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Werbung erhöht den Konsum ungesunden Essens, sagen Gesundheitsexperten.

© Imago/Petra Schneider-Schmelzer, Bearbeitung: Tagesspiegel

Özdemir will Kinder schützen: Was bringt das geplante Werbeverbot für ungesundes Essen?

Um Kinder zu schützen, will Ernährungsminister Cem Özdemir Werbung für besonders zucker-, fett- und salzhaltige Lebensmittel einschränken. Ist das sinnvoll? Drei Experten antworten.

Deutschlands Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) will Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel schützen, um gesunde Ernährung zu fördern und Übergewicht zu verhindern. Aber was bringt ein solches Werbeverbot? In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, was jetzt zu tun ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Gesundheit ist wichtiger als Industrieinteressen

Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen muss über den Interessen der Industrie stehen. Darüber sind sich auch viele Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen einig. Deshalb fordern wir unter anderem umfassende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel. Diese sind ein wichtiges Instrument, um Kinder vor ernährungsbedingten Krankheiten zu schützen.

Werbemaßnahmen beeinflussen maßgeblich das Kauf- und damit auch das Essverhalten von Kindern und prägen die Ernährungspräferenzen. Wir wissen, wie sich ungesunde Ernährung auf die Gesundheit auswirkt: Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von Adipositas betroffen.

Ihnen drohen später Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen, die auch das Solidarsystem finanziell stark belasten. Deshalb unterstützen wir die Pläne von Bundesernährungsminister Cem Özdemir, klare Werbebeschränkungen für ungesunde Kinderlebensmittel durchzusetzen. Absprachen zur freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie haben bisher jedenfalls nichts gebracht.


Bessere Ernährungsbildung statt Werbeverbote

Vorweg: Ungesunde Lebensmittel gibt es nicht! In einer ausgewogenen Ernährung ist für alle Platz. Ein Blick in den Gesetzesentwurf zeigt, dass es mitnichten um Werbeverbote für politisch als „ungesund“ bezeichnete Lebensmittel geht. Auch nicht um an Kinder gerichtete Werbung. Rund 70 Prozent aller Lebensmittel wären betroffen: Käse, Butter, Brezel inbegriffen.

Was das bringt? Eine Schneise der Verwüstung für die Finanzierung von Medien und Sport. Lebensmittelmarken würden leiden – mit handfesten Folgen für Verbraucher und Standorte. Und das trotz fehlender Wirksamkeitsstudien für Werbeverbote, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einräumen musste – Werbung verändert Marktanteile, ist aber keine bestimmende Ursache von Übergewicht bei Kindern.

Was die gesunde Entwicklung von Kindern fördert: Ernährungsbildung, ausgewogenes Kita- und Schulessen, Bewegungsangebote. Hier muss die Politik liefern. Dies ist die Lehre aus der Corona-Zeit, in der die Übergewichtsrate gestiegen ist – trotz deutlich sinkender Werbeausgaben.


Werbung führt bei Kindern zu mehr Adipositas

Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke macht Kinder krank. Weit über 100 wissenschaftliche Untersuchungen zeigen klar: Solche Werbung erhöht den Verzehr beworbener Produkte und die Kalorienzufuhr und führt bei Kindern und Jugendlichen zu mehr Übergewicht und Adipositas.

Deshalb fordern Kinder- und Jugendärzte in Deutschland, Europa, USA und in anderen Ländern, viele andere medizinische Fachgesellschaften, die Weltgesundheitsorganisation, die amerikanische Akademie der Wissenschaft und unabhängige Experten die Begrenzung solcher Werbung an Kinder.

Professionelle Werbung mit emotionalen Botschaften wirkt. Die Einschränkung der Zigarettenwerbung hat Jugendliche wirksam geschützt. Der Stopp der Bewerbung ungesunder Lebensmittel im Nahverkehr Londons seit 2019 hat in nur 3 Jahren Adipositas um 4,8 Prozent gesenkt, 2857 Diabetes- und 1915 Kreislauferkrankungen verhindert, und 218 Millionen Pfund Kosten eingespart. Deutschland braucht endlich wirksamen Kinderschutz durch bindende Werberegulierung.

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