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Dass FDP-Fraktionschef Christian Dürr die Politik der eigenen Ampelregierung lobt, wäre nicht unbedingt eine Nachricht – wie er es tut, dann aber doch.

© dpa/Michael Kappeler

„Zu lang unter Einfluss von Agora“: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Der Wirtschaftsminister hat jüngst die neue Wasserstoffstrategie der Regierung vorgestellt. Für den Koalitionspartner FDP ist sie ein Erfolg, auch über Habecks bisherige Ratgeber.

In eher seltener Eintracht hat die Ampelkoalition in der zurückliegenden Woche ein zentrales energiepolitisches Vorhaben vorangebracht. Nicht ohne Stolz äußerten sich am Mittwoch alle Beteiligten – das rote, grüne und gelbe Ministerium – vor dem Kanzleramt, wo kurz zuvor die neue Wasserstoffstrategie vom Bundeskabinett verabschiedet worden war. Allen voran der grüne Vizekanzler Robert Habeck sah darin „die nächste große Geschichte“ der Energiewende.

Mit dessen klimapolitischem Kurs hatten die Liberalen in den vergangenen Monaten häufig genug Probleme: Mehrfach wurde bekanntlich die Habecksche Version seines Heizungsgesetzes zurückgewiesen und schlussendlich grundlegend überarbeitet. Dass die FDP nun so angetan von seinem neuen Projekt ist, hat auch mit ihrer Überzeugung zu tun, Habeck und sein Haus auf Kurs gebracht und die politische Lobbymacht in seinem Haus gebrochen zu haben.

Nun wird auch importiert

Vor dem Hintergrund, dass künftig rund zwei Drittel des Wasserstoffbedarfs importiert werden sollen, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr dem Tagesspiegel: „Mit der neuen Wasserstoffstrategie beenden wir eine Politik, die über viele Jahre auf ,All Electric’ gesetzt hat, also darauf, dass wir unsere Energieversorgung vollständig auf Strom aus Deutschland aufbauen.“ Er habe diese Strategie für falsch gehalten, denn es werde in der Praxis nicht möglich sein, alles in Deutschland zu elektrifizieren. „Auch ökonomisch und ökologisch wäre das nicht sinnvoll“, sagt Dürr.

Der Liberale benennt auch jene Akteure, die aus seiner Sicht diesen Ansatz immer wieder vorangetrieben haben. „Zu lange“, so Dürr, „hat die Politik, im übrigen auch die unionsgeführte Bundesregierung, unter dem Einfluss von Organisationen wie Agora und anderen auf All Electric gesetzt.“

Hinter dieses Kapitel machen wir jetzt einen Haken.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr zur Vorstellung, Deutschland könne seine Energieversorgung ganz aus heimischem Strom bestreiten.

Die Ausrichtung der Denkfabrik Agora Energiewende hat die Arbeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeitweise mindestens mitgeprägt. Schließlich berief der Wirtschaftsminister dann Patrick Graichen, den Mitgründer und langjährigen Leiter der Lobbyorganisation für die Energiewende, bei Regierungsantritt im Dezember 2021 zu seinem Staatssekretär. Nur widerwillig entließ ihn der grüne Minister vor gut zwei Monaten im Zuge der sogenannten Trauzeugenaffäre.

„Hinter dieses Kapitel machen wir jetzt einen Haken“, meint Dürr selbstbewusst, „und stellen die Weichen für Innovation und Technologieoffenheit, so wie wir es beim Heizungsgesetz und beim Verbrennungsmotor auch getan haben.“ Für ihn ist es „ein echter Fortschritt“, dass mit der Wasserstoffstrategie nun „endlich die Rahmenbedingungen für die heimische Produktion, aber auch für Importe über die Weltmärkte“ geschaffen werden.

Linke kritisieren FDP

Freilich gibt es auch Lobbyisten, die sich für mehr Wasserstoff einsetzen. Diesbezüglich hat das „Handelsblatt“ gerade über den Verdacht berichtet, dass im FDP-geführten Verkehrsministerium von Volker Wissing eine Verstrickung von Interessen vorliegen könnte. So soll ein Abteilungsleiter, intern als „Mr. Wasserstoff“ bezeichnet, mit dem befreundeten Vorstandschef des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands sowie einem bayerischen Unternehmer in den Urlaub gefahren sein, die beide von einer finanziellen Förderung in Millionenhöhe profitierten.

„Es bedarf einer schonungslosen Aufklärung, ob Vetternwirtschaft bei der Vergabe von Mitteln aus dem nationalen Wasserstoffprogramm eine entscheidende Rolle spielte“, fordert die stellvertretende Linken-Vorsitzende Gösta Beutin:. „Wissings Positionen zur Verfeinerung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen, auch in PKWs, verstärken den Verdacht, dass Lobbykontakte in seinem Ministerium ganze Arbeit geleistet haben.“ Aus ihrer Sicht handelt es sich bei der Strategie ohnehin um eine „Scheinlösung“, da vorübergehend auch aus fossilem Erdgas gewonnener Wasserstoff eingesetzt werden soll: „Sie hat mit echtem Klimaschutz, wie es von der Bundesregierung verkauft wird, wenig zu tun.“

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