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Sigmar Gabriel (SPD), ehemaliger Vizekanzler und Parteivorsitzender der SPD.

© dpa/Axel Heimken

Union, FDP und Verteidigungsminister warnen: Gabriel fordert Ausbau nuklearer Fähigkeiten in der EU

SPD-Europaspitzenkandidatin Barley hat eine Debatte um ein EU-Atomwaffenarsenal angestoßen. Ex-Außenminister Gabriel plädiert dafür, darüber weiter nachzudenken. Der Verteidigungsminister warnt davor.

Inmitten einer Kontroverse um Äußerungen von SPD-Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley zu möglichen EU-Atomwaffen hat der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) den Ausbau von nuklearen Fähigkeiten in der EU gefordert. „Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente“, schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für das Magazin „Stern“ (Mittwoch).

„Der amerikanische Schutz wird absehbar zu Ende gehen, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, muss jetzt beginnen“, fuhr der frühere SPD-Chef fort. „Wenn wir diese Frage nicht beantworten, werden andere es tun. Zum Beispiel die Türkei. Das kann nicht unser Interesse sein.“

Ich kann nur davor warnen, mit dieser Leichtfertigkeit eine solche Diskussion vom Zaun zu brechen, nur weil Donald Trump, der noch nicht mal Präsidentschaftskandidat ist, solche Äußerungen macht, mit denen er übrigens, wenn er sie umsetzen würde, den transatlantischen Beziehungen schweren Schaden zufügen würde.

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

Der SPD-Politiker drängte die Bundesregierung dazu, die Initiative zu ergreifen. Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas müsse „diese Debatte vorantreiben und aufhören, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen“, schrieb Gabriel weiter. Er plädierte für eine „große strategische Offensive Deutschlands und Frankreichs, am besten zusammen mit den Briten“, um die Sicherheit Europas zu erhöhen.

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Zuletzt hatte die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Barley, mit einer Äußerung zu EU-eigenen Atomwaffen eine Debatte ausgelöst. Auf dem Weg zu einer europäischen Armee könne „auch das ein Thema werden“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ vom Dienstag. Denn „angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump“ zur Nato sei auf den atomaren Schutz durch die USA „kein Verlass mehr“.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und die Verteidigungsausschuss-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) haben vor einer leichtfertigen Debatte über den atomaren Nato-Schutzschild gewarnt. Pistorius sagte dem Fernsehsender Welt: „Ich kann nur davor warnen, mit dieser Leichtfertigkeit eine solche Diskussion vom Zaun zu brechen, nur weil Donald Trump, der noch nicht mal Präsidentschaftskandidat ist, solche Äußerungen macht, mit denen er übrigens, wenn er sie umsetzen würde, den transatlantischen Beziehungen schweren Schaden zufügen würde.“ Trump würde damit „am Ende auch den Ast absägen, auf dem Amerika sitzt“. Das transatlantische Bündnis sei keine Einbahnstraße.

Das bedeutet nämlich nicht, man stellt mal zehn Atombomben an die eine Grenze oder an die andere, sondern das ist letztlich ein gewachsenes, ausgefeiltes System, in dem eben ganz Europa geschützt werden muss.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende im Verteidigungsausschuss des Bundestages

Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete den Vorstoß für gemeinsame europäische Atomwaffen gegenüber dem „Tagesspiegel“ als „brandgefährliche Eskalation“.

Strack-Zimmermann, die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl ist, sagte im Deutschlandfunk: „Ich möchte Frau Barley nicht zu nahe treten, aber ich glaube, dass sie überhaupt keine Vorstellung hat, was das letztlich bedeutet“, sagte die Verteidigungsexpertin. „Das bedeutet nämlich nicht, man stellt mal zehn Atombomben an die eine Grenze oder an die andere, sondern das ist letztlich ein gewachsenes, ausgefeiltes System, in dem eben ganz Europa geschützt werden muss.

Darüber könne man nachdenken - „aber ich warne davor, dass mal so am Kaffeetisch zu sagen“. Strack-Zimmermann glaubt nach eigenen Worten auch nicht, dass die Vereinigten Staaten sich davon loslösen, „Europa mit in den Schutzschirm zu nehmen, weil sie ja auch selber davon profitieren“. Es sei keine Einweggeschichte, erklärte sie.

Dieser Vorschlag ist in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch, nicht von dieser Welt. Jeder weitere Satz der Kommentierung wäre zu viel.

Norbert Röttgen, CDU-Außenexperte

Aus der Union kommen Unverständnis und Ablehnung für Barleys Äußerungen. „Die Diskussion um eine europäische nukleare Abschreckung erfolgt derzeit völlig im luftleeren Raum“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). „Es fehlt derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage für ein solches Ziel.“

Wadephul entgegnete Barley: „Wer einfach so von einer europäischen Nuklearmacht fabuliert wie Frau Barley, übersieht völlig, was für ein einzigartiges vertrauensvolles Angebot die nukleare Teilhabe innerhalb der Nato durch die USA an ihre Verbündeten ist. Sie aufrechtzuerhalten, muss oberstes Ziel jedweder deutschen Bundesregierungen sein.“ Es sei richtig, den USA - egal unter welchem Präsidenten - zu beweisen, „dass man durch faire Lastenteilung im konventionellen Bereich ein Partner auf Augenhöhe sein will“.

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen wollte sich gar nicht erst auf eine inhaltliche Debatte über die Äußerungen von Barley einlassen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Dieser Vorschlag ist in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch, nicht von dieser Welt. Jeder weitere Satz der Kommentierung wäre zu viel.“

Linken-Chef Martin Schirdewan kritisierte die Äußerungen Barleys scharf; der SPD warf er „Säbelrasseln“ vor. Auch parteiintern stießen die Äußerungen von Barley auf Kritik. (dpa, AFP, Reuters)

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