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Simon Wohlfahrt von der Initiative „Wir fahren zusammen“ im Gespräch mit einem Busfahrer.

© Andreas Klaer

Arbeitskampf trifft Klimaschutz: Wie Aktivisten mit einer neuen Initiative den ÖPNV in Potsdam stärken wollen

Die Gewerkschaft Verdi und Klimaaktivisten fordern gemeinsam mehr Geld für den Nahverkehr. Auch in Potsdam werden dafür Unterschriften gesammelt.

Klimaschutz und soziale Fragen stünden sich gegenüber, hört und liest man bisweilen. Oder auch: Klimaaktivistinnen und -aktivisten würden keine Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung nehmen. Dass das so nicht stimmt, zeigt die Initiative „Wir fahren zusammen“, die sich aus Aktiven aus der Klimabewegung und Mitgliedern der Gewerkschaft verdi zusammen setzt. Das Ziel: Gemeinsam streiten für die Verkehrswende. Damit die gelingt, so das Argument, müssen sich auch die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte des Öffentlichen Nahverkehrs verbessern. Am Samstag hat die Initiative in Potsdam Unterschriften von ÖPNV-Beschäftigten und Fahrgästen gesammelt.

„Fahrgäste, Klimaaktivisten und wir Beschäftigte haben doch alle eine Sache gemeinsam: Wir wollen einen gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr“, sagt Heiko Schindler, Betriebsratsvorsitzender der ViP und Busfahrer. Aus diesem Grund engagiert er sich bei der Initiative „Wir fahren zusammen“: Im September haben Verdi und Fridays for Future gemeinsam eine bundesweite Petition für eine bessere Finanzierung des ÖPNV gestartet. Schindler engagiert sich in der Potsdamer Ortsgruppe der Initiative und hat sich auch der Unterschriften-Sammelaktion beteiligt.

Das normale Einstiegsgehalt für einen Busfahrer in Potsdam liege bei 2.600 Euro. „Wegen der Inflation ist das Geld natürlich auch ein wichtiges Thema, aber es geht um mehr“, sagt Schindler. Eine Sechs-Tage-Woche sei für die meisten Fahrerinnen und Fahrer von Trams und Bussen der Normalfall. Problematisch seien zudem die sogenannten Teildienste: Weil Personal besonders zu den Hauptstoßzeiten des Berufsverkehrs gebraucht werden, also vormittags und nachmittags, hätten die Fahrerinnen und Fahrer dazwischen oft bis zu vier Stunden Leerlauf. Diese Zeit wird zwar bezahlt, allerdings nur mit zwei Euro pro Stunde. „Im Endeffekt ist man ja aber trotzdem von morgens bis abends auf der Arbeit“, sagt der Betriebsratsvorsitzende.

Nur wenn der ÖPNV finanziell gut ausgestattet ist, werden Leute auch wirklich aufs Auto verzichten.

Simon Wohlfahrt, Aktivist bei „Wir fahren zusammen“

Hinzu kommt: Aufgrund des Personalmangels in der Branche könne es rasch passieren, dass sich Dienstpläne spontan ändern. Auch das sei eine Belastung für die Beschäftigten, so der Betriebsratsvorsitzende. Aber auch den Personalmangel bekomme man nur in den Griff, wenn gute Arbeitsbedingungen locken, ist er überzeugt. „Und nur wenn der ÖPNV finanziell gut ausgestattet ist, werden die Leute auch wirklich aufs Auto verzichten“, ergänzt Simon Wohlfahrt.

Hierfür müsse insgesamt mehr Geld in das Gesamtsystem ÖPNV fließen, beispielsweise um Bus- und Tramstrecken auszubauen. Das betreffe vor allem die eher abseits gelegenen Ortsteile der Landeshauptstadt. Es gehe aber auch um ein allgemeines Umdenken von Stadt- und Verkehrsgestaltung: „Der ÖPNV sollte im Straßenverkehr Priorität haben“, sagt Wohlfahrt. So könnten in Potsdam beispielsweise mehr Bus-Spuren eingerichtet werden, so einer der Vorschläge der Gruppe.

Geld für ÖPNV soll vom Bund kommen

Die Forderung richten die Aktivistinnen und Aktivisten an die Bundesregierung. „Wir wissen, dass die Kommunen gerade genug zu tun haben“, sagt er. Auch die Verkehrsunternehmen selbst seien aus seiner Sicht bemüht, den Beschäftigten entgegen zu kommen, „trotz ihrer begrenzten Mittel“, betont Betriebsrat Schindler. Doch insgesamt müssten die Verkehrsunternehmen besser ausgestattet werden, findet er.

Seit dem Klimastreik am 15. September sammeln die Aktivistinnenund Aktivisten schon gemeinsam Unterschriften. Bis Samstag sind bereits 1.400 zusammen gekommen, sagt Simon Wohlfahrt. Bundesweit haben nach Angaben der Initiative „Wir fahren zusammen“ schon mehr als 31.000 Menschen die Petition unterschrieben. Bis Januar sollen weiter Unterschriften gesammelt werden. Im nächsten Jahr findet auch die Tarifrunde für ÖPNV-Beschäftigte statt.

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