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Gary Lineker wird die Sendung „Match of the Day“ bis auf Weiteres nicht mehr moderieren.

© dpa/James Manning

Demission von Gary Lineker: Schwache BBC, kranke politische Kultur

Der Eklat um Fußball-Moderator Lineker ist exemplarisch für die Probleme der BBC und spiegelt zudem die neuen gesellschaftlichen Realitäten in Großbritannien wider.

Ein Kommentar von Kit Holden

Es ist noch gar nicht so lange her, als Gary Lineker in seiner Unterhose vor der Kamera stand. Sein Herzensverein Leicester City war gerade Meister geworden, Lineker löste lächelnd eine kindische Wette ein, und das ganze Land lächelte mit ihm. Seit 2016 hat sich aber viel geändert in Großbritannien, und gelächelt wird kaum mehr.

Am Samstagabend wird der frühere Nationalspieler nicht wie gewohnt vor den Kameras sitzen, um die Sendung „Match of the Day“ zu moderieren. Der langjährige Fußballmoderator der BBC hatte auf Twitter die Asylpolitik der Regierung mit Nazi-Deutschland verglichen, was dem Neutralitätsgebot des Senders widerspricht. Weil er eine Entschuldigung ablehnte, wurde Lineker von der BBC vorerst suspendiert. Eine Entscheidung, die für Jubel unter Rechtspopulisten wie Nigel Farage sorgt und für Empörung bei Linekers Kollegen. Eine Entscheidung, die zeigt, wie krank die politische Kultur im Land der Premier League geworden ist.

Über den Sinn eines Nazi-Vergleichs kann man immer diskutieren, und trotzdem ist es kaum zu fassen: ein Fußballmoderator wurde abgesetzt, weil er sich politisch äußerte. Das Argument der Neutralitätsverletzung taugt dafür nicht. Erstens äußerte Lineker die Kritik nicht in seiner Funktionion als BBC-Moderator und zweitens heißt Neutralität eben nicht, dass man die Regierung nicht kritisieren darf. Auch, wenn die Regierung das gerne so hätte.

Denn diese Entscheidung ist kein Kuriosum. Sie kommt im Kontext eines anhaltenden Angriffs dieser Regierung auf den öffentlich-rechtlichen Sender. BBC-Kritik hat bei den Konservativen Tradition, doch in jüngster Zeit verschärften sich die Attacken. Die Finanzierung des Senders wurde eingefroren, Komiker wurden wegen Witzen über die regierende Partei öffentlich angeprangert, ein ehemaliger Tory-Abgeordneter hat inzwischen die wichtigste Führungsposition inne.

Lineker war dabei längst schon zum Lieblingsfeindbild geworden. Wegen seines hohen Gehalts und seines Twitter-Aktivismus, aber eben auch wegen seiner Prominenz. Wer das Niveau des politischen Diskurses bewusst auf der niedrigsten Ebene halten möchte, legt sich doch besser mit einem Fußballer auf Twitter an als mit Oppositionspolitikern im Parlament.

Und auch diesmal hat das gewirkt. Denn einerseits könnte man meinen, die BBC-Hierarchie und die Regierung hätten sich hier verzockt. Linekers Demission hat für Entsetzen gesorgt, seine Kollegen streiken aus Protest. Nicht der Fußballer, sondern die Machtmenschen stehen jetzt offenbar in ihrer Unterhose da. Andererseits ist das ein nicht mehr als ein Pyrrhus-Sieg. Denn am Ende ist die BBC so oder so geschwächt – und keiner redet mehr über die Asylpolitik der Regierung.

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