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Streit um die EU-Milliarden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen beim EU-Gipfel in Brüssel.

© dpa/Omar Havana

Forderung nach zusätzlichen Milliarden: Von der Leyen bringt Berlin in die Zwickmühle

Der Überweisungswunsch der EU-Kommissionschefin konterkariert die Pläne des Kanzlers. Nun steckt die Bundesregierung in der Bredouille – aus zwei Gründen.

Wie viel Luft ist noch im EU-Haushalt? Die Frage stellt sich spätestens, seit die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem jüngsten Gipfel nach möglichen Einsparmöglichkeiten im mehrjährigen Finanzrahmen gefahndet haben. Vor allem Deutschland als größter Nettozahler in der EU hat ein Interesse daran, dass der bestehende EU-Haushalt abgespeckt wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzte sich bei den Beratungen in Brüssel dafür ein, dass an einigen Stellen im bestehenden EU-Budget weniger Geld locker gemacht wird als ursprünglich geplant.

Der Wunsch nach einem schlankeren EU-Budget hängt zusammen mit einer Forderung von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: Sie erwartet, dass die EU-Staaten insgesamt zusätzlich 66 Milliarden Euro nach Brüssel überweisen.

Das Geld soll unter anderem der Hilfe für die Ukraine zugutekommen. Darüber hinaus will die EU-Kommission aber auch zusätzliches Geld für die europäische Migrations- und Wettbewerbspolitik. Beim EU-Gipfel gab es fast einhellige Unterstützung für die finanzielle Unterstützung der Ukraine, sieht man einmal vom Einspruch des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban und seines slowakischen Amtskollegen Robert Fico ab.

Jährliche Mehrbelastung von vier Milliarden Euro

Aber bei den übrigen Milliarden-Forderungen von der Leyens hakt es. Nach den Angaben aus EU-Diplomatenkreisen pochen insgesamt 13 EU-Staaten – darunter neben Deutschland auch die Niederlande und Österreich – darauf, dass die benötigten Mittel durch Umschichtungen im bestehenden Brüsseler Etat flüssig gemacht werden.

Dabei richtet sich der Blick vor allem auf die beiden größten Töpfe im EU-Haushalt: den Agraretat und die sogenannten Kohäsionsfonds, mit denen die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen in der EU verringert werden sollen. Beide Töpfe machen jeweils etwa ein Drittel des Mehrjahresetats der Gemeinschaft zwischen 2021 und 2027 aus. Der gesamte EU-Etat für diese Zeitspanne umfasst 1,1 Billionen Euro.

Doch gerade für Deutschland gleicht von der Leyens Forderung einer Aufstockung des Brüsseler Budgets einer Zwickmühle: Wenn die Bundesregierung die zusätzlichen Ausgabenwünsche der Kommissionschefin erfüllen würde, käme auf den Bundeshaushalt künftig eine jährliche Mehrbelastung von vier Milliarden Euro zu.

Im anderen Fall müssten die Bundesländer aber auf dringend benötigte Gelder aus dem EU-Kohäsionsfonds verzichten. Dieser Fall würde eintreten, wenn die EU den Gürtel bei den beiden größten Posten im Etat enger schnallen würde.

In Berlin wird beobachtet, dass bislang die Mittel aus den europäischen Kohäsionsfonds noch nicht in großem Maße von Brüssel an die Mitgliedsländer abgeflossen sind. Nach den Worten von Siegfried Muresan, des konservativen Haushaltsberichterstatters im Europaparlament, ist dies aber ein ganz normaler Vorgang. „In den nächsten Jahren sind bei den Kohäsions- und Agrarfonds fast alle Gelder verplant“, sagte Muresan dem Tagesspiegel.

Der niederländische Premier Mark Rutte forderte, dass die EU den Gürtel enger schnallen müsse.

© IMAGO/ANP/IMAGO/JONAS ROOSENS

Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen sagte, es spreche nichts dagegen, wenn man insbesondere in den beiden großen Töpfen – die Agrarpolitik und die Kohäsionsfonds – nach Kürzungsmöglichkeiten suche. „Aber man darf sich nicht zu viel davon versprechen“, fügte er hinzu. 

Entscheidung soll beim EU-Gipfel im Dezember fallen

Anders sieht das der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner. Die Abrufung der EU-Gelder im Mehrjahresetat der EU laufe je nach Programm unterschiedlich, teils über die Kommission direkt, teils über die Mitgliedstaaten, erläuterte er. „Besonders schlechte Abrufungsquoten haben seit jeher die Mittel für die Kohäsions- und Strukturfonds der EU, wo ein Großteil der Verantwortung bei den Mitgliedstaaten liegt“, so Körner.

Derzeit laufe noch die Abrufung der Kohäsionsmittel aus dem bereits abgeschlossenen Finanzrahmen von 2014 bis 2020, sagte der FDP-Politiker weiter. „Es ist absehbar, dass die Gelder nicht vollständig abgerufen werden, vor allem Italien und Spanien kamen hier nicht hinterher“, sagte er weiter. Weil die Mitgliedstaaten noch mit dem letzten Mehrjahresetat und dem Corona-Wiederaufbaufonds der Gemeinschaft beschäftigt seien, kämen sie gar nicht zur Abrufung der zur Verfügung stehenden Kohäsions- und Strukturfonds aus dem laufenden EU-Budget, kritisierte Körner.

Bei ihrem Gipfel kam Scholz und die übrigen Staats- und Regierungschefs der EU noch zu keiner Entscheidung über von der Leyens zusätzliche Ausgabewünsche. Die soll nun beim nächsten Spitzentreffen im Dezember fallen.

Den Ton dafür setzte der niederländische Premierminister Mark Rutte bereits am Donnerstag in Brüssel. Seine Forderung mit Blick auf den laufenden EU-Haushalt lautete: „Neu priorisieren, neu priorisieren und neu priorisieren.“

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