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Ulrike Liedtke, Präsidentin des Landtages.

© dpa/Soeren Stache

Brandenburgs Landtagspräsidentin: „Das ist Terror, unvorstellbar in seinem Ausmaß“

Mit ergreifenden Worten rief Ulrike Liedtke zu Solidarität mit Israel auf. Dass Menschen auf den Straßen den Terror der Hamas feiern, sei ein Alarmsignal – die Rede im Wortlaut.

Am Mittwoch hat der Brandenburger Landtag der Opfer des Angriffs der islamistischen Hamas auf Israel mit einer Schweigeminute gedacht. Zu Beginn der Plenarsitzung hatte Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke zu Solidarität mit dem israelischen Volk aufgerufen. Hier lesen Sie die Rede im Wortlaut.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Regierungsvertreter, liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger!

Die Fernsehbilder sind nicht zu ertragen. Kinder, die auf der Straße erschossen worden sind, Familien wahllos verschleppt, Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser von Raketen getroffen. Das ist Terror, unvorstellbar in seinem Ausmaß, ungezählt die Opfer, so viel Verlust, so viel Leid, so viele Tränen.

Es sind nicht nur schreckliche Bilder, denn viele Brandenburgerinnen und Brandenburger pflegen persönliche Kontakte nach Israel – Austauschstudenten, Mitarbeiter in Firmen, Wissenschaftler, Musiker, ganze Schulklassen, Freunde, auch Familien.

Nach dem Massaker der Hamas-Kämpfer im Kibbuz Kfar Azza nehmen Trauernde Abschied von einer fünfköpfigen israelischen Familie.

© dpa/Ohad Zwigenberg

Am 7. Oktober, am Morgen des jüdischen Feiertags Simchat Tora, begann die Hamas einen mörderischen Angriff auf Israel, seine Soldaten und sein Volk. Es gibt nichts, was Terror rechtfertigen könnte, was den Terror der Hamas rechtfertigen könnte – kein Aber, gar nichts, Terror kann nicht relativiert werden.

Wir verurteilen den Terrorakt der Hamas in aller Schärfe und stehen stark und verlässlich an der Seite Israels, das sich und seine Bürgerinnen und Bürger gegen diesen barbarischen Angriff verteidigt. Und wir sagen ganz klar: Israels Sicherheit wiederherzustellen und die Sicherheit seiner Bewohner, das ist völkerrechtlich verbrieftes Recht.

Wir verurteilen den Terrorakt der Hamas in aller Schärfe und stehen stark und verlässlich an der Seite Israels, das sich und seine Bürgerinnen und Bürger gegen diesen barbarischen Angriff verteidigt.

Ulrike Liedtke, Brandenburgs Landtagspräsidentin

Noch im Mai dieses Jahres sprach S.E. der Botschafter des Staates Israel, Ron Prosor, anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung Israels hier im Plenarsaal des Landtages zu den Abgeordneten. Er erzählte von seinem wunderbaren vielgestaltigen Land, von Erfindern, Lehrern und Soldaten, von mutigen, engagierten Menschen, die ihre Heimat Israel gestalten, von der israelischen Demokratie und vom Stolz der Israeli auf ihre Geschichte, ihre Identität, ihr Land.

Es war ein festlicher Tag. Wir Abgeordneten haben mit unseren Freunden aus Israel, mit Brandenburgern, mit internationalen Gästen Geburtstag gefeiert. Niemand hier im Saal hätte sich vorstellen können, dass nur wenige Monate später ein Krieg über Israel hereinbrechen würde. Israel sei wie ein Phönix aus der Asche des Holocausts aufgestiegen, sagte S. E. der Botschafter anlässlich des Jubiläums. Damals, in dieser festlichen Stunde tat es weh, darüber nachzudenken.

Israels Botschafter Ron Prosor hatte den Brandenburger Landtag im Mai besucht.

