zum Hauptinhalt
In Leipzig wird mit heftigen Protesten der linksextremen Szene gerechnet.

© dpa/Sebastian Willnow

Trotz Verbot der Demonstration: Das plant die linksextreme Szene am „Tag X“ in Leipzig

Am Mittwoch wurde das Urteil gegen Lina E. verkündet. Die linksextreme Szene will nun dagegen mobil machen.

Leipzig wappnet sich für heftige Proteste. Die linksradikale Szene ruft angesichts des Verbots für die „Tag-X“-Demonstration in Leipzig zu „dezentralen Aktionen“ auf. Die Stadt hatte die Demonstration zwar verboten, Expert:innen rechnen nun aber mit erheblichem Zulauf – frei nach dem Motto „Jetzt erst recht“. 

Die Organisator:innen wehrten sich vor Gericht, doch das Verwaltungsgericht in Leipzig wies am späten Freitagnachmittag einen Eilantrag gegen das Verbot zurück. Zuvor hatte die Stadt die Demo mit dem Titel „United we stand –  Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!“ untersagt und dabei auf mögliche Gewalteskalationen verwiesen.

Die angekündigte Demonstration ist eine Reaktion auf das Urteil gegen die Leipziger Studentin Lina E. und drei ihrer mutmaßlichen Mitstreiter, die am Mittwoch zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Ihnen wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet oder unterstützt zu haben, die unter anderem mehrere gewalttätige Überfälle auf Neonazis begangen hat.

Das Urteil hat in der linken Szene deutschlandweit für Wut und Empörung gesorgt. Seit Wochen mobilisieren linksradikale Gruppen für diesen Samstag daher in Reaktion darauf nach Leipzig.

Dabei kündigten verschiedene Gruppierungen unter anderem an, für jedes Jahr Haftstrafe einen Sachschaden in Millionenhöhe verursachen zu wollen. „Sollten wir es nicht schaffen, die Demo in Connewitz trotz eines Verbots durchzusetzen, werden wir dezentral im Stadtgebiet aktiv werden“, heißt es in einem Aufruf.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Gruppe ruft unter anderem dazu auf, auch das parallel stattfindende Leipziger Stadtfest und das Konzert von Herbert Grönemeyer „als Ausgangspunkt für Aktionen zu nutzen.“ Durch die vielen Veranstaltungen werde die Lage in der Stadt unübersichtlich sein und es würden sich „Möglichkeiten bieten, unserer Wut auf Repression und Kriminalisierung Ausdruck zu verleihen.“ Auch andere linksradikale Gruppen rufen etwa dazu auf, das „kapitalistische Stadtzentrum“ und die „teuren Einkaufsstraßen der City“ zu verwüsten und „einen zumindest zeitweisen polizeilichen Kontrollverlust herbeizuführen“.

Gruppe ruft zu dezentralen Aktionen auf

Das Aufkommen werde erheblich sein, in Leipzig und Hochburgen wie Berlin und Hamburg, aber sicher auch in anderen größeren Städten, ist sich Tom Mannewitz, Professor für politischen Extremismus an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, sicher. Schon in den vergangenen Tagen war es zu Protesten gekommen, aber das, was morgen zu erwarten sei, sei eine andere Hausnummer, sagte Mannewitz dem Tagesspiegel.

Die Angeklagte Lina E. im Verhandlungssaal.

© dpa/Sebastian Kahnert

„Das Besondere ist, dass jetzt zwei Aktionsbilder zusammentreffen, Antifaschismus und Antirepression, zwei genuine Feindbilder der Szene verschmelzen miteinander. Das wird sich auch mittelfristig auf die Aktionen der Linksextremen auswirken.“ Lina E. war noch am Mittwochabend unerwartet aus der Haft entlassen worden, dies werde die Szene aber nicht besänftigen, meint Mannewitz.

Das Besondere ist, dass jetzt zwei Aktionsbilder zusammentreffen, Antifaschismus und Antirepression, zwei genuine Feindbilder der Szene verschmelzen miteinander.

Tom Mannewitz, Professor für politischen Extremismus an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.

Er rechnet mit zahlreichen Gewaltausbrüchen, nicht unbedingt gegen Personen, aber gegen öffentliche Institutionen und vermeintlich kapitalistische Einrichtungen. Was das angeht, ist die Szene da sehr frei in ihrer Interpretation.“ Er als Wissenschaftler interessiert sich vor allem für die strukturellen Entwicklungen.

