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Wie geht's dir, Alter? Boateng und Hummels im Talk.

© Patrick Stollarz/AFP

Fußball-WM 2018: Deutsche Nationalmannschaft: Wie fit sind Neuer, Boateng und Hummels?

Wer Weltmeister werden will, benötigt eine starke Defensive. Doch die deutsche Abwehr hat zuletzt manches Mal geschwächelt.

Neulich in Südtirol kam Jerome Boateng wippenden Schrittes an den Tisch unter dem Sonnenschirm. Auf die Frage, ob er in der Sonne sitzen oder doch lieber im Schatten Platz nehmen wolle, antwortete der Spieler des FC Bayern: „Na, ich brauche nicht so sehr Farbe.“ Er feixte in sich hinein und nahm im Schatten Platz.

Diese kleine Szene aus dem Trainingslager des DFB trägt zwei kleine Botschaften. Irgendwie sitzt Jerome Boateng noch immer im Schatten. Es sind ein paar Tage und eine fußballgespielte Halbzeit gegen Saudi-Arabien im letzten WM-Test für die deutsche Nationalmannschaft vergangen, doch niemand weiß so genau, in welcher Verfassung Jerome Boateng tatsächlich ist. Trotzdem gibt er sich cool, gelassen und witzig. Außer beim Thema Vereinswechsel, angestoßen von Karl-Heinz Rummenigge. „Wenn ein Verein kommt und er kundtut, dass er zu diesem Verein wechseln möchte, werden wir uns damit befassen“, hatte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern seinerseits kund getan. „Ich weiß auch nicht, wozu die Aussagen getätigt wurden“, sagt Boateng. Und: „Es geht um die Weltmeisterschaft. Darauf konzentriere ich mich.“

Aber kann er schon im deutschen Auftaktspiel gegen Mexiko Topniveau erreichen, oder braucht er vielleicht die Vorrundenspiele, um auf 100 Prozent seiner Leistungsfähigkeit zu kommen? Bei der WM vor vier Jahren war Boateng so etwas wie eine lebende Festung, im Finale von Rio der beste Mann.

„Ich möchte dazu beitragen, dass wir eine gute Weltmeisterschaft spielen“, sagt der 29-Jährige am Donnerstag und verweist auf eine kleine Serie, die Mut machen soll. „Wir sind bekannt dafür, dass wir optimal ins Turnier reinkommen“, sagt Boateng, „ein Sieg im ersten Spiel gibt Selbstvertrauen.“ Tatsächlich ist es so, dass die deutsche Mannschaft unter dem Bundestrainer Joachim Löw bei allen EM- und WM-Turnieren ihre jeweiligen Auftaktspiele gewonnen hat. Fünf Spiele, fünf Siege – bei einem Torverhältnis von 13:0.

Boateng: "Wir wissen, dass wir zuletzt nicht geglänzt haben."

„Wir wissen, dass wir zuletzt nicht geglänzt haben“, sagt der Verteidiger, der im Test gegen Österreich (1:2) passen und gegen Saudi Arabien (2:1) zur Pause ausgetauscht wurde. „Freundschaftsspiele sind etwas anderes als Turnierspiele“, sagt Boateng in einer Mischung aus Entschuldigung und Trotz.

Hinter Jerome Boateng liegt eine wochenlange Tatenlosigkeit. Im Halbfinal- Hinspiel der Champions League gegen Real Madrid am 25. April hatte er sich einen Muskelbündelriss im Adduktorenbereich zugezogen. Im 14-tägigen Trainingslager hat Boateng sich dann mühevoll an das Training mit Ball und Mannschaft herangearbeitet.

In gewisser Weise ist die Geschichte Boatengs die Geschichte der deutschen Abwehr. Sie wirkte zuletzt angeschossen. Torwart Manuel Neuer steht nach mehreren Frakturen auf beidseitig mit Titanplatten verstärkten Mittelfüßen. Acht Monate lang konnte er kein Spiel bestreiten. Selbst Mats Hummels schwächelte beim FC Bayern zum Saisonausklang. Unvergessen sind die Bilder aus dem Pokalfinale, wo ihn der Frankfurter Stürmer Rebic im Laufduell einfach stehenließ. Der 29-Jährige räumte unlängst „ein kleines körperliches Loch“ ein. Er setze aber darauf, dass zum WM- Auftakt „alle in einem perfekten Zustand“ sein werden.

Vor vier Jahren war die deutsche Abwehr noch das Prunkstück. Das Zentrum bildete das magische Dreieck um Neuer, Boateng sowie wahlweise Per Mertesacker und Hummels. Auf die linke Seite hatte Löw damals in Benedikt Höwedes einen gelernten Innenverteidiger gestellt, was der Defensive den Spitznamen Ochsen-Abwehr einbrachte. Doch nach Mertesackers Rücktritt und der Nichtberücksichtigung des formverlustigen Höwedes gab das Dreieck zuletzt ein ziemlich schiefes Bild ab.

Ochsen-Abwehr

Während die Ochsen-Abwehr in den sieben WM-Spielen nur vier Gegentore zuließ, setzte es in den jüngsten fünf Testspielen sieben Gegentore. Das ist nicht nur Löw sauer aufgestoßen, auch Toni Kroos mahnt: „Wir brauchen Spieler auf dem Platz mit einer klaren Idee, und wir müssen mit Hingabe zu verteidigen.“ In Brasilien habe man kaum Gegentore bekommen, was kein Zufall gewesen sei. „In letzter Zeit haben wir deutlich mehr Gegentore bekommen, und das war auch kein Zufall“, sagt Kroos.

Die um die beiden Außenverteidiger Joshua Kimmich (rechts) und Jonas Hector (links) renovierte Kette hat die deutsche Fußballseele jüngst in Schrecken versetzt. Stellungsfehler der Innenverteidiger und haarsträubende Querpässe der Außen haben die letzte Reihe löchrig wirken lassen. Und weil der gesamten Mannschaft die Bereitschaft zur Defensivarbeit fehlte, wurden selbst mittelprächtiger Gegnerschaft zu viele Räume gelassen. Die Nachlässigkeiten wird die deutsche Mannschaft sich gegen die aufsässig bis aggressiv aufspielenden Mexikaner nicht leisten können.

„Für uns ist es ein Vorteil, dass wir gleich gegen einen guten Gegner spielen“, sagt Boateng. Man müsse sofort voll konzentriert sein, sich keine Leichtsinnsfehler leisten, sondern direkt zu Potte komme. „Aber“, sagt Boateng und rückt seine güldene Brille zurecht, „entscheidend ist doch, dass wir gewinnen.“

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