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Diese Socken sind solidarisch mit Lina E.

© dpa/Robert Michael, Bearbeitung: TSP

Fünf Jahre und drei Monate Haft: Wie sehr radikalisiert das Urteil gegen Lina E. den politischen Rand?

Das Dresdner Oberlandesgericht hat eine Studentin aus Leipzig-Connewitz verurteilt. Sie soll Mitglied einer kriminellen Vereinigung sein.

Die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. wurde in Dresden zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Was bedeutet das für die politische Szene in Deutschland? Das erklären in unserer Serie „3 auf 1“ drei Expert:innen. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Das Vertrauen in den Staat kann beschädigt werden

Innerhalb der linken Szene sind die Taten, die Lina E. und ihren Mitstreitern zugeordnet werden, umstritten. Während die Mittel auf Kritik stoßen, zweifeln wenige an den Motiven: In vielen Orten Thüringens und Sachsens, in denen die Gruppe aktiv gewesen sein soll, terrorisieren Neonazis seit Jahren die Anwohnenden und greifen ihre selbsterklärten „Feinde“ zum Teil auch mit Waffen an.

Strafrechtliche Konsequenzen müssen sie dafür kaum befürchten. Für viele sind die mutmaßlichen Aktionen der Gruppe rund um Lina E. daher eine Art Selbstverteidigung – erwachsen aus dem Gefühl, dass militanten Neonazis sonst niemand entgegentritt. Das Urteil bestärkt diesen Eindruck: Mehr als fünf Jahre Haft für Lina E. stehen in einem auffälligen Missverhältnis zu unzähligen ungesühnten rechtsradikalen Attacken.

Bei vielen Linken sorgt das für ein Gefühl der Ohnmacht: Sie fühlen sich der staatlichen Repression ausgeliefert, halten lieber erstmal die Füße still. 

Madlen Haarbach

Bei vielen Linken sorgt das für ein Gefühl der Ohnmacht: Sie fühlen sich der staatlichen Repression ausgeliefert, halten lieber erstmal die Füße still. Auf Dauer kann genau das aber gefährlich sein – und das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen vollends beschädigen.


Das Urteil könnte die Entwicklung weiter verstärken

Leipzig gilt als linksradikale Hochburg. Auch Lina E. hat hier gewohnt. Am Sonnabend könnte es dort knallen, die Szene bewegt sich aus ganz Europa in die Messestadt, um auf das Urteil von Mittwoch zu reagieren. Wer hierin jedoch den Auftakt einer Welle der linken Gewalt sieht, die über die Bundesrepublik hinwegrollen wird, liegt vermutlich falsch.

Während in Dresden verhandelt wurde, kam es zu brutalen Attacken gegen Rechtsextremisten in Eilenburg und Erfurt.

Julius Geiler

Seit Jahren lässt sich eine Entwicklung ausmachen. In den ehemaligen linksradikalen Hochburgen Berlin und Hamburg verlieren die Militanten stetig an Zugkraft, besonders aktiv sind sie dagegen dort, wo es die stärkste Gegenwehr von Rechts gibt. In den ländlichen Gegenden Thüringens und Sachsens. Hier war auch die Gruppe um Lina E. aktiv und hier gehen die Angriffe gegen Neonazis weiter.

Während in Dresden verhandelt wurde, kam es zu brutalen Attacken gegen Rechtsextremisten in Eilenburg und Erfurt. Solange der Staat in Teilen der ostdeutschen Provinz vor dem Gift des Rechtsextremismus weiter die Augen verschließt, werden Linke dort weiter eigenmächtig handeln. Das Urteil gegen Lina E. könnte diese Entwicklung weiter bestärken. Die 28-Jährige hat in der Szene längst einen Heldenstatus erreicht.


Die Hemmschwelle ist gesunken

Nach dem Dresdner Urteil gegen Lina E. riefen verschiedene Gruppen schon zu mehr Militanz auf. Einige Linksextremisten sind wegen des Verfahrens bereits untergetaucht, sie entziehen sich dem von ihnen verhassten Staat. Das Muster ist bekannt: Im selbst gewählten Untergrund radikalisieren sich ohnehin schon Radikale immer weiter, wähnen sich im ultimativen Kampf. Hier liegt die größte Gefahr.

Auch wenn die linksextremistische Szene wie am 1. Mai verbal noch aufmuskelt, so reicht sie doch nicht mehr an ihre frühere Schlagkraft heran.

Alexander Fröhlich

Auch wenn die linksextremistische Szene wie am 1. Mai verbal noch aufmuskelt, so reicht sie doch nicht mehr an ihre frühere Schlagkraft heran. Zellen im Untergrund könnten das ändern und sich zu einem nicht abschätzbaren Risiko für die innere Sicherheit entwickeln. Anschläge auf Bahnstrecken gab es schon zu Genüge, die kritische Infrastruktur ist besonders sensibel für Attacken.

Die Szene könnte durch die Untergetauchten neue Vorbilder und Märtyrer bekommen, die Ansporn bieten. Auch für die Gewaltbereitschaft. Die Hemmschwelle selbst für schwerste Angriffe ist schon gesunken.

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