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Loris Karius darf sein Können nun endlich auch in einem Pflichtspiel zeigen.

© Matthias Koch/Imago

1. FC Union gegen den FC Bayern: Loris Karius könnte endlich seine Chance bekommen

Nachdem Andreas Luthe zuletzt unglücklich aussah, könnte es beim 1. FC Union Berlin vor dem Spiel gegen die Bayern am Samstag einen Torwartwechsel geben.

Michael Gspurning kehrte noch rechtzeitig zurück. Der österreichische Torwarttrainer des 1. FC Union war am Donnerstag zum ersten Mal nach seinem positiven Corona-Test vor zwei Wochen wieder auf dem Platz und ist dieser Tage mit Chefcoach Urs Fischer nicht gerade zu beneiden. Schon vor dem Derby am Freitag vergangener Woche wurde in manchen Medien über einen Torwartwechsel bei Union spekuliert. Nachdem Andreas Luthe gegen Hertha bei zwei Gegentreffern nicht allzu gut aussah, hat diese Diskussion noch mehr Fahrt aufgenommen. Das liegt jedoch nur bedingt an Luthe, sondern viel mehr an der Prominenz seines Konkurrenten Loris Karius, der Leihgabe vom FC Liverpool.

Fischer bezeichnete die Leistung von Luthe nach dem Derby als „unglücklich“, wollte sich aber nicht auf eine öffentliche Debatte einlassen. „Diese Diskussion führe ich mit meinem Trainerteam und wenn wir der Meinung sind, etwas ändern zu müssen, werden wir es machen“, sagte der Schweizer. Auch am Donnerstag bei der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Tabellenführer Bayern München am Samstag (18.30 Uhr, live bei Sky) reagierte er auf das Thema recht allergisch. „Ob ich mich entschieden habe oder nicht, ist nicht relevant. Am Schluss wird am Sonnabend die Nummer eins im Tor stehen.“

Bisher war das in allen elf Pflichtspielen Luthe. Der 33-Jährige ist vor der Saison als Nachfolger von Rafal Gikiewicz vom FC Augsburg gekommen. Erst nach dem zweiten Spieltag holte Union Loris Karius für eine Saison aus England.

Der 27-Jährige war in der vergangenen Saison an Besiktas Istanbul ausgeliehen und hat in Liverpool seit der Verpflichtung von Alisson Becker trotz laufenden Vertrags keine Perspektive mehr. So nutzte Union Ende September kurz vor Schließung des Transferfensters die Gelegenheit, einen Torhüter zu verpflichten, der normalerweise finanziell und auch sportlich unerreichbar wäre.

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Es war durchaus eine verständliche Entscheidung, denn das Risiko bei einer Leihe ist gering und Luthe gehörte nicht in die Kategorie der etablierten Bundesliga-Stammtorhüter. Mit 33 Jahren hatte er vor seinem Wechsel nach Berlin erst 32 Spiele in der Ersten Liga absolviert und auch in Augsburg war er in der vergangenen Saison lange nur die Nummer zwei.

Andreas Luthe ist seit Saisonbeginn Unions Nummer eins, kassierte zuletzt aber sechs Tore in zwei Spielen.

© imago images/Jan Huebner

In den ersten Spielen dieser Runde zeigte Luthe dann aber so solide bis gute Leistungen, dass es keinen Anlass für einen Torwartwechsel gab – zumal die Mannschaft nach der Auftaktniederlage acht Mal in Folge ungeschlagen blieb. Luthe überzeugte mit seiner Ruhe und war auf der Linie reaktionsschnell. Fischer ist erfahren genug, um sich in solch einer Phase keine unnötige Baustelle aufzumachen.

Für Karius blieb nur die unbefriedigende Rolle als Nummer zwei. Öffentliche Klagen sind von ihm bisher nicht zu hören, doch natürlich ist er nicht nach Berlin gewechselt, um auf der Bank zu sitzen. „Ich stelle mich dem Konkurrenzkampf und habe keine Angst davor. Ich bin natürlich hergekommen, um zu spielen“, hatte Karius kurz nach dem Wechsel in einer Medienrunde gesagt. Dass er so lange auf der Bank sitzen würde, hatte er da sicher nicht vermutet.

Bleibt Karius auf der Bank, könnte er im Winter gehen

Neben den soliden Leistungen von Luthe ist vor allem das Timing der größte Gegner von Karius. Wären beide Torhüter zum Start der Vorbereitung angekommen, wäre Karius wahrscheinlich die Nummer eins geworden. Er ist jünger, dennoch auf diesem Niveau erfahrener und auch wenn das nach seinem sehr unglücklichen Auftritt im Champions-League-Finale 2018 oft in Vergessenheit gerät: In Mainz hat er über Jahre gezeigt, dass er ein guter Bundesliga-Torwart ist.

Nach mittlerweile zweieinhalb Monaten bei Union und neun Monate nach seinem letzten Pflichtspiel könnte seine Wartezeit nun doch noch enden. Denn nachdem Luthe in den vergangenen zwei Spielen sechs Tore kassierte und bei drei davon zumindest unglücklich aussah, hätte das Trainerteam zum ersten Mal nachvollziehbare, wenn auch nicht zwingende Argumente für einen Torwartwechsel.

Fischer und Gspurning werden sich diese Entscheidung nicht einfach machen. Der Schweizer ist dafür bekannt, dass er nicht nach Namen aufstellt, das mussten in der Vergangenheit schon Neven Subotic, Felix Kroos oder Carlos Mané erfahren. Zumal ein Torwartwechsel deutlich größere Wellen schlägt als die Rotation bei Feldspielern.

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Auch Gikiewicz war in der vergangenen Saison nicht fehlerfrei, eine Torwartdiskussion entstand dennoch nicht. Mit dem jungen und unerfahrenen Moritz Nicolas war die Konkurrenzsituation aber auch eine ganz andere als aktuell zwischen Luthe und Karius. Die bisherige Nummer eins hat sich über diesen internen Druck kürzlich sehr positiv geäußert. „Für mich ist das kein Stress. Loris macht mich eher besser als schlechter, wenn ich weiß, dass er mir im Nacken sitzt“, hatte Luthe im Podcast „Kicker meets Dazn“ gesagt. Das war allerdings noch vor dem Frankfurt-Spiel und dem Beginn der medialen Torwartdiskussion.

Sollte Fischer auch in den letzten Spielen des Jahres auf Luthe setzen, könnte die Zeit von Karius bei Union schnell wieder enden. Eine gesamte Saison als Ersatztorwart dürfte für ihn nicht akzeptabel sein und dann wäre eine vorzeitige Auflösung des Leihvertrags vermutlich für beide Seiten die beste Option. Karius könnte sich einen neuen Verein suchen, bei dem er spielt, und bei Union würde nicht nach jedem Wackler von Luthe eine Torwartdiskussion entbrennen. Fischer und Gspurning sind wirklich nicht zu beneiden.

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