zum Hauptinhalt
Kanzler vor Dampfer: Olaf Scholz am Dienstagabend am Wannseee.

© dpa/Michael Kappeler

Spargelfahrt des Seeheimer Kreises : Eine Bootstour nach dem Blick in den Abgrund

Der Streit mit den Koalitionspartnern um das Heizungsgesetz hätte der SPD die Tour am Dienstagabend fast vermasselt. Der Kanzler zeigt sich ungerührt, Lindner teilt gegen die Grünen aus.

Von Hans Monath

Womöglich ist es die Untertreibung des Jahres. „Es ruckelte ein bisschen. Heute hat es sich zu Ende geruckelt“, sagt Olaf Scholz.

Der Kanzler steht am Dienstagabend mit einem Mikrofon auf dem Hauptdeck eines Raddampfers, der an der Anlegestelle Wannsee vertäut ist, hinter ihm ein rotes Schild „Herzlich Willkommen. 62. Seeheimer Spargelfahrt“.

Was der SPD-Politiker ein „Ruckeln“ nennt, hätte das Ende der Ampelkoalition bedeuten können. Denn wenn sich die drei Partner nicht in letzter Minute darauf geeinigt hätten, das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) radikal zu überarbeiten und noch diese Woche in den Bundestag einzubringen, wären die Fliehkräfte in der Koalition wohl nicht mehr zu bändigen gewesen. Die Koalition hatte in den Abgrund geblickt.

Es ist vielleicht nicht bequem, aber völlig in Ordnung, dass wir über diese Frage ringen.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) zum Streit um das Heizungsgesetz

Draußen glitzert das Wasser des Wannsees, der Juniabend scheint wie geschaffen für die Dampfertour der 600 Gäste, die auf drei Decks Schnitzel mit Frühlingsgemüse serviert bekommen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das hat Tradition beim „Seeheimer Kreis“, dem konservativ-pragmatischen Flügel der SPD. Und oft bietet die Spargelfahrt Gelegenheit, sich ein Bild zu machen vom Zustand der SPD oder auch vom Zustand der Koalition, wenn die SPD in der Regierung ist.

Diesmal ist die Stimmung gelöst, kein Wunder, denn viele der sozialdemokratischen Abgeordneten haben gegen 17 Uhr bei der Abfahrt der Busse vom Reichstag zum Wannsee von der Einigung der Ampel erfahren. Man kann sich umgekehrt vorstellen, wie trübe und pessimistisch die Stimmung auf dem Boot ohne Einigung gewesen wäre.

Aber Olaf Scholz ist keine Spur von Triumph anzumerken. Er hält einen eher trockenen Vortrag darüber, dass die „jetzige Regierung“, seine Regierung, „beeindruckende Entscheidungen“ getroffen habe seit ihrem Antritt Ende 2021.

Olaf Scholz (SPD) spricht zu den Gästen der Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD.
Olaf Scholz (SPD) spricht zu den Gästen der Spargelfahrt des Seeheimer Kreises der SPD.

© dpa/Michael Kappeler

Fast 14 Minuten referiert der Kanzler, den seine Sozialdemokraten mit donnerndem Applaus begrüßt haben. Zum Heizungsgesetz sagt er noch, es sei „vielleicht nicht bequem, aber völlig in Ordnung, dass wir über diese Frage ringen“.

Zwei Gäste haben die Seeheimer diesmal geladen, die keine Sozialdemokraten sind: Finanzminister Christian Lindner von der FDP und Ernährungsminister Cem Özdemir von den Grünen.

„Wir haben es möglich gemacht, dass diese Spargelfahrt unverzüglich stattfinden kann“, schmeichelt der Finanzminister seinen Gastgebern: „Das zeigt doch die Stärke dieser Koalition.“ In der entscheidenden Sitzung zuvor soll der FDP-Chef schweigend die Verhandlungen zwischen SPD und Grünen verfolgt haben.

Und ein Geschenk für die Gäste gab es auch: Sektflaschen mit der Aufschrift „Das Fortschritts-Elixier“.
Und ein Geschenk für die Gäste gab es auch: Sektflaschen mit der Aufschrift „Das Fortschritts-Elixier“.

© dpa/Michael Kappeler

Lindner schenkt seinem grünen Koalitionspartner sofort einen ein: „Der Unterschied zwischen den Grünen und mir ist: Die doktern seit drei Jahren an ihrer Wärmepumpe rum. Meine zuhause läuft schon.“ Er spielt an auf einen Bericht, wonach die ökologische Wärmeversorgung der Grünen-Parteizentrale sich immer wieder verzögerte und schon so lange dauert. Seine eigene Wärmepumpe, sagt der Finanzminister, laufe schon seit drei Jahren.

Dann folgen noch ein paar Sottisen, wonach der grüne Spargel im Gegensatz zum Weißen völlig auf dem Rückzug sei. Den Gästen, überwiegend Sozialdemokraten, gefällt das.

Cem Özdemir geht gleich auf Lindners Wärmepumpen-Bekenntnis ein: „Vielleicht hätte es schon früher geholfen, dieses Coming-Out“, meint er in Anspielung auf den langen und harten Widerstand der Liberalen gegen Habecks Gesetz. Das Bekenntnis des Agrarministers lautet: „Ich will jede Form von Spargel, denn ich bin für Technologieoffenheit.“

Als der Grüne dann noch zum gemeinsamen Kampf gegen die AfD aufruft („dass diese Republik verteidigt werden muss gegen die, die sie kaputtmachen wollen“), feiert ihn das ganze Schiff mit heftigem Applaus. Trotz aller Differenzen, trotz der Vorwürfe aus der SPD gegen angeblich sozial unsensible Grüne im Streit um das Heizungsgesetz: In diesem Punkt sind sich beide Parteien völlig einig.

Eigentlich hatte das Schiff schon um 18 Uhr zu seiner Wannsee-Tour starten sollen. Doch um 19 Uhr 30 liegt es immer noch im Hafen.

Der Kanzler geht von Bord, hat noch einen Termin. Er stellt sich noch zu ein paar Fotos mit der auf dem Steg angetretenen Bootsmannschaft, winkt noch kurz, dann ist er weg. Und die Fahrt über den Wannsee kann mit ordentlicher Verspätung losgehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false