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Blick in das Innere der Scheunenkirche von Wilmersdorf in der Uckermark.

© dpa/Patrick Pleul

Geheimes Gotteshaus in Angermünde: Das ist die Geschichte der Scheunenkirche von Wilmersdorf

Das kleine Gotteshaus entstand in den 1930er Jahren, als die Nazis den Dörflern keine neue Kirche genehmigten. Eine Adelsfamilie findet einen anderen Ort und setzt eine Idee um.

Von Jeanette Bederke, dpa

Von außen betrachtet ist das Fachwerkhaus mit der zweiflügeligen blauen Tür im Angermünder Ortsteil Wilmersdorf (Uckermark) ein in die Jahre gekommenes Gebäude, wie es viele in der Gegend gibt.

Sein Geheimnis offenbart sich erst im Inneren: Kirchenbänke stehen in acht Reihen in einem großen Raum vor einem schlichten Altar, daneben führen vier Holzstufen zu einer einfachen Holzkanzel. Das Besondere zeigt sich erst beim Blick nach oben: Die hölzerne Deckenverschalung ist bunt bemalt mit Blumenranken, Weinreben und Bibelversen und Herzen, Sternen und Kreuzen.

„Die farbenfrohen Malereien stammen von Erich Kistenmacher, einem gebürtigen Angermünder. Ursprünglich war er Landschaftsmaler, der aber in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einigen Kirchen Pommerns, Berlins, Brandenburgs und der Neumark östlich der Oder seine Spuren hinterlassen hat“, erzählt Dietrich von Buch.

Er ist nicht nur Chef des Ende 2017 gegründeten Fördervereins Scheunenkirche Wilmersdorf. Der besondere kleine Sakralbau - inzwischen unter Denkmalschutz stehend und nach Einschätzung des Förderkreises Alte Kirchen Berlin Brandenburg einmalig in der Region - ist auch Teil seiner Familiengeschichte: Alexander und Anna von Buch, denen das Gut Wilmersdorf bis 1945 gehörte, hatten die geheime Kirche in den 1930er Jahren in die Fachwerkscheune einbauen lassen, die zuvor als Stall für die Pferde der Försterei genutzt worden war.

Die kleine Kirche steht inzwischen unter Denkmalschutz.

© dpa/Patrick Pleul

„Die alte Dorfkirche war schon Jahrhunderte zuvor zerstört worden, Gottesdienste wurden in der alten Gärtnerei und anderen Provisorien abgehalten. Meine Großeltern beantragten einen Neubau direkt neben dem Friedhof an der höchsten Stelle des Dorfes. Den haben die Nazis allerdings nicht genehmigt“, erzählt von Buch.

Von Buch engagiert sich seit Jahren für die Rettung des Fachwerkbaus

Historische Belege hat er dafür allerdings nicht, nur überlieferte Erinnerungen der Wilmersdorfer. Warum die Dorfkirche mehr als 450 Jahre lang nicht wieder aufgebaut worden war, hat er auch beim Studieren der Ortschronik nicht herausgefunden. Es gibt aber Belege dafür, dass die Scheunenkirche 1936 eingeweiht worden ist. Einen klassischen Kirchturm hat sie nicht, die Glocke hängt im Dachstuhl. Bis in die 1990-er Jahre wurden hier alle zwei Wochen Gottesdienste abgehalten.

Dietrich von Buch war mit seiner Frau Ute kurz nach der Wende aus dem Ruhrgebiet nach Wilmersdorf gezogen. „Wir sind keine Landwirte, wollten das Gut nicht zurück“, macht er deutlich. Die kleine Kirche in der Scheune hingegen fand er auch aus kulturhistorischer Sicht spannend. Von Buch engagiert sich seit Jahren für die Rettung des Fachwerkbaus.

Das Holz in der Südwand war total verfault, im hölzernen Fußboden hatte sich der Hausschwamm festgesetzt

Dietrich von Buch, Chef Fördervereins Scheunenkirche Wilmersdorf

„Das Holz in der Südwand war total verfault, im hölzernen Fußboden hatte sich der Hausschwamm festgesetzt“, erläutert er die ersten Baustellen, bei denen Wilmersdorfer selbst Hand anlegten - allen voran Zimmermann René Schmidt. Die Scheunenkirche gehöre zur Geschichte des Dorfes, sagt der Handwerker. „Es hat mich geärgert, dass man dem Verfall zusehen konnte.“ Die Haltung der Wilmersdorfer sei gespalten, seit sich die Kirche zurückzog und sogar den Friedhof des Ortes hatte schließen wollen, sagt Schmidt.

Erst mit der Gründung des Fördervereins bekamen die Wilmersdorfer auch Hilfe „von außerhalb“. „Wir haben eine Anschubfinanzierung von zumindest 5000 Euro ermöglicht“, erzählt Hans Tödtmann vom Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg, dem jährlich 100.000 Euro für die Unterstützung von Dorfkirchen-Projekten in beiden Ländern zur Verfügung stehen. „Fördervereine in den Orten stehen bei uns im Fokus, weil sie den Zusammenhalt dort stärken.“ Der abblätternde Farbanstrich der Scheunenkirchen-Fenster stamme noch aus DDR-Zeiten, im Altarraum müsse der Holzwurm bekämpft werden, macht von Buch deutlich.

Größere Sorgen bereite aber das undichte Dach, das bereits Wasserschäden an der bemalten Kirchendecke verursacht hat. „Als Zwischenlösung haben wir auf dem Dachboden eine provisorische hölzerne Schutzschicht eingezogen. Aber letztlich muss das Dach neu gedeckt werden“, erklärt er und zeigt auf die deutlich sichtbaren Lücken zwischen den Ziegeln.

In der Kirche werden Kinofilme gezeigt

Auch Dachrinnen und Fallrohre sind zu erneuern. Zimmermann Schmidt schätzt die Kosten auf rund 150.000 Euro. Der Förderverein will neben Spenden jetzt auch gezielt Fördermittel einwerben. Unterstützung bei der Kirchenverwaltung fand er in den vergangenen Jahren nicht. Eine Handvoll Gemeindemitglieder aus dem Dorf besuchten Gottesdienste in Nachbarorten.

„Wir haben 19 Kirchen im Pfarrsprengel Angermünde, die wir möglichst alle erhalten wollen. Vorrang hatte in den vergangenen Jahren allerdings die Kirche in Greiffenberg. Mit der Sanierung sind wir immer noch nicht fertig“, sagt Geschäftsführer Holger Schella.

Er will den Wilmersdorfer Förderverein dabei unterstützen, die Scheunenkirche wieder für unterschiedlichste Nutzungen zu öffnen. „Je mehr Akzeptanz sie hat, umso größer ist die Chance für ihren Erhalt“, schätzt er ein. Schon seine Großeltern hätten „einen Ort der Einkehr“ schaffen wollen, bestätigt von Buch. Im Winterhalbjahr habe der Förderverein bereits Kinofilme in der Kirche gezeigt, das Adventssingen hat bereits Tradition. Konzerte von Musikschülern, Kinder- und Kirchenfeste sind geplant.

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