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Agnes Wessalowski

© SOD

Fünfter Weltspielstart bei Special Olympics: Gut, Wasser, Wessalowski

Agnes Wessalowski hat eigentlich kaum mehr Platz für weitere Medaillen. Doch von den Heimspielen in Berlin wollte die Hamburgerin natürlich auch eine mit nach Hause nehmen.

Von Benjamin Apitius

Der Beginn der Entscheidungswettkämpfe fiel für Agnes Wessalowski buchstäblich ins Wasser. Am Freitag stand für die deutsche Starterin in der Leichtathletik bei den Weltspielen von Special Olympics Weitsprung an, Samstag die 100 Meter und für diesen Sonntag war das Staffelfinale über 4x100 Meter angesetzt. Und am Freitag schüttete es in Berlin aus allen Kübeln.

Wessalowski gehört mit ihren 42 Jahren zu den bekannteren Gesichtern in der Mannschaft von Special Olympics Deutschland. Für die Schauspielerin, die am Klabauter Theater in Hamburg ihr Geld verdient, ist es bereits die fünfte Teilnahme an Weltspielen. Von überall her – North Carolina, Pyeongchang, Los Angeles, Abu Dhabi – brachte sie Medaillen mit nach Hause. Eine weitere von den Heimspielen in Deutschland sollte ihre Sammlung nun komplettieren.

Am Freitag also Regen. Viel Regen. Sehr viel Regen. Er hatte bereits am Vorabend eingesetzt und dauerte nun bereits den ganzen Morgen an. Das Gelände vom Hanns-Braun-Stadion im Olympiapark war von tiefen Pfützen durchzogen, Sportler in Ponchos, Zuschauer mit Schirmen, alles nass.

Und Wessalowski? Sie trat zum Weitsprung in knapper Hose an, weißes T-Shirt, Bandana auf dem Kopf. Der Regen schien sie nicht weiter zu stören, Schietwetter halt, als Hamburgerin ist sie das wohl gewohnt.

Sprünge zwischen einem und zwei Metern

Vor dem ersten von drei Durchgängen im Weitsprung pressten die Veranstalter mit der Walze noch einmal das Wasser von der Anlaufbahn. Der Sand in der Kuhle wurde von den Volunteers nur im ersten Drittel gehakt und glattgezogen, Sprünge von bis zu zwei Metern Weite wurden in dieser Leistungsklasse erwartet.

Dann ging es los. Wessalowski mit der Startnummer 1216 sprang als Dritte in dem Siebenerfeld. Sie streckte ihren Oberkörper vor dem Anlauf leicht nach hinten, sammelte für einen kurzen Moment ihre Konzentration, dann verlagerte sie das Gewicht auf das vordere, rechte Bein und lief in schnellen Schritten an. 1,24 Meter blinkte über die Anzeigentafel auf.

High Five mit einem Volunteer, dann setzte sie sich wieder unter das Dach aus den vielen zusammengeschobenen Sonnenschirmen, sie sollten die Athleten vor dem Regen schützen. Wessalowski streifte sich ihre Trainingsjacke über, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und verfolgte die Sprünge ihrer Kolleginnen.

Ihre eigenen zwei weiteren Versuche reichten jeweils 1,52 Meter weit – Platz fünf bedeutete diese Leistung in der Gesamtwertung. Die Erstplatzierte Supaporn Ratsamee aus Thailand war mit 1,94 Meter von keiner der anderen Teilnehmerinnen zu schlagen gewesen.

Drei Läufe über 100 Meter – an einem Tag

Am Samstag hatte sich der Regen dann endlich verzogen, praller Sonnenschein, die Schirme verrichteten wieder Dienst nach Vorschrift und spendeten Schatten, alles wieder trocken. Die Sportler schwitzten vom Sport, die Zuschauer vom Zuschauen. Hatte es gestern noch aus Kübeln gegossen? Oder war das letztes Jahr gewesen?

Wessalowski standen drei Läufe über 100 Meter bevor, verteilt auf den ganzen Tag. Der Wettereinbruch hatte den Terminplan ordentlich durcheinandergewirbelt, die Organisatoren zogen die Staffelfinals vom Sonntag um einen Tag vor.

Los ging es für die sie mit dem Einzelrennen. Vor der Startlinie schüttelte sie noch einmal die Arme aus, dehnte ihre Beine, dann brachte sie sich auf Bahn zwei in Position. Rechtes Bein vor, den Oberkörper nach vorne gebeugt, rechter Arm ausgestreckt, der linke hinterm Rücken verschränkt. Dann ertönte das Signal und die sieben Sprinterinnen fegten los.

Auf den ersten 50 Metern lag Wessalowski noch in aussichtsreicher Position, auf den folgenden Metern ließ sie die anderen Läuferinnen dann davonziehen. Als sie auf dem Videowürfel anschließend ihre Zeit entdeckte, ballte sie beide Fäuste und hüpfte in die Luft, stieß einen kleinen Juchzer der Freude aus. Aufgrund der Disqualifikation einer anderen Athletin landete Wessalowski mit einer Zeit von 23.68 Sekunden auf Rang sechs.

Ihr Wettkampftag unter der sengenden Sonne Berlins war damit aber nicht vorbei. Es folgte die Qualifikation für das Staffelrennen über 4x100 Meter, dann das Finale und damit ihre letzte Chance auf eine Medaille bei diesen Weltspielen. Und die war der deutschen Staffel aus Frances Kressner, Nadin Richter, Tamara Roeske und Schlussläuferin Agnes Wessalowski schon vor dem Endlauf sicher: In ihrer Leistungsklasse starteten ansonsten nur die späteren Siegerinnen aus Chile und des Weiteren China.

Die deutschen Frauen freuten sich mit einer Zeit von 1:26.05 Minute überschwänglich über den Gewinn der Bronzemedaille. Wessalowski wartete nach dem Rennen im Zieleinlauf auf ihre Mitstreiterinnen. Als sie alle wieder vereint waren, nahmen sie sich in die Arme und bildeten mit ihrer Trainerin einen Kreis, für immer und mehr, so machte es den Anschein, aber doch mindestens für einen laaaaangen Moment an diesem Samstag.

Bei der anschließenden Medaillenzeremonie wurden die vier Frauen von etlichen deutschen Mannschaftskollegen lautstark gefeiert. Wessalowski strahlte und küsste ihr Bronze, wackelte mit den Hüften ausgelassen zur Musik, die Zuschauer johlten. Dann ging es seitlich ab von der Bühne.

Agnes Wessalowski nutzte dafür das Siegerpodest als Treppe. Es hat bei den Special Olympics nicht drei, sondern acht verschieden hohe Ebenen. Von Rang drei ging es für Wessalowski also nach rechts einen Schritt hoch zu Platz eins, dann über Platz zwei, vier, sechs und acht hinunter in die Party vor der Tribüne.

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