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Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Plenum

© dpa/Bernd settnik

Ministerpräsident Woidke warnt: Rechtsextremismus größte Gefahr für Brandenburgs wirtschaftlichen Erfolgskurs

Die AfD will bei der Landtagswahl 2024 stärkste Kraft werden. Eine Aktuelle Stunde im Landtag zum 25-jährigen Gründungsjubiläum des Netzwerks Tolerantes Brandenburg ließ erste Rückschlüsse auf den Wahlkampf zu.

Für Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist Rechtsextremismus aktuell „die größte Gefahr für die Entwicklung des Landes“ – auch für den wirtschaftlichen Erfolgskurs. Das erklärte Woidke am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Landtages zur Gründung des Netzwerks Tolerantes Brandenburg vor 25 Jahren. Zu den Veränderungen seit damals gehöre, dass „stärker als jemals zuvor“ rechtsextremes Gedankengut über Parlamente transportiert werde.

„Das trifft auch auf dieses Haus zu“, warnte Woidke unerwartet deutlich. „Es spricht Bände, dass die zweitgrößte Fraktion dieses Hauses ein rechtsextremistischer Verdachtsfall ist.“ Die AfD, als Partei vom Verfassungsschutz beobachtet, liegt ein Jahr vor der Landtagswahl 2024 in den Umfragen vorn.

In Brandenburg gebe es einen starken Staat, „der handelt, wenn Amtsträger, Gemeindevertreter, kommunale Abgeordnete von Rechtsextremisten unter Druck gesetzt, wenn Initiativen gegen Rechtsextremismus bedroht werden“, versicherte der Regierungschef. Ein Hintergrund dieser Aussage ist auch, dass die AfD – wie jüngst in der Uckermark – inzwischen Listen namentlicher Abstimmungen in Kreistagen bei Entscheidungen über neue Flüchtlingsunterkünfte veröffentlicht.

AfD-Antrag abgelehnt

Mit der Mehrheit aller anderen Fraktionen lehnte der Landtag einen AfD-Vorstoß ab, das Programm Tolerantes Brandenburg abzuschaffen und die Finanzierung sofort zu stoppen. Zu dem Netzwerk gehören 46 Akteure aus der Zivilgesellschaft, etwa Landessportbund, Kirchen, Feuerwehrverband und Gewerkschaften. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt hatte zuvor gegen angeblichen Filz und eine Förderung von Linksextremen in dem Programm polemisiert.

Wir dürfen uns nicht in die Polarisierungsfalle treiben lassen.

Jan Redmann, CDU-Fraktionschef

Verabschiedet hat das Parlament hingegen einen Entschließungsantrag von SPD, CDU, Grünen, Linken und Freien Wählern, diese Demokratie-Allianz weiterzuentwickeln. „Das ist auch dringend nötig“, mahnte CDU-Fraktionschef Jan Redmann, der etwa auf die professionelle Nutzung sozialer Netzwerke durch Rechtsextremisten und den nun drohenden Missbrauch künstlicher Intelligenz (KI) hinwies.

Es gehe heute nicht mehr um Glatzen in Bomberjacken. Moderner Rechtsextremismus suche den Anschluss, um die Demokratie zu unterminieren, sagte Redmann. Die AfD im Landtag verstehe sich als parlamentarischer Arm von Rechtsextremen, Reichsbürgern und Identitären.

Zugleich wandte er sich mit Blick auf die Schulterschluss-Forderungen von SPD, Grünen und Linken gegen eine reine Anti-AfD-Allianz, „die so langweilig sei wie ein Brandenburger Kiefernwald“ und den Vormarsch erkennbar nicht stoppe. Nötig sei dafür vielmehr lebendiger Parteienstreit, um Menschen wieder für die Demokratie zu gewinnen. „Wir dürfen uns nicht in die Polarisierungsfalle treiben lassen“, sagte Redmann. Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Daniel Keller die CDU gewarnt, am rechten Rand zu fischen.

Freie-Wähler-Chef beklagt engen Meinungskorridor

Doch auch Peter Vida, Chef der Freien Wähler, kritisierte, dass sich der Meinungskorridor der öffentlichen Debatte verenge: „Die vielen Zwischentöne kommen nicht mehr vor.“ Das sei nicht gut für die Demokratie, die Selbstkritik, Zwischentöne und Zweifel brauche. „Wir müssen auch den Unsichtbaren, Ungehörten und Skeptikern einen Raum geben, damit aus Demokratiemüden mit dem Flötenspiel von Extremisten keine Demokratiefeinde werden.“

Wir müssen auch den Unsichtbaren, Ungehörten und Skeptikern einen Raum geben, damit aus Demokratiemüden mit dem Flötenspiel von Extremisten keine Demokratiefeinde werden.

Peter Vida, Chef der Freien Wähler

Es habe immer „Wehret den Anfängen“ geheißen, „doch wir sind schon mittendrin“, sagte Linke-Fraktionschef Sebastian Walter. Er hielt der AfD vor, in Wirklichkeit eine Autokratie, eine Diktatur zu wollen: „Sie bekämpfen das Tolerante Brandenburg, weil sie wissen: Eine Zivilgesellschaft, die sich wehrt, ist ihr größter Feind.“ Ein Schulterschluss gegen die AfD sei daher „keine Frage des Parteibuches, sondern des Anstands.“ Auf der anderen Seite müsse der unübersehbaren Vertrauenskrise, die eine Gerechtigkeitskrise sei, mit sozialeren Antworten begegnet werden, forderte Walter.

„Die Stimmung im Land ist aufgeheizt. BürgerInnnen und KommunalpolitikerInnen, die sich vor Ort für Geflüchtete einsetzen, werden bedroht“, warnte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. „Wir werden den Pöblern und Hetzern den öffentlichen Raum nicht überlassen.“

Zugleich sprach Budke von einer insgesamt nachdenklich machenden Entwicklung „mit knappen Wahlsiegen der demokratischen Parteien, dem Zeitungssterben, einer zurückgehenden Zustimmung zur Demokratie, rassistischen und sexistischen Übergriffen und einem grundsätzlichen Infragestellen der Wissenschaft“. Die Strategie der AfD und der Neuen Rechten sei dabei, den Diskursrahmen zu verschieben, „was bisher Tabu war, gehört plötzlich zum Alltag.“

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