zum Hauptinhalt
Der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) feiert die Rettung des Europäischen Wisents. Vor 100 Jahren gab es keine freilebenden Tiere mehr in Europa. Dank der Arbeit von Zoos und vielen Partnern leben heute wieder über 8.225 Tiere in Europa. / Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/nr/129318 / Die Verwendung dieses Bildes für redaktionelle Zwecke ist unter Beachtung aller mitgeteilten Nutzungsbedingungen zulässig und dann auch honorarfrei. Veröffentlichung ausschließlich mit Bildrechte-Hinweis. Foto: Zoo Berlin/obs

© obs/Zoo Berlin

Brandenburgs Wilder Westen: Besuch bei Deutschlands größter Wisentherde

Sie galten in Europa als ausgerottet. In der Döberitzer Heide konnten die Wisente in einem Schutzgebiet wieder heimisch werden. Auch Aserbaidschan will die Wildrinder wieder ansiedeln 

Von Silvia Passow

Einige der stämmigen Tiere schauen kritisch zu der Besuchergruppe hinüber. Andere nehmen den Besuch gelassen, grasen oder gönnen sich ein Sandbad. Etwa ein Dutzend Tiere stehen auf der Wiese, lassen sich betrachten und fotografieren. Menschen bekommen die Wisente in der Döberitzer Heide (Havelland) nur selten zu sehen. Die rund 130 gewaltigen Tiere mit dem ungewöhnlichen Körperbau und zottelig wirkenden Fell leben gemeinsam mit Przewalskipferden und Rotwild in der 1850 Hektar großen Kernzone. Sie wird von Menschen nur selten betreten, ist von einem 22 Kilometer langen Zaun geschützt. 2010 durften die ersten sanften Riesen ihre neue Heimat erkunden. Sie waren der Grundstock für die größte Wisentherde in Deutschland.

Der letzte Wisent wurde 1927 geschossen

„Ein großer Erfolg für den Artenschutz“, sagt Dr. Hannes Petrischak, Leiter des Geschäftsbereichs Naturschutz der Heinz-Sielmann-Stiftung. 1927 wurde der letzte freilebende Wisent im Kaukasus erschossen. Da war in Europa schon keine Spur mehr vom Wisent zu finden. Vier Jahre zuvor, im August 1923, wurde in Berlin die „Internationale Gesellschaft zu Erhaltung des Wisents“ gegründet. Fachleute und Privatpersonen schlossen sich zu einem Netzwerk zusammen, darunter die bekannte Zoologin Erna Mohr und ihr Kollegen Hermann Pohle und Max Hilzheimer. Zu diesem Zeitpunkt lebten im Berliner Zoo zwischen vier und acht Wisente. Die in Gefangenschaft lebenden 56 Tiere sorgten dafür, dass der Wisent nicht komplett verschwand.

8225 freilebende Wisent gibt es heute weltweit und sie gehen auf nur zwölf Tiere zurück. Das Wisent wird auch Europäischer Bison genannt und war nicht nur in Europa, sondern auch im Kaukasus heimisch. Der Berliner Zoo und der Tierpark Berlin setzen sich gemeinsam mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) für die Wiederansiedlung von Wisenten in Aserbaidschan ein.

Wisente für den Kaukasus

Seit 2009 bringen Aurel Heidelberg, WWF Referent der Ökoregion Kaukasus, und sein Team Wisente nach Aserbaidschan. Dort werden die Tiere in dem rund 1300 Quadratkilometer großen Shahdag Nationalparks ausgewildert. Hier leben sie frei, es gibt keinen Zaun, der Nationalpark grenzt an Wälder, erzählt Heidelberg. Er und Vertreter des WWF Aserbaidschan waren zum hundertsten Jahrestag der Gründung der „Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents“ in Berlin und in der Döberitzer Heide im Havelland. Erfahrungsaustausch und Wisente schauen stand ganz oben auf der Agenda.

Die Herde in Aserbaidschan ist mit 36 Tieren noch überschaubar. Jedes Jahr schicken sie etwa zehn Tiere auf die Reise, sagt Heidelberg. Aus verschiedenen Zuchtprogrammen, eine Durchmischung des Erbgutes muss gewährleistet sein, damit die Tiere gesund bleiben. Ein Wisent mit dem Flugzeug auf die Reise nach Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, zu schicken ist aufwendig. „Wir konnten zum Glück einen kleineren Flugplatz für den Transport finden“, sagt Heidelberg. Geflogen wird von Frankfurt-Hahn, hier haben die Tiere weniger Stress. Bis 2028 soll die Herde 100 Tiere zählen, bis dahin müssen noch ein paar Wisente auf die Reise gehen.

In Aserbaidschan, sagt Heidelberg, kämen die Menschen gut mit den, bis zu einer Tonne schweren Wildrindern, zurecht. Für Deutschland beschreibt Hannes Petrischak das anders. „Es gibt keine besonders hohe Akzeptanz für Wildtiere. Besonders schwer haben es große Wildtiere“, erklärt er den Besuchenden auf Englisch. So wie im September 2017, als ein Wisent aus Polen über die Oder nach Brandenburg kam und diesen Grenzübertritt mit dem Leben bezahlte. Nach 200 Jahren Abwesenheit wurde der erste Wisent in Freiheit von einem Jäger auf Anweisung erschossen. Man fürchtete um die Sicherheit der Menschen. In Polen sind mehr als 2000 freilebende Wisente unterwegs und finden Akzeptanz. „Wir haben es leider verlernt, mit Wildtieren zu leben“, sagt Heidelberg, der sich an vielen Ecken dieser Welt für bedrohte Tierarten einsetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false