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Mehr als acht Monate nach der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines gibt es immer mehr Hinweise, aber noch keine echten Beweise.

© Reuters/Ritzau Scanpix

Wurde vor dem Anschlag gewarnt?: Bundesregierung verweigert Aussage im Fall Nord Stream

Die CIA soll Deutschland schon Monate vor den Explosionen bei Nord Stream vor dem Sabotageakt gewarnt haben. In deutschen Sicherheitskreisen wird das so nur teilweise bestätigt.

Einem US-Medienbericht zufolge hatte die CIA schon im Juni 2022 ukrainische Kräfte im Verdacht, die Ostseepipeline zerstören zu wollen. Die Bundesregierung verweigert in diesem Fall die Aussage.

Steffen Hebestreit, der Sprecher von Kanzler Olaf Scholz (SPD), verwies am Mittwoch in der Bundespressekonferenz darauf, dass er generell nicht zu Geheimdiensterkenntnissen Auskunft gebe und damit auch nicht zum neuesten Artikel der „Washington Post“ über die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines im vergangenen Herbst. Sollte sich die Berichterstattung als korrekt erweisen, wäre das für die Berliner Verantwortlichen extrem heikel.

Die amerikanische Zeitung schrieb unter Verweis auf eines der zahlreichen im Frühjahr geleakten US-Geheimdokumente, dass die Central Intelligence Agency schon Anfang Juni vorigen Jahres und damit drei Monate vor den drei Unterwasserexplosionen am 26. September von einem bevorstehenden Sabotageakt gewusst – und davor auch die deutsche Seite gewarnt haben soll.

Die ursprünglichen Pläne für den Anschlag sollten demnach noch im selben Monat und im Schatten des großen Nato-Marinemanövers „Baltops“ in der Ostsee umgesetzt werden.

Wenn Parlamentarier Hinweise auf bevorstehende Anschläge erhalten, werden sie sofort tätig.

Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner wies indirekt die Behauptung zurück, der Bundestag sei konkret informiert worden

Die Information, dass ein kleines ukrainisches Team von Tauchern direkt vom militärischen Oberbefehlshaber in Kiew damit beauftragt gewesen sei, stammte demnach von einem europäischen Nachrichtendienst, der sich wiederum auf die Aussagen einer ukrainischen Einzelperson gestützt haben soll.

Dieses Wissen wurde der „Washington Post“ zufolge auch an den Bundesnachrichtendienst weitergegeben, der wiederum auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages in Kenntnis gesetzt hätte.

Offenbar keine konkrete Warnung deutscher Sicherheitskreise

In deutschen Sicherheitskreisen wird das so nur teilweise bestätigt. Eine Quelle sagte dem Tagesspiegel, dass es im vergangenen Juni tatsächliche eine eher allgemeine Warnung der Amerikaner gegeben habe, wonach die Nord-Stream-Pipeline gefährdet sein könne – allerdings ohne jeden Hinweis auf eine mögliche ukrainische Täterschaft.

Ein anderer mit dem Vorgang vertrauter Insider schränkte zudem etwas nebulös ein, dass die Gasleitung vor einem Jahr durchaus Thema in Geheimdienstkreisen gewesen sei, aber nicht in dem von der US-Zeitung erwähnten Zusammenhang.

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„Wenn Parlamentarier Hinweise auf bevorstehende Anschläge erhalten, werden sie sofort tätig“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner, der Mitglied im Geheimdienstkontrollgremium ist. Indirekt verneinte er damit, dass eine derart konkrete Information vorlag, die dann auch noch unzureichend beachtet oder gar ignoriert worden wäre.

Auffällige Überschneidungen

Gleichwohl fügt sich der jüngste Bericht ein in eine Reihe anderer Veröffentlichungen der jüngsten Zeit, die ebenfalls in Richtung ukrainischer Täter gedeutet haben. Der erste Bericht mit diesem Fokus war kurz vor dem Besuch von Kanzler Scholz bei US-Präsident Joe Biden Anfang März erschienen.

Deshalb wird auch weiter darüber spekuliert, dass amerikanische Dienste mit diesen Informationen nur von der eigenen Verantwortung ablenken wollen, über die wiederum der frühere Starreporter Seymour Hersh berichtet hatte.

Auffällige Überschneidungen gibt es dennoch zwischen den neuen Erkenntnissen der „Post“ und den deutschen Ermittlungen, die vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe geführt werden. In deren Fokus steht bisher die 15 Meter lange Segeljacht „Andromeda“, die Anfang September bei einem Bootsverleih mit gefälschten Pässen ausgeliehen und dann von Rostock aus in See gestochen sein soll – das Bundeskriminalamt fand später an Bord Sprengstoffspuren.

Die Ermittler haben zumindest einen der Pässe mit einem jungen Ukrainer in Verbindung gebracht. Bei der ehemaligen Lebensgefährtin eines Tatverdächtigen fand Ende Mai in Frankfurt (Oder) eine Hausdurchsuchung statt, offenbar um an DNA-Spuren zu kommen und den Aufenthalt auf dem Boot nachweisen zu können.

Laut „Washington Post“ wusste der Geheimdienst davon, dass „sechs ukrainische Spezialkräfte mit gefälschten Papieren ein Boot mieten und dann mit einem Tauchfahrzeug auf den Boden der Ostsee gelangen wollen“.

„Voreilige Schlüsse verbieten sich weiterhin“, sagte jedoch Roderich Kiesewetter (CDU), der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums: „Auch der Verdacht, dass es Russland gewesen sein könnte, ist noch nicht ausgeräumt. Warum etwa teilt die Staatsfirma Rosgvardia nicht die Erkenntnisse über die Schiffsbewegungen, die ihr die Glasfaserkabel in der Pipeline geliefert haben?“

Sein SPD-Kollege wollte sich ebenfalls nicht festlegen. „Nun müssen die Ermittlungen weitergehen – auch wenn uns das Ergebnis nicht passen sollte“, so Stegner. Dies unterscheide Demokratien von Diktaturen: „Es darf nicht sein, dass wir am Ende ohne Erkenntnisse und nur mit einem Sammelsurium gegensätzlicher Theorien dastehen.“

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