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Die Republik Mazedonien heißt seit 2019 Nordmazedonien.

© Ognen Teofilovski/Reuters

Wann wird Nordmazedonien EU-Mitglied?: Siebzehn Jahre vergebliches Warten

Seit 2005 ist Nordmazedonien EU-Beitrittskandidat. Dafür änderte es sogar seinen Namen. Heute sind viele in dem Balkanstaat von der EU enttäuscht. Ein Gastbeitrag.

Wenn der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am heutigen Dienstag erstmals Nordmazedonien besucht, kommt er in ein Land, das seit 17 Jahren Beitrittskandidat der Europäischen Union ist. Auf die Mitgliedschaft wartet man in Skopje noch immer. Seit das Land 2005 Kandidat wurde, hat sich viel geändert, nicht nur sein Name. Denn dass das Land seinen Namen ändert – von Mazedonien zu Nordmazedonien –, das hatte das südliche Nachbarland Griechenland damals zur Bedingung eines EU-Beitritts gemacht.

Mit der Namensänderung, die 2019 im Abkommen von Prespa zwischen den beiden Staaten vereinbart wurde, gaben die Griechen ihren Widerstand gegen einen möglichen Nato- und EU-Beitritt Nordmazedoniens auf. Der Nato-Beitritt erfolgte bereits ein Jahr später. Fortschritte zur vollständigen Aufnahme in die EU ließen jedoch auf sich warten. Enttäuscht von der langen Wartezeit auf die EU-Mitgliedschaft haben die Menschen in Nordmazedonien heute das Gefühl, dass sie den Namen ihres Landes für ein bisher nicht eingelöstes Versprechen aufgegeben haben.

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Historischer Konflikt mit Bulgarien

Aber nicht nur mit Griechenland gibt es Streitpunkte, auch mit Bulgarien, dem Nachbarn im Osten. Bulgarien war zwar das erste Land, das nach dem Zerfall Jugoslawiens die Unabhängigkeit der damaligen Republik Mazedonien anerkannte. Das Land weigerte sich allerdings, die Existenz einer eigenständigen mazedonischen Nation und Sprache anzuerkennen. Für Bulgarien sind die ethnischen Mazedonier nur eine Untergruppe der bulgarischen Nation und die mazedonische Sprache lediglich ein bulgarischer Dialekt.

Dennoch ging man in Nordmazedonien davon aus, dass Bulgarien die Beitrittsperspektive nie offen behinderte, sondern vielmehr unterstützte. Heute erscheint dies eher eine Rolle zur – strategischen – Tarnung gewesen zu sein, die das Land da gespielt hat. Zur großen Enttäuschung Nordmazedoniens lehnte Bulgarien 2020 einseitig und willkürlich den von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorgeschlagenen Text des Verhandlungsrahmens für den EU-Beitritt ab.

Um das Konfliktpotenzial zwischen den beiden Ländern vor einem EU-Beitritt Nordmazedoniens auszuräumen, wurde 2018 eine bulgarisch-mazedonische Historikerkommission eingerichtet. Doch immer wieder kam es zu unlösbaren Differenzen. Um den Patt zu brechen, schlug Präsident Macron eine Verfassungsänderung vor, mit der Nordmazedonien die bulgarische Minderheit, die 0,2 Prozent der Bevölkerung ausmacht, anerkennt. Um den Beitrittsprozess nicht noch weiter hinauszuzögern, stimmte Nordmazedonien diesen Sommer zu.

Neben den üblichen Leistungskriterien eines Beitrittsprozesses auf der Grundlage der Kopenhagener Kriterien sollen die Ergebnisse der Historikerkommission in die Bewertung einfließen, ob das Land ausreichende Fortschritte in den Verhandlungen macht. Dies ist ein Präzedenzfall, der wenig mit einem leistungsbasierten Prozess zu tun hat. Er öffnet die Büchse der Pandora für die Erweiterung auf dem Balkan, wo historische und identitäre Streitigkeiten keine Seltenheit sind.

Von der EU enttäuscht

Dass die EU das Thema Geschichte zu einem Kriterium für die EU-Mitgliedschaft gemacht hat, hat viele Menschen in Nordmazedonien verärgert, frustriert und desillusioniert. Eine Mehrheit der Bevölkerung kann sich mit dem neuen Landesnamen wenig identifizieren und stoßen sich an den Zugeständnissen an Brüssel, die eigene Landesgeschichte anzupassen. Viele Mazedonier blicken dadurch immer zurückhaltender auf die EU-Integration. Die meisten jungen Menschen sehen ihre Zukunft ohnehin außerhalb des Landes. Mit ihnen wandern wichtige Arbeitskräfte ab – ein Trend, den die heimische Wirtschaft kaum auffangen kann.

Meinungsumfragen bestätigen die neue Euroskepsis. Zwar liegt die Zahl der Befürworter einer Mitgliedschaft konstant bei über 70 Prozent. Doch nur ein Drittel der Bevölkerung ist heute der Ansicht, dass Nordmazedonien seit 2005 Fortschritte im EU-Beitrittsprozess gemacht hat. Gleichzeitig glauben immer weniger Nordmazedonier, dass interne Reformen ausreichen, um endlich als vollwertiges EU-Mitglied akzeptiert zu werden.

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Zudem verlieren immer mehr Menschen das Vertrauen in Demokratie. Nur jeder zweite Nordmazedonier ist heute noch von dieser Staatsform überzeugt. Innerhalb eines Jahres sank die Zahl um 10 Prozent. Auch das Vertrauen in die Institutionen nimmt weiter ab. Die Justiz nimmt dabei den letzten Platz ein: die Menschen halten das Justizsystem für völlig ungerecht und korrupt.

Nordmazedonien hat in den vergangenen Jahren viele schmerzhafte Erfahrung gemacht, wurde vom Vorzeige- zum Ziehkind Europas. In den 90er-Jahren wurde es als „Oase des Friedens“ in einem vom Krieg zerrissenen Balkan gepriesen, als erfolgreiches Modell der interethnischen Integration und als Verfechter der EU-Integration in den frühen 2000er-Jahren.

Seit Nordmazedonien 2005 den Kandidatenstatus erlangt hat, ist der Glaube an Europa schwer erschüttert worden. Mit seinem Besuch hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Chance, den Weg zur Wiederherstellung des verlorengegangenen Vertrauens zu eröffnen.

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