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Verkniffene Mienen. Trainer Alfred Schreuder und Abwehrspieler Daley Blind nach dem Debakel gegen Neapel.

© Foto: IMAGO/Pro Shots

Eine historische Niederlage für Ajax Amsterdam: Debakel gegen Neapel

Ajax Amsterdam verliert in der Champions League 1:6 gegen den SSC Neapel. Es ist für den niederländischen Rekordmeister die höchste Niederlage im Europapokal.

Remko Pasveer erlebt auf seine alten Fußballertage noch einmal aufregende Zeiten. Bei den jüngsten beiden Länderspielen hat der Torhüter von Ajax Amsterdam sein Debüt für die holländische Fußball-Nationalmannschaft gefeiert. Im zarten Alter von bald 39 Jahren und mit guten Chancen, bei der WM in Katar Hollands Nummer eins zu sein.

Am Dienstag erlebte Remko Pasveer auch mit seinem Verein einen historischen Abend. Einen historisch schlechten.

Ganz unbeteiligt war er daran nicht. Im Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel unterlief dem Torhüter der Amsterdamer unmittelbar nach der Pause ein fataler Fehlpass, der das zwischenzeitliche 4:1 der Italiener einleitete und damit die letzte Hoffnung bei Ajax auf eine mögliche Wende zerschlug.

Das 1:3 wenige Sekunden vor der Pause, das 1:4 nur wenige Sekunden nach der Pause: Für Ajax lief einiges schief. Mit unglücklichen Umständen allein aber ließ sich die 1:6-Niederlage des niederländischen Rekordmeisters nicht erklären.

„Das war echt schrecklich. So ehrlich müssen wir sein“, sagte der frühere Hamburger Rafael van der Vaart als Experte von Ziggo Sport.

Das 1:6 war für Ajax die höchste Heimniederlage der Vereinsgeschichte, zudem die höchste Niederlage im Europapokal und die höchste überhaupt seit 1964, als die Amsterdamer in der Ehrendivision beim Erzrivalen Feyenoord Rotterdam 4:9 unterlagen.

Neapel spielte, wie Ajax spielen wollte

„Das ist ein schmerzhafter Abend für jeden, dem Ajax am Herzen liegt“, sagte Kapitän Dusan Tadic, der eine knappe Viertelstunde vor Schluss Gelb-Rot sah und nun im Rückspiel in Neapel kommende Woche fehlen wird.

In der Pressekonferenz nach dem Spiel erwähnte Alfred Schreuder, der Trainer der Amsterdamer, gleich viermal, dass ein solcher Auftritt Ajax’ nicht würdig sei. „Das passt nicht zu uns“, sagte er. „Das kann nicht sein.“

Auch deshalb löste das Spiel grundsätzliche Debatten über Mannschaft und Trainer aus. Schreuders Team war den Gästen aus Süditalien klar unterlegen.

„Neapel spielte am Dienstag den Fußball, von dem sie bei Ajax träumen“, schrieb die Zeitung „De Volkskrant“. Die Gäste hatten 54 Prozent Ballbesitz und gaben 26 Torschüsse ab. Angesichts der Überlegenheit des SSC frohlockte in Italien der „Corriere della Sera“: „Neapel erteilt Unterricht in totalem Fußball.“

Ganz anders Ajax. Schlampig im Ballbesitz, naiv in der Verteidigung: Der Auftritt schrieb eine Serie von zuletzt schwächeren Darbietungen fort. Seit nunmehr vier Pflichtspielen sind die Amsterdamer ohne Sieg. Das gab es zuletzt vor fünf Jahren. Am Wochenende reichte es in der heimischen Liga im eigenen Stadion nur zu einem 1:1 gegen den Tabellendreizehnten Deventer, weshalb Ajax jetzt hinter AZ Alkmaar nur auf Platz zwei liegt.

Vor einem Jahr gewann Ajax alle sechs Gruppenspiele

„Es ist nicht gut, das ist klar“, sagte Trainer Schreuder. „Ob man das jetzt Krise nennt, ist mir egal.“ Das Fachblatt „Voetbal International“ verkündete nach dem 1:6 gegen Neapel sogar schon „das Ende einer Ära“.

Ajax war zuletzt die Rückkehr in den europäischen Fußballadel gelungen, verpasste 2019 nur um wenige Sekunden den Einzug ins Finale der Champions League. Aktuell aber droht die Mannschaft die K.-o.-Phase zu verpassen. Realistisch betrachtet geht es nur noch um Platz drei hinter Neapel und dem FC Liverpool.

Der Unterschied zur Vorsaison ist frappierend. Da rauschte Ajax mit sechs Siegen in sechs Gruppenspielen, unter anderem gegen Borussia Dortmund, durch die Vorrunde. Doch das Team von heute ist kaum noch mit dem von damals zu vergleichen.

Neben Trainer Erik ten Hag haben auch Antony, Noussair Mazraoui, Ryan Gravenberch, Sébastien Haller, Nicolas Tagliafico und Lisandro Martínez den Klub verlassen. Ajax sei eine viel schlechtere Mannschaft als vorige Saison, schrieb die „Volkskrant“, „und vermutlich ist Alfred Schreuder ein schlechterer Trainer als Erik ten Hag“.

Die Zweifel an Schreuder wachsen. Dass dem 49-Jährigen bei Ajax ein ähnliches Schicksal droht wie bei seinem Engagement in Hoffenheim, wo er 2020 noch vor Ablauf seiner ersten Saison als Trainer entlassen wurde, ist nach den jüngsten Entwicklungen zumindest nicht ausgeschlossen. Beim Debakel gegen Neapel jedenfalls geriet Schreuder in den Fokus des Publikums. „Rot op!“, riefen die Fans in der Johan-Cruyff-Arena: Verschwinde!

Schreuder wird vorgehalten, dass seine Mannschaft vor allem die großen Spiele gegen die großen Gegner verliert. Das fing schon im Juli mit der 3:5-Niederlage im Supercup gegen den PSV Eindhoven an, fand am Dienstag mit dem 1:6 gegen Neapel, trotz einer frühen 1:0-Führung, ein vorläufiges Ende und passt leider gar nicht zum Selbstverständnis von Stadt und Verein.

Am Wochenende zumindest hat Alfred Schreuder in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Dann spielt Ajax beim FC Volendam, dem Tabellenletzten der Eredivisie.

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