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Mit Selfie in den Wahlkampf: Antje Töpfer und Benjamin Raschke führen die Landesliste der Brandenburger Grünen an.

© dpa/Frank Hammerschmidt

Mutmachen in Cottbus : Grüner Wahlkampfstart mit Polizeischutz

Nach gewaltsamen Protest vor einer Grünen-Veranstaltung in Biberach und anderen Aktion gegen die Partei sind auch Brandenburgs Grüne vorsichtig geworden: Ihr Parteitag am Wochenende in Cottbus fand unter verschärften Sicherheitsbedingungen statt.

Cottbus ist nicht Biberach. Alles bleibt friedlich. Aber die Polizei ist vorbereitet. Der Platz vor der Cottbuser Stadthalle samt Tramgleisen ist mit Absperrgittern abgeriegelt, Autos müssen einen Umweg nehmen. An allen Seiten des Gebäudes stehen Polizisten, die auch die erste Einlasskontrolle übernehmen, Personalien prüfen, ehe in der Halle ein Sicherheitsdienst Taschen auf gefährliche Gegenstände durchsucht. Noch nie war ein Parteitag der Brandenburger Grünen, seit 2019 in einer Koalition mit SPD und CDU, so abgesichert worden wie der am Wochenende in Cottbus.

Bundesweit sind die Grünen derzeit Ziel von Anfeindungen. Am Aschermittwoch verhinderten gewalttätige Protestierende eine Grünen-Veranstaltung im baden-württembergischen Biberach. In Brandenburg werden Ermittlungen wegen Volksverhetzung geprüft, nachdem in der Prignitz Plakate mit der Aufschrift „Grüne & Grün-Wähler werden bei uns nicht mehr bedient – Die deutschen Bauern!“ entdeckt wurden. Und vergangene Woche hatte es genau hier, vor der Stadthalle Cottbus, lauten Protest gegen die Bundesregierung und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegeben, der drinnen über die Energiewende in der Lausitz sprach.

Staatssekretär Michael Kellner und Außenministerin Annalena Baerbock beim Grünen-Parteitag in Cottbus.

© dpa/Frank Hammerschmidt

Auch am Samstag ist Grünen-Ampel-Prominenz im Saal, die Zorn auf sich ziehen könnte. Habecks Staatssekretär Michael Kellner und Außenministerin Annalena Baerbock sind – wie stets – zum Parteitag ihres Landesverbandes gekommen. Familienministerin Lisa Paus fordert bei ihrer Gastrede mehr Unterstützung für die Menschen, die sich für Demokratie einsetzen, und kommt auf den Brandbrief der beiden Lehrer aus Burg zu sprechen, die auf rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule aufmerksam machten – und erst angefeindet wurden für ihren Mut.

Spitzenkandidaten-Duo gewählt

„Neuer Mut“ lautet das Motto dieses zweitägigen Parteitags, bei dem die Grünen ihre Landesliste für die Brandenburg-Wahl am 22. September aufstellen. Ihr Programm hat die Partei bereits zuvor bei einem Parteitag im Januar beschlossen. Erst Inhalte, dann Personen, so die Strategie, für die es in Zeiten mit populistischen Marktschreiern tatsächlich Mut braucht. Denn Spitzenkandidatin Antje Töpfer (gewählt mit 91,1 Prozent), das wird bei ihrer Rede deutlich, ist keine, die auf Bühnen Massen mitreißt.

„Ich lasse mich von Zahlen, Fakten, Daten leiten“, sagt die 55-jährige Naturwissenschaftlerin, seit Ende 2022 Staatssekretärin im von Ursula Nonnemacher (Grüne) geführten Potsdamer Sozialministerium. Zuvor war die Lebensmittelchemikerin Referentin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Ihr Plus: „Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen“, sagt die Nonnemacher-Vertraute. „Und ich liebe dieses Land und habe keine Lust darauf, es den Rechten zu überlassen“, betont Töpfer, die im Havelland lebt.

Ein Passant ruft: „Fahrt nach Hause, Mensch!“

Wie ihr mit 92,9 Prozent gewählter Co-Spitzenkandidat, Fraktionschef Benjamin Raschke, ist sie in Brandenburg verwurzelt, weiß, was es heißt, kommunale Kärrnerarbeit zu machen. Eine Partei zugezogener Besser-Körnermümmel-Wessis, die Großstadtthemen für Gutverdiener propagiert – auf die märkischen Grünen trifft das nicht mehr zu. „Wir sind inhaltlich längst eine Partei des ländlichen Raums geworden“, sagt der 41-jährige Raschke, der in einem 800-Seelen-Dorf im Spreewald wohnt. Erhaltung aller Krankenhäuser, Hebammenversorgung, Schulessen, Nahverkehr – die Grünen haben einiges im Programm, was für die Peripherie wichtig ist. Nur: Können sie das vermitteln? Zugewandt kommunizieren, ohne zu provozieren?

Polizei am Samstag vor der Stadthalle in Cottbus.

© dpa/Frank Hammerschmidt

Am Samstag bleiben große Konflikte aus. „Cottbus ist bunt“, steht auf einem Regenbogen-Transparent, das an der Stadthalle hängt. Ein Mann mittleren Alters geht an der Einlassschlange zum Parteitag vorbei, ruft: „Fahrt nach Hause, Mensch!“ Eine Delegierte antwortet: „Aber wir sind hier zu Hause.“

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