© dpa/Soeren Stache

Nach dem Schrecken des Holocaust ist die Existenz Israels in Gefahr, ist Krieg in Israel, wurden Jüdinnen und Juden wieder Opfer von antisemitischer Gewalt, ermordet, verschleppt, in Geiselhaft genommen, weil sie Juden sind, weil sie Israeli sind.

Diese schreckliche Wahrheit nimmt uns den Atem, es fehlen die Worte. Wir trauern mit unseren Freunden in Israel und wir sind in großer Sorge. Wir werden Israel mit allem unterstützen, was nötig wird und was wir irgend leisten können.

Das ist gemeint, wenn wir sagen, die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Das ist ein Teil unserer Identität. Denn aus unserer eigenen Geschichte heraus und aus der Verantwortung, die aus dieser Geschichte entsteht, sind wir dafür schlichtweg zuständig.

Dass es bei uns noch immer Antisemitismus gibt, dass sich Antisemitismus in Schulen zeigt, erfüllt uns mit Scham und großer Sorge. Wenn Menschen auf den Straßen den Terror der Hamas feiern und ihren Hass gegen Israel und gegen Jüdinnen und Juden zeigen, dann ist das ein Alarmsignal für das Zusammenleben in unserem Land.

Antisemitische Straftaten müssen geahndet werden, mit einer klaren Antwort des Rechtsstaates. Wer die Verbrechen der Hamas verherrlicht oder ihre Symbole verwendet, macht sich in Deutschland strafbar. Wer Mord und Totschlag billigt oder zu Straftaten aufruft, macht sich strafbar. Wer israelische Flaggen verbrennt, der macht sich strafbar. Wer eine Terrororganisation wie die Hamas unterstützt, der macht sich strafbar. Unser wehrhafter Rechtsstaat wird jeden, der so etwas tut, zur Rechenschaft ziehen.

Auf der Videoleinwand im Plenarsaal des Brandenburger Landtags in Potsdam wehte die israelische Flagge.

© dpa/Soeren Stache

Antisemitismus ist keine Meinung, sondern Diskriminierung, Herabwürdigung, physische und psychische Gewalt. Lassen Sie uns in Brandenburg Grenzen setzen, wo antisemitische Gewalt und Ausgrenzung ihren Anfang nehmen. Lassen Sie uns wach sein für Situationen, in denen Ausgrenzung beginnt oder zugelassen wird zwischen denen, die dazugehören und denen, die nicht dazugehören.

Denn hier beginnt – ganz banal und unauffällig – das Böse. Der Krieg macht, dass wir uns hilflos fühlen. Aber wir dürfen uns nicht der Hilflosigkeit überlassen. Die Möglichkeiten der internationalen Diplomatie können Hoffnung geben, die UN ist gefordert und die Freunde Israels auf der ganzen Welt. Vielleicht müssen wir neue und ungewöhnliche Wege gehen, und neue Friedensallianzen der internationalen Zivilgesellschaften bilden, uns mit Friedensforschern beraten, junge Menschen miteinander ins Gespräch bringen, Muslime, Christen und Juden.

Terroristen müssen besiegt werden. Aber das palästinensische Volk besteht nicht überwiegend aus Terroristen.

Ulrike Liedtke, Brandenburgs Landtagspräsidentin

Denn wir können auch nicht mit ansehen, wie sich der barbarische Krieg der Hamas gegen ihr eigenes Volk, gegen Palästinenser und Palästinenserinnen richtet. Humanitäre Korridore für die Zivilgesellschaft im Gazagebiet sind unerlässlich, Menschen, die unschuldig in einen Krieg geraten sind, deren Tod von der Hamas in Kauf genommen wird. Mord an Israelis und Mord an der eigenen Bevölkerung. Terroristen müssen besiegt werden. Aber das palästinensische Volk besteht nicht überwiegend aus Terroristen. Es braucht eine Perspektive. Mehr als 30 Friedensinitiativen in Israel fordern die Einstellung der Kriegshandlungen. Es gibt eine Alternative zum Krieg, das ist Frieden, international verhandelt und notwendig für alle Menschen.

