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Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, nimmt an einer Plenarsitzung im Landtag von Baden-Württemberg teil.

© dpa/Marijan Murat

„Zur Not Vermittlungsausschuss“: Warum sich die Länder gegen Lindners Wachstumsgesetz wehren

Das FDP-Projekt könnte im Bundesrat scheitern. Baden-Württembergs Finanzminister Bayaz von den Grünen hält die Finanzierung des Vorhabens für abwegig.

Das Wachstumschancengesetz ist nach der Arbeitsteilung in der Ampel-Koalition vor allem ein FDP-Projekt. Finanzminister Christian Lindner hat es als Beitrag seiner Partei für die herbstliche Konjunkturankurbelung vorbereitet und es auch mit Blick auf die Wahlen in Hessen und Bayern als Werbeargument ins Kabinett gebracht.

Bekanntlich lief es schon in der Koalition dann nicht ganz rund – der Gesetzentwurf musste nach der Einrede von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im August von der Tagesordnung im Kabinett genommen werden und konnte erst – nach einer Intervention des Kanzlers – bei der Klausur in Meseberg beschlossen werden.

Nun geht es in den Bundesrat. Schon haben mehrere Länderchefs, darunter auch der Berliner Regierende Bürgermeister, angekündigt, das Gesetz blockieren zu wollen, sollte die Bundesregierung nichts an dem Vorhaben ändern. Von Lindner und der Koalition gab es kein Signal des Entgegenkommens – es sei denn, man wertet die Ankündigung eines „Deutschlandpakts“ von Olaf Scholz in der vorigen Woche als ersten Schritt.

Das wird eine zentrale Rolle im Bundesrat spielen.

Danyal Bayaz, Grünen-Finanzminister in Baden-Württemberg.

Die Liberalen attackieren derweil die Länder. Bundestags-Fraktionschef Christian Dürr sagt, „für parteitaktische Spielchen habe man jetzt keine Zeit“. Haushaltspolitiker Otto Fricke mahnt, die Länder „müssen ihrer Verantwortung gerecht werden“. Sie nähmen mehr Steuern ein als der Bund. „Dennoch feilschen sie um jeden Euro.“

Die FDP ist in der Landespolitik allerdings keine starke Kraft. Lindner und seine Parteikollegen brauchen dort kaum Rücksicht auf die eigenen Leute zu nehmen. Die Suche nach einem Kompromiss bei der Finanzierung der Steuerausfälle ist deshalb mehr eine Sache von SPD und Grünen – auch Richtung CDU, mit der beide Parteien in mehreren Landesregierungen sitzen. Aber die Länderseite wirkt derzeit geschlossen.

Der Widerstand gegen das Wachstumschancengesetz als Konjunkturspritze ist eher gering. Es geht um die Finanzierung und die Ausgestaltung. Das Gesetz sei „grundsätzlich richtig“, sagte der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) dem Tagesspiegel. „Wir können nicht über nachlassende Wettbewerbsfähigkeit klagen, dann aber gleichzeitig tatenlos zusehen, wie andere Standorte an uns vorbeiziehen.“ Deshalb seien Impulse für mehr Wettbewerbsfähigkeit notwendig.

Das große Aber

Doch dann folgt das große Aber. Das betrifft die Kostenaufteilung. Über die müsse man sprechen. „Das wird auch eine zentrale Rolle im Bundesrat spielen“, sagte Bayaz. „Zur Not auch in einem Vermittlungsausschuss.“ Würde es die Regierungskoalition darauf ankommen lassen?

Der Hebel, den die Länder ansetzen, sind die Kommunen. „Dass der Finanzierungsanteil der Städte und Gemeinden fast ebenso hoch sein soll, wie der des Bundes, halte ich für problematisch“, sagt Bayaz. „Das entspricht nicht den tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten der Kommunen.“

32 Milliarden Steuerminus

Steuerausfälle, welche die kommunale Ebene nicht selbst kompensieren kann, müssten zunächst die Länder decken. Nach der Schätzung von Lindner kosten die im Wachstumschancengesetz aufgelisteten Steuervergünstigungen für die Unternehmen den Staat bis zum Jahr 2028 gut 32 Milliarden Euro. Davon sollen auf den Bund etwa zwölf Milliarden entfallen, die Länder wären mit 11,3 Milliarden dabei. Auf die Kommunen kämen demnach neun Milliarden Euro zu. Der Kommunalanteil wäre damit außergewöhnlich hoch.

Den größten Anteil machen der von Lindner geplante Verlustrücktrag sowie die beiden erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten aus. Dahinter folgen eine erhöhte Forschungsförderung, Hilfen für den Baubereich und die geplante Investitionsprämie. Im Detail gibt es dazu einige Bedenken in den Ländern. So gilt die Investitionsprämie manchen als zu bürokratisch.

Das Wachstumschancengesetz dürfte Teil eines größeren Bund-Länder-Pakets in diesem Herbst sein. Der Streit über die Verteilung der Flüchtlingskosten schwelt seit Monaten. Der Industriestrompreis gehört außerdem dazu. Ein Dauerthema ist die Altschuldenhilfe für besonders klamme Kommunen. All das läuft auf einen Showdown im November hinaus.   

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