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Stella Leder und Benno Plassmann haben mit  Bettina Jahnke das Programm der zweiten Ausgabe von „Jüdische Ossis“ vorgestellt.

© Andreas Klaer

Wohin jetzt, nach Krieg und Antisemitismus?: Potsdamer Festival „Jüdische Ossis“ schaut auf die Gegenwart

Das Mini-Festival „Jüdische Ossis“ im Hans Otto Theater geht Mitte März in die zweite Runde. Die Initiatoren haben am Donnerstag das Programm vorgestellt.

In den brandenburgischen Wäldern befinde sich ein Schießstand, erzählt Benno Plassmann vom Institut für Neue Soziale Plastik. Dort habe die DDR Terroristen der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO ausgebildet. Ein Teil der anti-israelischen Politik der angeblich anti-faschistischen DDR-Regierung. Heute wird der Stand von einem Schützenverein genutzt; die Spuren sind weitgehend verschwunden.

Derartige Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart freizulegen, hat sich das Mini-Festival „Jüdische Ossis und die Krisen der Gegenwart“ zur Aufgabe gemacht: Mitte März startet es in seine zweite Ausgabe. Am Donnerstag haben die Initiatorinnen und Initiatoren im Hans Otto Theater (HOT) das diesjährige Programm vorgestellt.

„Wir waren überrascht und beglückt von der positiven Resonanz und großen Reichweite der ersten Ausgabe“, so HOT-Intendantin Bettina Jahnke. Gerade vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Situation sei es wichtig, Haltung zu zeigen. Das Festival ist eine Kooperation zwischen dem HOT und dem Institut für Neue Soziale Plastik, das „künstlerische Projekte aus jüdischer Perspektive zu jüdischer Geschichte, Erinnerungskultur und Antisemitismus“ entwickelt.

Richtete die erste Festivalausgabe überhaupt erst einmal ein Scheinwerferlicht auf das Thema jüdisches Leben und antisemitische Verfolgung in der DDR, beschäftigt sich das kommende Festival mit der Gegenwart: dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, den bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg mit ihrer drohenden AfD-Mehrheit und dem fortdauernden Krieg gegen die Ukraine.

Unter den Gästen ist der amerikanische Historiker und Antisemitismusforscher Jeffrey Herf, der in seinen Büchern unter anderem dem ideologischen Ursprung der Hamas nachgeht und im brandenburgischen Zeesen landet, von wo die Nazis seit den späten 1930er Jahren ein antisemitisches Radioprogramm in Teile der islamischen Welt sendeten.

„Derartige Verbindungslinien sind aus unserer Sicht wichtig, um sich überhaupt zu orientieren, wenn man heute mit der rechtsextremen Terrororganisation Hamas konfrontiert ist, die gleichzeitig von vielen, sich links verstehenden Leuten mindestens verharmlost oder beglückwünscht wird“, so Stella Leder vom Institut für Neue Soziale Plastik.

Manja Präkels und Dmitrij Kapitelman lesen aus ihren Romanen und sprechen über rechtsextreme Gewalt von den 1990er Jahren bis heute. In „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ schreibt Präkels mit persönlicher Verbindung über die letzten Jahre der DDR und die Nachwendezeit. Kapitelman, 1986 in Kiew geboren, kam mit acht Jahren nach Leipzig und schreibt in seinen Büchern über seine jüdisch-ukrainisch-deutsche Identität. Im Anschluss spielt Manja Präkels mit ihrer Band Der singende Tresen.

Wie den Angriffskrieg auf die Ukraine künstlerisch verarbeiten? Erica Zingher, Pavlo Arie und Masha The Rich Man öffnen dem Publikum ein Fenster in ihre Arbeit aus der Diaspora heraus. Musikalisch nähern sich Andrej und Rachel Hermlin vom Swing Dance Orchestra in einer Matinee dem Thema. 1965 in Ost-Berlin als Sohn des Schriftstellers Stephan Hermlin geboren, veröffentlichte Andrej Hermlin 2011 sein Buch „My Way – Ein Leben zwischen den Welten“, aus dem er während des Festivals vorlesen wird.

Den Abschluss bildet die Lesung „Schreiben über ‚die Situation’“. Nach dem Angriff auf Israel stellt das Institut für Neue Soziale Plastik eine große Frage in den Raum: „Wohin jetzt?“ Wohin nach Kriegsbeginn, wohin nach dem neu aufgeflammten Antisemitismus? Für das Projekt schreiben israelische und diasporische Autorinnen und Autoren seit Oktober 2023 ein Jahr lang neue literarische Texte über die Gegenwart. Ihre szenische Interpretation wird im Hans Otto Theater von Projektionen israelischer Kunst begleitet, die nach dem Angriff entstanden sind.

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