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David Fofana erlebte eine schwierige Zeit in Berlin.

© Imago/Matthias Koch

Fofana und Bonucci verlassen den 1. FC Union: Wäre, wäre, Chaos-Kette

Weder David Fofana noch Leonardo Bonucci haben in Köpenick ihr Glück gefunden. In den vergangenen Jahren wäre es anders gelaufen, nun wurden sie auch Opfer des perfekten Chaos.

Ein Kommentar von Kit Holden

Der moderne Fußball neigt zu Gewissheiten. Die Datenrevolution der vergangenen Jahrzehnte hat nicht nur das Trainieren, die Kaderplanung und die Spielanalyse, sondern auch den öffentlichen Diskurs im einstigen Jogo Bonito für immer verändert. Wer alles quantifizieren kann, kann auch alles wissen. Sei man ein Profi-Trainer, ein DruKo-Theoretiker oder einfach nur ein blöder Printjournalist. 

Aber was wäre, wenn es am Ende doch nur alles Chaos wäre? Am 21. Oktober des vergangenen Jahres rannte David Fofana im Stadion an der Alten Försterei auf das Tor des Gegners zu. Es war die 79. Minute, der 1. FC Union lag 0:1 hinten gegen den VfB Stuttgart. Die Flanke von Sheraldo Becker kam perfekt, Fofana hätte ihn eigentlich nur reinschießen müssen. 

Was wäre gewesen, wenn er tatsächlich getroffen hätte? Union wäre nach fünf Niederlagen wohl der erste Punkt und der damals viel beschworene Befreiungsschlag gelungen. Fofana wäre womöglich zum Helden der Herbstkrise geworden, und Urs Fischer hätte vielleicht doch noch die Wende geschafft. 

Stattdessen schloss Fofana unkontrolliert ab, und der Ball flog am Tor vorbei. In der Schlussphase traf Stuttgart zweimal mehr, und es folgte die sechste Niederlage in Folge. Auf den Befreiungsschlag musste man noch einen ganzen Monat warten, bis dahin war Fischer schon weg und Union Tabellenschlusslicht. Fofana, der am Mittwoch seine Leihe beendete und zum FC Chelsea zurückkehrte, galt fortan als Symbolfigur für Unions misslungenen Herbst.

Man könnte natürlich sagen, dass das alles kein Chaos sei. Dass Fofana bei allem Talent eben noch ein ziemlich erratischer Stürmer ist und deshalb auch als Fehleinkauf gelten sollte; dass seine verspielte Chance gegen Stuttgart insofern nur ein weiteres Symptom einer gescheiterten Transferpolitik ist. Es gibt keinen Zufall, es gibt nur Ergebnisse. Und die Ergebnisse sprechen für sich. 

Doch gerade auch in dieser Saison hat man bei Union gesehen, wie sehr die Entwicklung einer gesamten Saison an Zufällen und einzelnen Momenten hängen kann. Das Tor von Jude Bellingham im Bernabéu. Fofanas Fehlschuss gegen Stuttgart. Robin Knoches Ballverlust in Braga. 

Und so bleibt auch bei Fofana ein bitterer Nachgeschmack, frei nach dem Fußballweisen Lothar Matthäus: Wäre, wäre, Chaos-Kette. Dass der Ivorer mit seiner Einstellung und seinen Entscheidungen nicht immer zu glänzen wusste, steht zwar tatsächlich außer Frage. Andererseits sah man auch oft genug, welch großes Potenzial in ihm steckt und wie berauschend er teilweise spielen konnte. Nicht umsonst betonte Trainer Nenad Bjelica am Mittwoch, dass er den 21-Jährigen lieber behalten hätte. 

In einer der vergangenen Spielzeiten hätte Fofana es vielleicht noch geschafft, eine ähnliche Entwicklung wie Sheraldo Becker zu durchlaufen und bei Union sein Glück zu finden. Stattdessen wurde er zum Opfer des perfekten Chaos, das seit September in Köpenick herrscht. Das kann man für quantifizierbar, absehbar oder nachvollziehbar halten. Vor allem ist es aber nur eines: schade. 

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