Es macht mich traurig, zutiefst traurig, dass Völkermord heute noch möglich ist. Wir müssen uns fragen: Tun wir schon alles, was wir tun können? Tun wir schon das Richtige? Wie schaffen wir es, dass sich in unserem Land Jüdinnen und Juden sicher fühlen? Dass jüdisches Leben in der Öffentlichkeit selbstverständlich ist? Dafür, dass wir einander mit Wertschätzung und Respekt begegnen – Deutsche, Jüdinnen und Juden, Palästinenserinnen und Palästinenser?

Vielleicht können wir in Deutschland Möglichkeiten für Begegnungen und Austausch schaffen, die Verständigung, den Respekt und ein freundliches Interesse aneinander, unabhängig von Herkunft und Religion zur Folge haben. Dialog fördern, wo es gewünscht oder möglich ist. Heute erscheint das noch wie eine Utopie, aber gesellschaftliche Entwicklungen können Möglichkeitsräume eröffnen, in denen Neues entsteht.

Politik ist nicht hilflos, sondern kann aufklären, für politische Bildung sorgen, Verhandlungen fördern, Eskalation vermeiden. Die Zivilgesellschaften können die Politik dabei maßgeblich unterstützen.

Ein Gesetz zur Schaffung eines Antisemitismusbeauftragten steht im Landtag vor der Verabschiedung und erscheint nötiger denn je. Die Synagoge in Potsdam wird zum Jahresanfang eröffnet. Mit Beschluss des Parlaments vom 5. Juli 2022 steht die Stärkung Jüdischen Lebens und der Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel in der Verfassung Brandenburgs.

Nach dem Angriff der Hamas wurde vor der neuen Potsdamer Synagoge eine Mahnwache abgehalten.

© Andreas Klaer

Erst zu Beginn des Jahres lud ich die Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und des parlamentarischen Freundeskreises Israel zu einem Gedankenaustausch und Empfang in den Landtag ein. Viele herzliche Begegnungen fanden statt, Kontakte wurden geknüpft, Bündnisse geschmiedet. Der parlamentarische Freundeskreis Israel sorgt als dauerhafter Zusammenschluss von Abgeordneten für die Vertiefung der Beziehungen zwischen Brandenburg und Israel.

Ich danke dem Freundeskreis Israel ausdrücklich für seine Resolution und darf daraus zitieren: „Wir rufen zu anhaltender Solidarität mit Israel auf. Die Unterstützung für Israel muss gerade in diesen Tagen unser Handeln bestimmen und darf auch in den kommenden Tagen und Wochen nicht nachlassen.“

Die Reise der Landesregierung sowie der Vorsitzenden des Europa-Ausschusses und der Präsidentin nach Israel soll ein Zeichen setzen für unsere Verbundenheit, ganz gleich, ob sie jetzt oder später stattfindet. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir diese Reise bald antreten können.

Wenn wir uns fragen, was uns jetzt Halt geben kann, dann sind es die Beziehungen zwischen den Menschen. Wir denken an die Familien, die der Terror auseinandergerissen oder gar ausgelöscht hat, an
Verletzte, an Kinder ohne Eltern. Auch an die Angst vor Krieg, an unschuldige Menschen, Frauen, Babys, Kinder, Alte, deren Leben bedroht ist, die um ihre Liebsten bangen, die nicht wissen, ob ihr Haus am Morgen noch steht.


Die Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg fühlen mit den Menschen in Israel, wir trauern. Uns verbindet der tiefe Wunsch nach Frieden. Ja, es muss Frieden werden. Der Frieden beginnt mit uns. Mit Empathie, mit Solidarität. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, solange die Telefonate noch von Luftangriffen unterbrochen werden.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich zu erheben zu einer Schweigeminute für die unschuldigen Opfer des Angriffskrieges der Hamas gegen Israel

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