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Boris Nicolai verpasste in Tokio das Viertelfinale (Archivbild).

© promo

Para-Boccia-Spieler Boris Nicolai blickt zurück: Faszination Paralympics

Boris Nicolai zieht eine positive Bilanz. Beeindruckt hat ihn vor allem die Stimmung im Dorf. Und auch für die Zukunft im Para-Boccia sieht es ganz gut aus.

„Das Ganze war schon viel größer als alles, was ich vorher an sportlichen Wettkämpfen erlebt habe.“ Boris Nicolai ist Deutschlands erster Boccia-Spieler bei den Paralympics und erinnert sich, wie er die Spiele in Tokio erlebt hat. „Es gibt viel mehr Athleten, viel mehr Sportarten und das paralympische Dorf ist riesig. Das kann man sich gar nicht so vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat, schon verrückt.“ Im Dorf haben sich alle an die Corona-Maßnahmen gehalten. „Trotzdem war es einfach wie eine riesige Familie. Du konntest mit jedem reden, jeder hat gegrüßt.“ Es seien alle möglichen Behinderungen vertreten gewesen, „und jeder geht mit jedem so um, als wäre es normal. Das ist wirklich super.“ Egal welches Land, welche Behinderung, ob erfolgreich oder nicht: „Jeder ist gleich.“

Sportlich ist es für Nicolai nicht optimal gelaufen. Er konnte zwar das Spiel gegen die Kolumbianerin Leidy Chica Chica in der Klasse BC4 mit 7:1 gewinnen, verlor jedoch gegen die Slowakin Michaela Balcova mit 1:6 und gegen den Kolumbianer Duban Cely mit 3:5. Damit konnte er sich nicht wie erhofft für das Viertelfinale qualifizieren. „Irgendwie war ich schon vor den Wettkämpfen nicht so sicher. Der Boden in der Halle in Tokio war viel schneller als der im Trainingslager in Tsuruoka.“ Dort waren die Bedingungen durch warme Temperaturen und eine hohe Luftfeuchtigkeit sehr langsam.

„Vielleicht habe ich generell im Vorfeld auch einfach zu viel trainiert“, sagt Nicolai. Er hat neben seiner Arbeit als Maschinenbautechniker trainiert und fuhr auch am Wochenende ins Trainingslager. „Vielleicht bin ich einfach etwas müde angekommen.“ Was ihn bei den Paralympics überrascht hat: Das Medieninteresse an ihm und am Boccia generell. „Da gab es vor und nach jedem Spiel mehrere Interviews, das hätte ich nicht erwartet. Aber das ist gut, das macht unsere Sportart in Deutschland ein bisschen bekannter.“ Schade sei gewesen, dass keine Zuschauer da waren: „Mehrere tausend Zuschauer, das hat man ja sonst nie bei uns, das gibt es halt normalerweise nur hier bei den Paralympics.“

Paris 2024 im Blick

Doch Rollstuhlfahrer Nicolai bleibt positiv. „Das Spiel, das ich gewonnen habe, lief super. Was mich da auch sehr gefreut hat: Vom Deutschen Behindertensportbund saßen einige Vertreter auf der Tribüne und haben das erste Mal live zugeschaut.“ Sie hätten sich sehr dafür begeistert und hätten gesehen, dass auch Schwerbehinderte Sport machen könnten. „Sie wollen da in Zukunft auch mehr auf die Beine stellen, zum Beispiel mit Nachwuchssichtungen.“

Nicolai macht jetzt erstmal eine Pause, lässt das Erlebte sacken und startet dann etwa in einem Monat wieder ins Training. Das nächste wichtige Turnier ist im November, dort finden die Europameisterschaften in Sevilla statt. 2024 will er in Paris auf jeden Fall wieder dabei sein. Vielleicht tritt er dann auch nicht mehr als Einziger an: Männer und Frauen spielen nach den Paralympics in getrennten Startklassen. „Wir haben einige Frauen dabei, die dann sehr gute Chancen haben, weil viel weniger Konkurrenten da sind“, sagt der 36-Jährige.

Gastfreundlichkeit der Japaner

Nicolai ist froh, dass die Spiele stattgefunden haben, dass er Teil des großen „Team Deutschland“ war, dass andere Athleten nun auch wissen, was es mit Para-Boccia auf sich hat. „Die sind ja sonst gar nicht in Kontakt mit der Sportart gekommen, weil es keinen deutschen Starter gab“, sagt er. Die Atmosphäre im deutschen Team sei sehr kollegial gewesen.

Tokio selbst hat er nur auf der Durchfahrt gesehen. „Die Stadt ist einfach riesig, überall sind Hochhäuser, es gibt Straßen, die übereinander verlaufen. So eine Metropole hat mich schon beeindruckt, das ist schon Wahnsinn.“ Die Japaner selbst seien beispielsweise am Flughafen super freundlich und professionell gewesen. „Das hat mich wirklich begeistert, die Japaner waren total gastfreundlich.“

„Ein Eindruck, der einfach bleibt“

Auch mit der Unterbringung im Dorf war Nicolai zufrieden, mit seinem Trainer und seinem Assistenten teilte er sich ein Apartment. „Jeder hatte ein kleines Zimmer zum Schlafen, es gab ein kleines Wohnzimmer und sogar zwei Bäder. Was will man mehr?“

Bewegender Moment: Der Einlauf des deutschen Teams bei der Eröffnungsfeier.
Bewegender Moment: Der Einlauf des deutschen Teams bei der Eröffnungsfeier.

© Imago

Ein ganz besonderer Moment war für Nicolai die Eröffnungsfeier. „Das war ein super Gefühl, wir waren mit rund 100 Sportlern ja dann doch ein recht großes Team. Alleine ins Stadion reinzulaufen, wenn Germany aufgerufen wird, war beeindruckend.“ Auf dem Weg dorthin habe das Team bereits Lieder gesungen. „Das ist ein Eindruck, der einfach bleibt.“

Dieser Text ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier.

Mona Alker

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