Bernd Jeffré. Merkleins Medaillentraum war geplatzt, die Stimmung im deutschen Team schlecht: „Wir hatten heute die Defekthexe in den Rädern. Da ist uns jetzt leider eine Medaille abhandengekommen. Entsprechend liegt die Stimmung natürlich zwischen geknickt und verärgert bis hin zu wütend. Es lag nicht an der Leistung, das Fahrrad wollte nicht“, schilderte Teambetreuerin Nancy Burdach die Lage vor Ort.

Es regnete in Strömen, der Nebel trübte die Sicht

Es war, wie wenn das Wetter in jeder Sekunde die Lage der Fahrer*innen widerspiegeln wollte. Als Merklein ausschied, brachen gerade die Wolken über dem Fuji International Speedway zusammen, es regnete in Strömen, der Nebel trübte die Sicht so sehr, dass sich die Fahrer*innen kaum mehr gegenseitig sahen. Das Gute daran: Kurz zuvor, als der Startschuss für das Straßenrennen der Frauen in der Klasse H1-4 fiel, war die Straße noch trocken, der Himmel halbwegs hell, gar silbern. Ein Vorzeichen, das Annika Zeyen zu nutzen wusste.

In einem packenden Rennen lieferte sich die 36-Jährige Bonnerin lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Amerikanerin Alicia Dana und der Niederländerin Jeanette Jansen. Ganz konnte Zeyen an ihren Erfolg im Zeitfahren vom Tag zuvor nicht anschließen, als sie zu Gold fuhr – die 53-Jährige Jansen setzte sich am Ende in 56:15 Minuten durch. Zeyens Stimmung trübte das nicht. Jansen sei „am Berg sehr, sehr stark. Kurz vor dem Ende wusste ich, dass sie versuchen wird, wegzugehen und ich konnte das nicht mitgehen. Das ist aber völlig in Ordnung. Sie hat das verdient gewonnen“. Mit ihrer Ausbeute bei ihren ersten Paralympics auf dem Fahrrad – zwischen 2004 und 2016 war sie bei paralympischen Turnieren als Rollstuhlbasketballerin aktiv – ist Annika Zeyen „mehr als zufrieden. Es hätte nicht besser sein können.“

Ihre Premierenspiele mit dem Handbike kann Zeyen am Donnerstag abrunden: Gemeinsam mit Jeffré und Merklein tritt sie im Mixed Team Relay der Klassen H1-5 an. Für die deutschen Handbiker*innen könnte es dann zu einem versöhnlichen Abschluss kommen, vorausgesetzt, das Material hält. Andere Omen sollten lieber nicht heraufbeschwört werden – der Wetterbericht sagt Regen voraus.

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier. Alle aktuellen Entscheidungen und Entwicklungen lesen Sie in unserem Paralympics Blog. 

Lennart Glaser

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