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Leuchtreklame eines Ärztehauses in der Kasseler Innenstadt.

© IMAGO/Fotostand

Update

„Wohnortnahe Versorgungszentren“: Linke kritisiert Lauterbachs Reform – und fordert Polikliniken

In der DDR waren Polikliniken ambulante Versorgungszentren mit diversen Ärzten. Die Linke spricht sich dafür aus, im Zuge der Krankenhausreform ähnliche Einrichtungen aufbauen zu lassen.

| Update:

Private Kliniken verstaatlichen, Behandlungskosten voll bezahlen und Versorgungszentren in jeder Kommune – die Linke kontert den Reformplan von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Am Freitag stellt Linken-Chefin Janine Wissler gemeinsam mit zwei Gesundheitsexperten der Partei ein eigenes Konzept vor.

Neben der Forderung, die umstrittenen Fallpauschalen abzuschaffen und gewinnorientierte Krankenhäuser in einer „Entprivatisierungsoffensive“ in die öffentliche Hand zu überführen, setzt die Linke de facto auch auf die in der DDR üblichen Polikliniken.

In einem für Freitag erstellten Papier, das dem Tagesspiegel vorab vorliegt, schreibt die Parteispitze über die geforderten Zentren: „Sie erbringen ambulante, stationäre und notfallmedizinische Leistungen aus einer Hand und stellen die Anbindung an Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen sicher.“ Man betrachte die Zentren als „zukünftiges Rückgrat einer integrierten, wohnortnahen Versorgung“ – ohne dass explizit von den DDR-Polikliniken die Rede ist, orientierten sich die Autoren offenbar daran.

Lauterbach leitet ein Krankenhaussterben ein, wie es die Bundesrepublik noch nicht gesehen hat.

Die Linke

„Die Finanzierung dieser Zentren muss kostendeckend erfolgen, also ohne Gewinne und Verluste“, heißt es. Man fordere eine „gleichmäßige Verteilung“ dieser Einrichtungen. Der dort zu etablierende „gemeinsame Tresen“ diverser Fachärzte steuere die Patienten, zumal die Zentren „telemedizinisch an ein Krankenhaus eines höheren Versorgungslevels angebunden“ sein sollten.

In den Polikliniken der DDR arbeiteten Ärzte verschiedener Disziplinen, es handelte sich letztlich um ambulante Mini-Krankenhäuser. Nach der Wende wurden die Polikliniken zugunsten individueller Praxen niedergelassener Mediziner aufgelöst. Allerdings blieben viele von ihnen in den Gebäuden, arbeiteten – nun als Selbstständige – in sogenannten „Ärztehäusern“ nebeneinander. In den vergangenen 20 Jahren wiederum wurden Ärzte zunehmend in medizinischen Versorgungszentren (MVZ) angestellt. Das MVZ ist, grob vereinfacht, die privatrechtliche Variante einer Poliklinik.

Lauterbach hatte seinen Reformplan nach Verhandlungen mit den Ländern noch einmal abgewandelt. Ab 2024 sollen alle Krankenhäuser in „Leistungsgruppen“ aufgeteilt werden, komplexe Eingriffe nur noch in bestimmten Kliniken stattfinden. Daneben sind ambulante Zentren der Basisversorgung geplant, die mitunter von Pflegekräften geleitet werden sollen. Die Linke knüpft mit ihrem Papier an dieses Konzept an, fordert jedoch, dass diese Zentren in der Hand der Kommunen und stets auch mit Ärzten besetzt sind.

Lauterbachs Reform wird dazu führen, dass kleinere, als weniger leistungsfähig eingestufte Kliniken schließen oder fusionieren müssen. Die Linke teilte dazu zuletzt mit: „Lauterbach leitet ein Krankenhaussterben ein, wie es die Bundesrepublik noch nicht gesehen hat.“

Wer aber vergleichsweise kostspielige Kliniken schließen lassen wolle, müsse die ambulante Versorgung stärken, schreibt die Linke: „In einer Fahrtzeitentfernung von höchstens 30 Minuten muss überall ein Versorgungszentrum der Primär- und Notfallversorgung zur Verfügung stehen“, zudem brauche es „Patienten-Shuttles für entlegene Gemeinden“.

Laut Bundesgesetz müssen die Länder die Bauten und Technik der Kliniken bezahlen, die Krankenkassen wiederum Personal, Medikamente und Energie. Letzteres erfolgt über fixe Summen pro Diagnose und Patient. Die Höhe dieser Fallpauschalen wird jeweils im Vorjahr ausgehandelt, sie sind in Zeiten der Inflation also per se zu knapp.

Das Konzept der Linken werden am Freitag neben Parteichefin Wissler der Sprecher für Krankenhauspolitik der Bundestagsfraktion, Ates Gürpinar, und der Gesundheitsexperte der Berliner Linken, Tobias Schulze, vorstellen.

Kritik kommt aus der FDP. „Das Letzte, das wir in Zeiten mangelnder Versorgungskapazitäten brauchen, sind Vorschläge für eine zunehmende Verstaatlichung des Gesundheitswesens“, sagte der Berliner FDP-Generalsekretär und Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann. Neben langen Wartezeiten habe es in der DDR keine freie Arztwahl gegeben. Es seien vor allem private Klinikbetreiber, denen man heute eine „vielfältige Krankenhauslandschaft“ verdanke.

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