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Das Ende der Kohle ist klimapolitisch notwendig. Diese Erkenntnis setzt sich langsam durch. Greenpeace bei einer Schornsteinbesetzung.

© Bodo Schackow/dpa

UN-Klimagipfel in Paris: Viel zu viel Kohle

Alle reden über „Dekarbonisierung“, den Kohle-Ausstieg. Eine deutsche Studie zeigt, wie es gehen soll. Aber weltweit wird immer noch viel zu viel in neue Kraftwerke investiert.

Das energiepolitische Wort des Jahres ist „Dekarbonisierung“. Das schreibt der Chef des Energiewende-Thinktanks Agora, Patrick Graichen, im Vorwort zu einer gerade veröffentlichten Studie darüber, wie Deutschland dieses Ziel erreichen kann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft in ihrer Rede beim UN-Klimagipfel in Paris am Montag erneut als wünschenswertes Langfristziel im Pariser Klimavertrag genannt.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat am Dienstag eine Studie veröffentlicht, in der es um Investitionen geht, die diesem Ziel dienen. Das Ministerium zitiert Hendricks mit dem Worten: „Immer mehr Investoren erkennen, dass die Politik es ernst meint mit der Dekarbonisierung, und ziehen ihre Konsequenzen daraus.“ Was es für einzelne Investitionsentscheidungen bedeute, dass die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung gehalten werden soll, wüssten aber noch nicht alle. „Die Studie gibt praxistaugliche Orientierung“, heißt es weiter. Womöglich nicht nur für Entwicklungsbanken, an die sich die vom Umweltministerium finanzierte Studie ausdrücklich richtet, sondern auch für die Bundesregierung selbst. Sie hat beschlossen, dass die bundeseigene KfW-Bank in einigen Fällen auch weiterhin in Kohlekraftwerke im Ausland investieren soll. Diese seien aber, heißt es in der Studie, mit der Einhaltung des Zwei-Grad- Ziels prinzipiell nicht vereinbar.

Auch China investiert in Kohlekraftwerke im Ausland

Frankreich hat schon im Frühjahr angekündigt, Auslandsinvestitionen in Kohlekraftwerke künftig zu unterlassen. Aber es gibt weiterhin genug Finanziers für solche Anlagen. Das zeigt eine ebenfalls am Dienstag in Paris veröffentlichte Studie der Climate Policy Initiative, die untersucht hat, wie viel Geld China im Ausland für den Bau von Kohlekraftwerken ausgibt. Demnach hat China in den vergangenen zehn Jahren zwischen 21 und 38 Milliarden Dollar in Kohlekraftwerke außerhalb Chinas investiert und plant, weitere 35 bis 72 Milliarden Dollar in das Auslandsgeschäft zu stecken. Der Forschungsverbund Carbon Action Tracker, an dem auch das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt ist, hat in einer Studie über den Stand des weltweiten Kohleausbaus festgestellt, dass die Emissionen aus Kohlekraftwerken selbst dann, wenn kein einziges neues dazukäme, im Jahr 2030 um etwa 150 Prozent oberhalb des Wertes liegen würden, der mit einem Zwei-Grad-Pfad vereinbar wäre.

Würden all die Kohlekraftwerke, die geplant werden, tatsächlich gebaut, wären das 2440 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1428 Gigawatt oder 6,5 Gigatonnen Kohlendioxidemissionen im Jahr 2030. Dazu kämen weitere zwölf Gigatonnen CO2 aus bereits gebauten Kohlekraftwerken. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der globale Ausstoß von CO2 bei rund 35 Gigatonnen. Kohlekraftwerke werden zwischen 30 und 50 Jahre betrieben. Würde diese neue Kohleflotte wirklich gebaut, würde sie den globalen CO2-Ausstoß auf Jahrzehnte auf hohem Niveau halten.

Bis 2030 sollte Deutschland die Hälfte der Kohlekraftwerke stilllegen

In der aktuellen Agora-Studie gehen die Autoren des Enervis-Instituts davon aus, dass Deutschland sein Klimaziel für 2030 nur erreichen kann, wenn bis dahin mehr als die Hälfte der Kohlekraftwerksflotte stillgelegt ist. Bis 2040 müsste der produzierte Kohlestrom unter 40 Terawattstunden liegen, aktuell sind es 260 Terawattstunden. Nicht alle Kohlekraftwerke würden ihre technische Lebensdauer noch erreichen, sondern müssten vorher vom Netz genommen werden, um den beschlossenen Minderungspfad bei CO2-Emissionen einhalten zu können.

Agora rät deshalb zu einem „aktiven Strukturwandel“ – und rennt beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wohl offene Türen ein. Bei der Agenda-Konferenz des Tagesspiegels sagte Anke Tuschek, Mitglied der BDEW-Hauptgeschäftsführung, dass dringend ein Dialog über den Kohleausstieg in Deutschland begonnen werden müsse, „um Strukturbrüche zu vermeiden“. Nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), Fritz Brickwedde, sollte der Kohleausstieg 2040 abgeschlossen sein. Barbara Hendricks, die ebenfalls einen Ausstiegspfad aus der Kohle in den kommenden 20 bis 25 Jahren in Gang setzen will, bekommt dafür offenbar Unterstützung aus der Wirtschaft.

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