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Olaf Scholz, Peter Altmaier und Angela Merkel (von links).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Vor der Wahl noch schnell die Getreuen versorgen: „Operation Abendsonne“ – Regierung schafft 71 neue hochbezahlte Stellen

Die Schaffung neuer Stellen in den Ministerien vor der Wahl geht weit über das Übliche hinaus. Die Kanzlerin kann noch eingreifen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist schon erstaunlich, dass diese Sache so wenig Aufmerksamkeit bekommt. Weil die Pandemie-Politik gerade so viel wichtiger ist? Wahrscheinlich. Und so haben die beiden Koalitionspartner das Glück, dass ihre „Operation Abendsonne“ im Trubel untergeht.

Dabei wirkt es ganz schön happig, was sich da kurz vor der Bundestagswahl noch tut. Viele zusätzliche Stellen in der Regierung werden geschaffen, besonders in hohen Beamtenregionen, viele in den unteren werden aufgewertet.

Genauer: Insgesamt sind es 71 neue Stellen, die mit Stufe B3 (8762 Euro pro Monat) oder gar B6 (10412 Euro) bezahlt werden.

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Das sind doppelt so viele wie in den beiden vorherigen Jahren. Seit Januar bereits erhielten insgesamt 129 Beamte, die bisher mindestens mit A15 besoldet waren (ab 5670 Euro/Monat), eine höhere Position. Im Vorjahreszeitraum waren es 63 Beförderungen gewesen – und damit nur halb so viele.

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Ist das pure Notwendigkeit?

Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage, ob wirklich alle Stellen der puren Notwendigkeit entsprechen, die ausgedehnten und neuen Arbeitsfelder besser beackern zu können; oder ob die noch bis September Regierenden eher ihre Gefolgsleute versorgen wollen. Zumal angesichts der Umfragen bei immer mehr Politikern von CDU, CSU und SPD die Zukunft unsicher ist. Sollten die jetzigen Regierungsparteien nicht wieder an die Macht kommen oder die Ministerprosten wechseln, werden Getreue eben noch schnell belohnt.

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So ist das bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der 18 neue Stellen (Besoldungsstufe B, mindestens 8305 Euro/Monat) schafft. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die Verteidigungsministerin, kann nicht sicher davon ausgehen, dass sie ins Amt wiederkehrt; sie hat elf neue B-Stellen bewilligt.

 Das noch bis September regierende Bundeskabinett auf einem Archivbild von Januar 2020.
Das noch bis September regierende Bundeskabinett auf einem Archivbild von Januar 2020.

© dpa

Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) will ebenfalls elf neue Stellen, und ihre Rückkehr gilt als sehr unwahrscheinlich. Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU, skandalumtost und selbst bei seinem Parteichef Markus Söder umstritten, will fünf neue B-Stellen.

Scholz hatte schon zu Beginn ein "Vizekanzleramt" im Finanzministerium aufgebaut

Dann die SPD: Zehn zusätzliche B-Stellen soll es bei Justizministerin Christine Lambrecht geben, die in der Bundespolitik aufhört. Das steht fest. Finanzminister Olaf Scholz schafft noch einmal sieben neue Stellen; 41 hatte er bereits zu Beginn der Legislaturperiode besetzt. Damals baute Scholz sein „Vizekanzleramt“ auf, ein Amt übrigens, das es so in der Verfassung gar nicht gibt.

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In der Merkel-Ära seit 2005 wurden rund 4600 Stellen zusätzlich geschaffen. Nicht nur beim Bund der Steuerzahler läuten daher die Alarmglocken, auch bei der Opposition. Die überzeugt das Argument nicht, neue Aufgaben erforderten neue Kräfte.

Weder ist die Bevölkerungszahl deutlich gewachsen, lautet der Einwand, noch haben sich die Aufgaben der Regierung grundlegend geändert. Das allgemeine Urteil heißt darum: Eine Planstellenvermehrung hat es zwar auch in zurückliegenden Zeiten vor Wahlen gegeben, doch nie so umfangreich und teuer.

Der Bundespräsident wird bei den hohen, ja auch politischen Posten seine Unterschrift unter die Ernennungsurkunde nicht verweigern – sein Amt sieht rechtlich keine Handhabe. Zu stoppen ist die Aktion deshalb nur, wenn die Kanzlerin einschreitet, wie es der Steuerzahlerbund bereits vernehmlich fordert. Was Angela Merkel aber höchstens dann tun wird, wenn die Sache noch viel mehr Aufmerksamkeit hervorruft.

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