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Auch am Montag sind wieder Hunderte Regierungsgegner auf die Straße gegangen, weil sie nicht damit einverstanden sind, dass Burundis Präsident sich noch eine dritte Amtszeit gönnt. Derweil hat Pierre Nkurunziza in der Provinz seine Wahlkampagne begonnen.

© Goran Tomasevic/Reuters

Die Krise in Burundi: Von der Instabilität zur Eskalation

Seit Präsident Pierre Nkurunziza angekündigt hat, verfassungswidrig für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, gibt es gewalttätige Proteste in Burundi. Was westliche Geberländer nun tun oder besser lassen sollten. Ein Gastbeitrag.

Tausende Menschen fliehen täglich aus dem zentralafrikanischen Burundi. Die dort anstehenden Wahlen – am 26. Mai wird über das neue Parlament abgestimmt, am 26. Juni über den Präsidenten – bieten erhebliches Konfliktpotential in einem der ohnehin ärmsten Länder der Welt, das im Human Development Index Platz 180 von 187 belegt. Nun hat sich im Vorfeld der Wahlen die politische Situation rapide verschlechtert, nachdem Präsident Pierre Nkurunziza von der Regierungspartei (CNDD-FDD, die die wichtigste Rebellengruppe während des bis 2005 anhaltenden Bürgerkriegs war) für eine dritte Amtszeit benannt wurde, obwohl die Verfassung auf eine Begrenzung von zwei Amtszeiten abzielt. Nach der offiziellen Nominierung am am 25. April erleben die Menschen eine Welle der Gewalt.

Die vergangenen Wochen hatten bereits deutlich gemacht, dass große Teile der Bevölkerung eine solche Entscheidung nicht einfach hinnehmen würden. Diesen Protesten ist die Regierung mit Polizeigewalt begegnet. 20 Menschen sind bisher getötet worden, teilweise durch Polizeikugeln, andererseits haben Demonstranten regierungsnahe Milizionäre ermordet. Marodierende paramilitärische Jugendgruppen, die der Regierungspartei nahestehen, haben die Gewaltspirale eskalieren lassen und das Land in eine erneute Krisensituation gestürzt. Rund 3000 Menschen, die täglich nach Ruanda fliehen, sind ein klarer und vor allem trauriger Indikator für die großen Befürchtungen in der burundischen Bevölkerung. Flüchtlinge werden von Sicherheitskräften daran gehindert, Burundi zu verlassen. Aus Angst, ihr Hab und Gut zu verlieren, bleiben Menschen teilweise in ihren Häusern, während sie ihre Kinder ins Ausland zu bringen versuchen.

Warum ist der Frieden in Burundi so instabil?

Schon die vergangenen zehn Jahre waren immer wieder von Phasen der Instabilität geprägt. Drei große Probleme lassen sich erkennen. Erstens verliefen die ersten Wahlen nach dem 12-jährigen Bürgerkrieg 2005 zwar positiv, insgesamt aber schien das Land sich dem (damaligen) Demokratisierungstrend in verschiedenen Teilen Subsahara-Afrikas mit einiger Verspätung anzuschließen. Präsident und Regierungspartei zeigten allerdings immer wieder, dass es sich bei der burundischen Demokratie in vielen Bereichen bestenfalls um eine brüchige Fassade handelte. Politisch motivierte Gewalt und systematische Einschüchterung von Opposition und Zivilgesellschaft (die es immerhin gibt!) waren bereits in den vergangenen Jahren Teil der Politik des Präsidenten Nkurunziza.

Zweitens ist es dem Land bislang kaum gelungen, die ethnische Überlagerung der burundischen Politik zu überwinden: Die Regierungspartei gilt weiterhin als Hutu-Partei, unter den Flüchtlingen nach Ruanda sind vor allem Tutsi. Damit bestimmen Gruppenidentitäten wesentlich über Zugang zu politischer Teilhabe und Wohlstand. Der Fortbestand dieser Muster, die ethnische Prägung der Parteien und die mögliche ethnische Instrumentalisierung von politischen Konflikten zählen damit weiterhin zu den brisanten Kernproblemen des Landes.

Drittens hat es Burundi in den vergangenen zehn Jahren nicht vermocht, spürbare soziale und ökonomische Fortschritte zu erreichen. Das Land zählt weiterhin zu den ärmsten der Welt. Die geringe Entwicklungsorientierung der Regierung, weit verbreitete Korruption der Elite und ein Präsident, der weniger durch überzeugende politische Konzepte, sondern vor allem wegen seines ausgeprägten Fußballhobbys von sich reden macht, haben dazu beigetragen, dass das Land rund zehn Jahre letztlich vor sich hin dümpelte.

Was der Westen nun tun sollte

Entwicklungszusammenarbeit, die weiterhin wichtig für das Funktionieren des Landes ist, stand und steht in diesem Land vor einem Dilemma. Einerseits sollte nach dem Ende des Bürgerkriegs alles getan werden, um ein erneutes Abgleiten in das Bürgerkriegschaos zu verhindern. Insofern war (und ist) der internationalen Gemeinschaft daran gelegen, eine „Friedensdividende" für das Land spürbar zu machen und allen Gruppierungen im Land einen Anreiz zu bieten, in die Überwindung der Konfliktstrukturen zu investieren. Andererseits haben diese Hilfeleistungen dazu beigetragen, die herrschende Elite von ihrer Verantwortung zu entbinden, die Entwicklung des Landes selbst voran zu bringen. Zudem haben die klaren Hinweise der Gebergemeinschaft, eine nicht verfassungsgemäße dritte Amtszeit des Präsidenten werde nicht unterstützt, trotz der Abhängigkeit Burundis von ausländischen Gebern wenig Wirkung gezeigt. Auch die Regierung weiß um dieses Geberdilemma und vertraut letztlich darauf, dass sich die internationale Gemeinschaft mit den Realitäten im Land arrangiert.

Mit diesem Dilemma werden die Geber in den nächsten Wochen und Monate weiter umgehen müssen. Vorerst geht es um Schadensbegrenzung: Wenn Präsident Nkurunziza schon für eine dritte Amtszeit kandidiert, dann möge er doch zumindest sicherstellen, dass die staatlich organisierte und tolerierte Gewalt gegen die Opposition aufhört und die Wahlen frei und fair verlaufen.

Stephan Klingebiel ist Abteilungsleiter „Bi- und multilaterale Entwicklungspolitik“ beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), dem wichtigsten entwicklungspolitischen Thinktank in Deutschland. Derzeit hält er sich in Kigali, der Hauptstadt Ruandas auf.

Stephan Klingebiel

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