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Der große Gebetssaal in der neuen Potsdamer Synagoge.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Erster Blick in Potsdams neue Synagoge: Ein Haus der Kompromisse in beeindruckender Architektur

Das neue jüdische Synagogenzentrum in Potsdam soll bald fertig sein. Trotz jahrelanger Debatten überzeugt der Neubau. Ein Rundgang.

Potsdams neue Synagoge in der Schlossstraße steht kurz vor der Vollendung: Im Frühjahr 2024 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen und das Haus noch vor der Sommerpause eröffnet werden, sagte Architekt Jost Haberland am Montag bei einem Rundgang über die Baustelle.

Das Synagogenzentrum stehe allen Potsdamer Gemeinden zur Verfügung, erklärte Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Sie werde das neue Haus für zunächst drei Jahre treuhänderisch betreiben. Beim Bau und der Gestaltung der Synagoge hätten sich die Gemeinden am Runden Tisch auf Kompromisse geeinigt, sagte Lehrer. „Wir sind noch nicht fertig, aber auf einem guten Weg.“ So hätten die beiden großen Gemeinden – die Jüdische Gemeinde und die Synagogengemeinde – vereinbart, zum Schabbat wechselweise den Gebetsraum zu nutzen. Die kleineren Gemeinden würden sich einfügen.

Er hoffe, dass die Räume auch gemeinsam genutzt werden, sagte Lehrer. Die Gemeinde der Gesetzestreuen habe die Einladung zum Runden Tisch jedoch nicht angenommen. Zusammen zählen die Gemeinden, die dem Landesverband angehören, 750 Mitglieder. Der Gebetsraum der Synagoge hat Platz für 199 Personen, davon 49 für Frauen.

Der Berliner Architekt Jost Haberland bekam es mit einigen Herausforderungen zu tun.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Neben den unterschiedlichen Interessen hatte Architekt Jost Haberland hohe Sicherheitsanforderungen zu berücksichtigen und die Funktionen wegen des kleinen Grundstücks „zu stapeln“. Trotz der verstärkten Sicherheit sei das Haus kein Bunker und werde hoffentlich ein Teil der Stadtgesellschaft, so Abraham Lehrer. „Der Synagogenbau ist der steingewordene Beweis für jüdisches Leben in unserer Mitte“, sagte Kulturministerin Manja Schüle (SPD).

Hohe Sicherheitsvorkehrungen

Schon äußerlich hebt sich der Neubau mit seiner hellen Klinkerfassade und den hohen Bogenfenstern von der barocken Umgebung ab. Deutlich überragt er das benachbarte Kabinettshaus. Wer in das Haus möchte, geht durch einen Bogen und muss zunächst eine Sicherheitsschleuse passieren. In die Fenster wurde Panzerglas eingebaut. Über die einzelnen Sicherheitsvorkehrungen dürfe er nichts verraten, sagte der Architekt. Sie seien aber seit dem versuchten Anschlag auf die Synagoge in Halle vor drei Jahren nochmals verschärft worden. Einige Kameras sind bereits installiert. Vor dem Haus würden Poller errichtet, so Haberland. Selbst zum Pressetermin wurde der Eingang von der Polizei bewacht.

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und Abraham Lehrer, Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, in der neuen Potsdamer Synagoge.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Künftig sollen auch Gäste der Gemeinden zu Festen in die Synagoge kommen. Zudem werden im großen Gemeinderaum im Erdgeschoss ein Café und ein kleiner jüdischer Shop eingerichtet. Speisen werden in den getrennten Milch- und Fleischküchen nach dem jüdischen Gebot zubereitet. Unterhalb dieses Raums wird die Mikwe mit einem Tauchbad für die Reinigung untergebracht. Außerdem entstehen im Untergeschoss, das sich wegen des hoch stehenden Grundwassers in einer Betonwanne befindet, Jugendräume, Umkleiden, die Garderobe und Toiletten. In den Obergeschossen werden Büros, Musik- und Kunsträume sowie eine Teeküche eingerichtet.

Vor dem Treppenhaus befindet sich eine weitere Sicherheitstür. Über die Treppe oder per Aufzug geht es ins erste Obergeschoss zum Gebetsraum. Hinter der Empore für die Frauen öffnet sich ein zehn Meter hoher Raum mit großem Oberlicht, unter dem sich in der Mitte des Raums die Bimah, die Lesekanzel, befinden wird. Unter der Decke sind Beleuchtung und Technik hinter einem geschwungenen Metallgeflecht aus Bronze versteckt. Der textile Charakter solle an das Zelt als Ursprung der jüdischen Religion erinnern, sagte Haberland. Tatsächlich ergibt sich mit den geschwungenen Seitenwänden und bogenförmigen Fenstern ein zeltartiger Charakter.

Blick auf Potsdams Mitte

Der Raum wird von Eichenholz geprägt sein, das für das Parkett, die Möbel und Verkleidungen der Empore verwendet wird. Die Ostseite mit dem Schrein für die Thorarollen wird noch mit Eichenornamenten gestaltet. Von der Empore führen Türen in eine Bibliothek und in einen Raum, in dem sich Kinder während der Gebete aufhalten können. Über dem Gebetsraum befindet sich eine Dachterrasse mit Blick über Potsdams Mitte. Künftig soll dort zum Beispiel das jüdische Laubhüttenfest gefeiert werden.

Moderne Architektur in der alten Mitte Potsdams: Die Synagoge ragt selbstbewusst über die Nachbarbebauung hinaus, fügt sich dennoch ein.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Haberland erläuterte eine weitere Besonderheit, ohne die technischen Details zu verraten. Weil orthodoxen Juden am Schabbat neben der Arbeit auch die Benutzung von Aufzügen, das Betätigen von Schaltern und Schließen von Schaltkreisen verboten ist, funktionieren Lift und Licht auch ohne, dass dafür Knöpfe gedrückt werden müssen.

„Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als diesen, um in Potsdam eine Synagoge zu bauen“, sagte Finanzstaatssekretär Frank Stolper während der Besichtigung. Nach vielen Jahren des Streits um eine Synagoge in Potsdam werde der Neubau nun in rekordverdächtigem Tempo vollendet, lobte Lehrer.

Nach der Grundsteinlegung vor zwei Jahren und dem Richtfest im August 2022 entstehe ein nicht alltägliches Gebäude, das der Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) im Auftrag errichtet. Finanziert wird das Haus vom Kulturministerium. Die Kosten sind inzwischen durch Inflation und knapp gewordene Materialien gestiegen – von ursprünglich geplanten 13,7 Millionen auf jetzt 16,4 Millionen Euro.

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) fragte sich, ob angesichts des wachsenden Antisemitismus die bisherige Erinnerungskultur erfolgreich gewesen sei oder ob „wir neben dem Erinnern an die Shoah nicht viel mehr das heutige vielfältige jüdische Leben in Deutschland zeigen“ müssten. Die neue Synagoge in Potsdam bietet dazu bald die Möglichkeit.

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