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Die Türkei kontrolliert den Bosporus. Die Durchfahrtsrechte auch für Kriegsschiffe regelt ein internationaler Vertrag.

© picture alliance / Burak Akbulut / Anadolu Agency

Türkei sperrt Meerenge: So hilft die Bosporus-Blockade der Ukraine

Die Türkei hat den Bosporus für alle ausländischen Kriegsschiffe gesperrt. Die russische Kriegsmarine kann so keine Verstärkung heranführen.

Als Wächterin über den Zugang zum Schwarzen Meer hat die Türkei den Bosporus für alle ausländischen Kriegsschiffe gesperrt. Das sei gut für die Ukraine, sagte ein ukrainischer Diplomat jetzt in Istanbul.

Dank der Türkei sei die ukrainische Hafenstadt Odessa bisher von einem russischen Angriff vom Meer aus verschont geblieben: „Indem die Türkei den Bosporus für Kriegsschiffe sperrte, hat sie in gewisser Hinsicht Odessa gerettet.“ Mehrere russische Kriegsschiffe, die für einen Angriff auf Odessa eingeplant gewesen seien, könnten nicht ins Schwarze Meer fahren.

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Auch andere Schwarzmeer-Anrainer sind dankbar für die türkische Haltung. Der rumänische Botschafter in Ankara, Stefan Tinca, lobte in einem Interview mit der türkischen Nachrichtenplattform Duvar den internationalen Vertrag von Montreux aus dem Jahr 1936, der die Schifffahrt durch den Bosporus regelt und auf den sich die Türkei bei der Sperrung des Bosporus beruft.

Tinca forderte eine engere Zusammenarbeit zwischen den Nato-Staaten am Schwarzen Meer: Bulgarien, Rumänien und Türkei.

Die Entscheidung wirkt sich direkt auf den Krieg aus

Die türkische Regierung spielt die Schließung des Bosporus als rein administrativen Akt herunter. Ankara halte sich ohne politische Hintergedanken an den Text des Montreux-Vertrages, sagt Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Doch die Entscheidung wirkt sich direkt auf den Krieg aus: Die russische Flotte vor der ukrainischen Küste kann ihre Überlegenheit nicht voll ausspielen, weil sie wegen der Bosporus-Sperrung keine Verstärkung hinzuziehen kann.

Auch den Verlust des Flaggschiffs „Moskwa“ kann Russland deshalb nicht ausgleichen. Der Raketenkreuzer beschützte mit seinen Waffen andere russische Schiffe vor der ukrainischen Küste, die dort Häfen blockieren und mit Artillerie und Raketen in den Krieg eingreifen.

Auch Ankara ist vom Seekrieg betroffen

Nach dem Verlust der „Moskwa“ hätten sich russische Schiffe wegen der Gefahr, unter ukrainischen Beschuss zu geraten, weiter auf das Meer zurückgezogen, beobachtete das US-Militär laut der „New York Times“.

Die „Moskwa“ wurde nach Angaben aus Kiew von zwei Neptun-Raketen aus ukrainischer Herstellung getroffen. Unbestätigten Medienberichten zufolge nahmen Kampfdrohnen aus türkischer Produktion an dem Angriff auf das russische Flaggschiff teil. Die Drohnen könnten demnach die „Moskwa“ mehr als hundert Kilometer vom ukrainischen Festland entfernt geortet und so einen zielgenauen Beschuss ermöglicht haben.

Der Kreml beklagt sich seit Monaten über die türkischen Drohnenlieferungen an Kiew. Ob die Türkei auch seit Kriegsausbruch die Exporte fortsetzt, will sie nicht sagen. Präsident Recep Tayyip Erdogan betonte aber beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Ankara im März: „Trotz der russischen Einwände haben wir für die Ukraine getan, was andere Nato-Mitgliedstaaten nicht getan haben.“

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Auch Ankara ist vom Seekrieg betroffen. In den vergangenen Wochen tauchten drei Seeminen vor der türkischen Küste auf. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, dafür verantwortlich zu sein.

Laut der türkischen Regierung werden außerdem sitzen mehrere türkische Schiffe wegen des Krieges in ukrainischen Häfen fest; nach ukrainischen Angaben handelt es sich um 22 Frachter. Kiew wirft Moskau vor, die Schiffe an der Fahrt in die Türkei zu hindern.

Trotzdem vermeidet die Türkei weiter eine öffentliche Parteinahme für die Ukraine. Erdogan lehnt eine Beteiligung seines Landes an den westlichen Sanktionen gegen Russland ab und will russische Unternehmer und Touristen in die Türkei bringen.

Die Ukraine hätte es zwar gerne, dass sich die Türkei in die Sanktionsfront gegen Moskau einreihe, sagte der ukrainische Diplomat in Istanbul. Doch Kiew akzeptiere die Realität. Anders als im Falle Deutschlands, das von ukrainischen Diplomaten und Regierungsmitglieder kritisiert wird, erhebt Kiew keine öffentlichen Vorwürfe an die Türkei – und arbeitet hinter verschlossenen Türen mit Ankara zusammen.

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