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Kopf unten. Hansi Flick hat nach der verkorksten WM keine neue Begeisterung entfachen können.

© imago/ActionPictures/imago

Die Kritik am Bundestrainer nimmt zu: Hansi Flick wird immer mehr zum Wagnis

„Das ist in die Hose gegangen.“ Selbst Hansi Flick sieht seine Experimente als gescheitert an. Der Bundestrainer hat wichtige Zeit verloren. Und viel Vertrauen.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bisweilen in einer Art Paralleluniversum unterwegs ist, ist keine ganz neue Erkenntnis. Aber irgendwann entkommt auch sie der Realität nicht mehr. Am späten Dienstagabend, als der Stadionsprecher in der Arena auf Schalke am Ende des Länderspiels gegen Kolumbien die „atemberaubende Atmosphäre“ lobte, reagierte das Publikum entsprechend: Es stimmte ein stattliches Pfeifkonzert an.

Für eine atemberaubende Atmosphäre bei einem Länderspiel ist aus Sicht der Anhänger der Nationalmannschaft nämlich vor allem eines unerlässlich: ein gutes Ergebnis. Und in dieser Hinsicht werden die Fans der Nationalmannschaft inzwischen nachhaltig enttäuscht.

Auch am Dienstag war das wieder so. Das Duell mit Kolumbien, das vorab mehr oder weniger als Pflichtaufgabe angesehen worden war, endete mit einer verdienten 0:2-Niederlage. Weil die Südamerikaner besser waren, pfiffiger, leidenschaftlicher, kraftvoller.

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Und so ging eine frustrierende Saison mit einem weiteren frustrierenden Erlebnis zu Ende. Bei der WM in Katar ist die Nationalmannschaft zum zweiten Mal nacheinander in der Vorrunde gescheitert, und seitdem hat das Team drei von fünf Spielen verloren. Ein Stimmungsumschwung, der auch mit Blick auf die anstehende Europameisterschaft im eigenen Land notwendig wäre, hat definitiv nicht stattgefunden.

Es ist alles noch viel schlimmer geworden

Im Gegenteil: Es ist alles noch viel schlimmer geworden. Die Mannschaft hat die latenten Zweifel, dass es ihr bei allem Talent an Wettkampfhärte mangelt, noch verstärkt. Und beim dafür verantwortlichen Bundestrainer wird inzwischen sogar gefragt, ob das Talent für den Job wirklich vorhanden ist.

Hansi Flick hat Fehler gemacht, das lässt sich inzwischen selbst bei bestem Willen nicht mehr leugnen. Er hat die Situation verkannt, in der er und seine Mannschaft sich nach der verkorksten Weltmeisterschaft befinden.

Der Bundestrainer wollte die drei Länderspiele ein Jahr vor der EM dazu nutzen, einige Dinge auszuprobieren. Doch seine Experimente gegen allenfalls mittelmäßige Gegner haben höchstens gezeigt, was nicht geht. „Wenn man es auf den Punkt bringt, ist es in die Hose gegangen“, hat Flick selbst gesagt.

Das ohnehin angekratzte Vertrauen in den Bundestrainer ist in den vergangenen Tagen noch weiter erodiert. Flicks Ankündigung, dass es im September, bei den nächsten Länderspielen, ganz sicher besser werden werde, wirkt da längst wie eine hohle Phrase. Aber das hat er sich vor allem selbst zuzuschreiben.

Flick als Bundestrainer weiter machen zu lassen ist inzwischen ein Wagnis, weil er kaum noch ankommt gegen die Zweifel der Öffentlichkeit. Und weil bei jedem weiteren Misserfolg die Erinnerungen an die vercoachte WM wieder hochkommen. Die Aussagen von Sportdirektor Rudi Völler („Der Bundestrainer ist die ärmste Sau“) deuten trotzdem nicht darauf hin, dass im Deutschen Fußball-Bund ernsthaft über seine Entlassung nachgedacht wird.

Völler hat dem Bundestrainer schon vor dem Spiel gegen Kolumbien eine Jobgarantie ausgesprochen. Er hat auch dessen Experimente gegen die mediale Kritik verteidigt. Aber das alles steht inzwischen im Gegensatz zu dem, wofür Völler Anfang des Jahres angetreten ist.

„Wir müssen die Zuschauer zurückgewinnen“, hat er bei seiner Ernennung zum Sportdirektor gesagt, „und das geht am einfachsten mit guter Leistung.“ Selbstverleugnung hilft der Nationalmannschaft bei der Lösung ihrer Probleme ganz sicher nicht weiter.

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