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Bundeskanzler Olaf (SPD) ist angesichts der angespannten Haushaltslage dagegen, immer wieder hohe neue Schuldenberge anzuhäufen. 

© AFP/Ina Fassbender

„Wäre kein guter Einfall“: Scholz lehnt weitere Schulden ab – und nennt Atomkraft „totes Pferd“

In einem großen Interview zeigt sich der Kanzler trotz schlechter Umfragewerte unbeirrt – und äußert sich auch klar zu Forderungen aus der Ampel-Koalition.

Der Bundesrechnungshof hat gerade die in sogenannten Sondervermögen ausgelagerte Verschuldung des Bundes gerügt und der Regierung vorgeworfen, die echte Neuverschuldung zu verschleiern. Jetzt hat Bundeskanzler Olaf (SPD) klargestellt, dass er trotz Forderungen nach neuen Konjunkturpaketen dagegen ist, angesichts der angespannten Haushaltslage immer wieder hohe neue Schuldenberge anzuhäufen.

Es wäre nicht gut, nun „in so einen Modus reinzukommen, wo 100 Milliarden Euro Schulden pro Jahr irgendwie so ein ganz normales Ding sind, das, glaube ich, wäre kein guter Einfall“, sagte Scholz im „Interview der Woche“, das der Deutschlandfunk am Samstag veröffentlichte. Wenn die Wirtschaft nicht wolle, dass die Regierung die Schuldenbremse aufhebe, dann müsse sie zugeben, dass man nicht immer wieder „100, 200 Milliarden Euro Schulden pro Jahr“ machen könne, mahnte der Kanzler.

Die Regierung habe deshalb zu anderen Mittel gegriffen, um die Konjunktur anzuregen, etwa durch steuerliche Entlastungen oder bessere Abschreibungsregeln für Investitionen, sagte er mit Blick auf das sogenannte Wachstumschancengesetz.

Und wenn wir das alles ganz konsequent immer verfolgen, dann bin ich auch sicher, dass man Vertrauen gewinnen kann und auch die Unterstützung bekommen kann, die man braucht.

Olaf Scholz, Bundeskanzler (SPD)

Man habe mehrere hundert Milliarden Euro Schulden zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine angehäuft. Deutschland müsse für die nächste Krise wieder finanziellen Spielraum haben, sagte Scholz mit Blick auf das Ziel, die Gesamtverschuldung wieder auf maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken.

Scholz bei Industriestrompreis weiter skeptisch

Scholz bekräftigte zudem seine Skepsis gegen die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises. „Natürlich (ist) der Vorschlag, wem man Geld geben soll, einfacher gemacht als der Vorschlag, wo es herkommen soll“, sagte der Kanzler. Es gebe nur drei Wege der Finanzierung, sagte Scholz dem Sender: Entweder müssten die anderen Stromkunden bezahlen, dass der Strompreis für einige Firmen verbilligt werde oder die Steuerzahler müssten dies tun. Die dritte Option sei eine Finanzierung über Schulden.

„Das ist ja doch ganz offensichtlich, dass auch im Parlament dort noch sehr unterschiedliche Ansichten existieren“, betonte Scholz mit Blick etwa auf den Widerstand des Koalitionspartners FDP. Es sei „den Schweiß der Edlen wert“, dass man sich mit dem Thema befasse, sagte Scholz auf die Frage nach seiner persönlichen Meinung.

Die Bundesregierung habe gerade die Haushaltsplanung 2024 auf den Weg gebracht. Deshalb müsse „natürlich“ zu jeder Diskussion gehören, wo man Milliarden wegnehmen wolle, um sie etwa in den Industriestrompreis zu stecken. Deshalb werde in der Ampel an dem Thema „weiter rumgehämmert und rumgeschraubt“.

Scholz verwies erneut darauf, dass die eigentliche Aufgabe sei, den Strompreis strukturell zu senken. Er hatte zuvor auf den nötigen Ausbau billiger Ökostrom-Erzeugung und den Netzausbau verwiesen. In der Ampel-Koalition fordern Grüne und die SPD einen Industriestrompreis, um die Abwanderung energieintensiver Betriebe zu verhindern.

Wirtschaft und auch die Union sind gespalten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will wie die FDP lieber eine Senkung der Stromsteuer. Einige Unions-Ministerpräsidenten sind dagegen für einen Industriestrompreis – auch, weil der vom Bund bezahlt werden müsste.

Scholz widerspricht FDP bei Kernkraft

Auch in einem weiteren Punkt sprach der Kanzler Klartext: Nach erneuten Forderungen der FDP und der AfD nach einer weiteren Nutzung der Atomenergie erklärte er die Debatte für beendet. „Die Kernkraft ist zu Ende. Sie wird in Deutschland nicht mehr eingesetzt“, sagte Scholz und verwies auf die gesetzlichen Beschlüsse.

„Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd.“ Mit dem Ende der Nutzung habe auch der Abbau der noch bestehenden Atommeiler begonnen. Falls man neue Kernkraftwerke bauen wollte, „bräuchte man 15 Jahre und müsse pro Stück 15 bis 20 Milliarden Euro ausgeben“, sagte er. Die FDP hatte zuvor gefordert, den Rückbau der Atomkraftwerke zu stoppen, die AfD fordert gar den Bau neuer Meiler.

Angesprochen auf die schwachen Umfragewerte der Ampel-Regierung und ihn persönlich sagte Scholz, er werde seine Politik weiter verfolgen. Er wies auf die Ballung zahlreicher Krisen hin – Corona, Klimawandel, Globalisierung, Russlands Ukraine-Krieg – und sagte, manche seien „auch ein wenig erschöpft“.

Scholz weiter: „Und in diesem großen Gesamtkomplex ist das einfach jetzt auch ganz viel. Und deshalb ist es wichtig, dass wir uns nicht beirren lassen, einen klaren Kurs verfolgen, der die Zukunftsfähigkeit unseres Landes als Ziel hat.“

Das bedeute, mit Modernisierungsprozessen die Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum zu schaffen, alles dafür zu tun, dass es gerecht zugehe und Arbeitende besser dastünden, und Respekt für verschiedenen Lebenseinstellungen und Lebensleistungen zu haben. „Und wenn wir das alles ganz konsequent immer verfolgen, dann bin ich auch sicher, dass man Vertrauen gewinnen kann und auch die Unterstützung bekommen kann, die man braucht“, sagte Scholz.

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