„Da fällt es auf, dass zwar am rechten Rand seit geraumer Zeit großer Unmut über die Angriffe in den letzten Jahren herrscht, Resonanzstraftaten aber weithin ausbleiben und das nicht nur für dieses Wochenende.“ Mannewitz vermutet die Angst vor einem zu großen Gegner. „Die linksextreme Szene ist deutlich besser vernetzt und informiert über den Gegner.“

Mehrere Großereignisse in der Stadt machen die Lage unübersichtlich

Expert:innen in Sachsen befürchten, dass sich das Blatt dieses Wochenende wenden könnte: Der 1. FC Lok Leipzig spielt am Samstag in der Stadt gegen den Chemnitzer FC, beide Clubs werden mit einer großen Hooligan-Szene in Verbindung gebracht. Rechtsextreme Fußballfans könnten die explosive Stimmung in der Stadt noch verschärfen.

Innerhalb der linksextremen Szene gibt es auch kritische Stimmen, die militante Aktionen infrage stellen: So hat eine kommunistische Gruppe namens „Kappa“ einen längeren Brief verfasst, der davor warnt, dass auf Gewalt eine „Repressionswelle“ folge und dass diese die Leipziger Szene seit Jahren lähme. So würde die Zahl der Demonstrationsteilnehmenden sinken, weil viele unter „emotionalen und psychischen Folgen“ polizeilicher Aktionen leiden würden.

1
Million Euro Sachschaden für jedes Jahr Haftstrafe von Lina E. drohen Linksextremisten an.

Die Polizei hat derweil, parallel zu dem ausgesprochenen Demonstrationsverbot, eine Kontrollzone im Leipziger Stadtzentrum verhängt. Von Freitag, 18 Uhr an kann die Polizei für 48 Stunden lang Menschen innerhalb des Gebietes anlasslos kontrollieren.

Die Leipziger Polizeidirektion steht vor ihrem größten Polizeieinsatz der letzten beiden Jahre.  Neben mehreren Hundertschaften werden auch Lautsprecherwagen und Wasserwerfer-Staffeln sowie Polizeihubschrauber im Einsatz sein. Die Verbotsverfügung änder an der ursprünglichen Planung nichts, heißt es aus der Pressestelle der Polizei, auch ein Verbot müsse durchgesetzt werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch die Berliner Behörden haben die Entwicklungen in Sachsen im Blick. Der Prozess gegen Lina E. sei auch Thema in der linksextremistischen Szene Berlins, heißt es aus Sicherheitskreisen. Teile des autonomen und postautonomen Spektrums hätten zur Teilnahme an der für Sonnabend geplanten Demonstration in Leipzig aufgerufen.

Wie groß die Resonanz in der Berliner Szene ist, sei aber aus Sicht der Sicherheitsbehörden unklar. Ob sich das Demonstrationsverbot darauf auswirkt, ob und wie zahlreich Berlins Linksextremisten sich auf den Weg nach Leipzig machen, könne „noch nicht seriös beurteilt werden“, hieß es.

Auch Linksextremisten aus Berlin werden in Leipzig erwartet

Für Berlin habe die Polizei noch „keine Erkenntnisse zu möglichen Aktionen“ von Linksextremisten. „Wir behalten das aber im Blick“, sagte ein Sprecher. „Wir gehen davon aus, dass es doch die eine oder andere Aktion geben wird.“ Die Polizei Berlin sei darauf vorbereitet, „um schnellstmöglich und adäquat zu reagieren“.

Szeneinsider berichten derweil, dass sich durchaus einige Berliner:innen auf den Weg nach Leipzig machen werden. Allerdings hat sich auch in Berlin das Mobilisierungspotential der linken Szene zuletzt als eher gering erwiesen. Zwar war es am Mittwoch bei einer Demonstration im Anschluss an die Urteilsverkündung zu Tumulten gekommen – die Eskalation bleibt in Berlin mittlerweile aber fast schon traditionell aus.

Frau Faeser und die Ampel haben das lange nicht wahrhaben wollen und die Augen vor dieser Gefahr verschlossen, weil sie nicht in ihr ideologisches Weltbild passt.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.

Im Netz wird vermeldet, dass die Berliner Polizei präventiv Wohnungen besuche und Meldeauflagen erteile, um Linksextreme an einer Teilnahme a der Demo in Leipzig zu hindern.

Die Polizei Sachsen hat mehrere Bundesländer um Unterstützung ersucht. Die Polizei hat darüber und über die mögliche Stärke von Berliner Einheiten, die nach Sachsen geschickt werden könnten, noch nicht entscheiden.

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, macht die Ampel für die vergangenen und drohenden Ereignisse mitverantwortlich. „Frau Faeser und die Ampel haben das lange nicht wahrhaben wollen und die Augen vor dieser Gefahr verschlossen, weil sie nicht in ihr ideologisches Weltbild passt“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Linksextremismus werde radikaler, sei brutal und gewalttätig. „Ich kann an die Ampel nur appellieren, dieser Eskalation von links nun endlich entschlossen entgegenzutreten.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false