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Ein Mann hält eine Zapfpistole an einer Tankstelle in der Hand.

© Sven Hoppe/dpa

Trauerspiel mit sozialer Schieflage: Der Tankrabatt war von Anfang an kurzsichtig und falsch

Die selbsternannte Aufbruchskoalition hat mit dem Spritpreisrabatt ein Strohfeuer gezündet. Er ist ein Tiefpunkt deutscher Politik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jakob Schlandt

Wenn sich kurzsichtige Klientelpolitik und marktfeindlicher Populismus ergänzen, kommt ein Tiefpunkt deutscher Politik heraus. Richtig, es geht um den Spritpreisrabatt. Den Aufschlag machte die FDP. Mit ausreichender Zustimmung der SPD und zähneknirschendem Ja der Grünen setzte Christian Lindner eine pauschale Steuersenkung für drei Monate durch, die bei Benzin rund 35 Cent pro Liter ausmacht.

Die Wirkung ist deutlich – wenn man das zur Kenntnis nehmen möchte. In Österreich zum Beispiel war Superbenzin vor dem Rabattstart am 1. Juni gut 30 Cent günstiger als in Deutschland, jetzt sind die Preise beinahe gleichauf bei zwei Euro. Denn in Österreich wie überall auf der Welt ging es in den vergangenen Wochen steil nach oben mit den Preisen.

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Der Grund ist einfach: Weltweit sind Raffineriekapazitäten knapp, und die Raffinerien verdienen prächtig. Benzin und Diesel haben sich preislich vom Öl noch weit nach oben abgekoppelt. Genau so, wie auch die Holzpreise sehr hoch sind, obwohl der Rohstoff – in diesem Fall – sogar günstig zu haben ist: Die Sägewerke sind überlastet und verdienen zeitweise viel Geld – das ist zu akzeptieren in einer Marktwirtschaft.

Nur mit entsprechenden Investitionsanreizen kommen Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht. Ob in Deutschland jeder Cent Rabatt durchgereicht wird, kann zwar zurecht bezweifelt werden. Aber ganz überwiegend kommt der Tankrabatt an.

[Lesen Sie auch: Spritpreis vom Ölpreis entkoppelt: Wer streicht die Gewinne der hohen Benzinpreise ein? (T+)]

Er war bloß von Anfang an kurzsichtig und falsch. Finanziert mit drei Milliarden Euro Steuergeld, wird ein Sommerstrohfeuer günstigerer Preise teuer bezahlt. Der Anreiz, Sprit einzusparen, sinkt, die Klimabilanz verschlechtert sich obendrauf. Am ärgerlichsten: Nachweislich profitieren stark überproportional wohlhabende Haushalte.

Profit nur für die Mineralölkonzerne?

Der nächste Akt des Trauerspiels ist noch deprimierender. Frei von überzeugender Evidenz hat sich breit die Meinung festgesetzt, dass die Ölindustrie wundersamerweise in Deutschland ein wirksames Preiskartell bilden konnte, pünktlich zur Einführung des Rabatts.

„Die Mineralölkonzerne streichen den Profit ein, die Verbraucherinnen und Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung“, sagt der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck. Das dient einzig dazu, Empörungsinstinkte zu bedienen. Dennoch widersprechen nur wenige Politikerinnen und Politiker.

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Garniert werden die Märchen von den bösen Abzockerkonzernen mit Aktionismus. Das eher zahnlose Kartellrecht soll nun laut Habeck verschärft werden. Das ist an sich gar keine schlechte Idee. Der Vorschlag, bei nachgewiesenen Verstößen unrechtmäßige Gewinne abschöpfen zu dürfen, ist vernünftig.

Freilich ist allen klar: Am derzeitigen Spritpreishoch ändert das gar nichts. Der unangenehm teure Griff zum Zapfhahn ist ein globales Phänomen – an dem Putin seinen grausamen Anteil hat.

Die Bundesregierung sollte die Lage erklären und sich mehr Gedanken machen über zielgerechten sozialen Ausgleich, auch für Gas und Strom. Stattdessen zündet sie ein Strohfeuer, das nun noch durch falsche Zuschreibungen und Machbarkeitsillusionen ergänzt wird.

Ein bestürzendes Schauspiel, das viel Schaden anrichten wird, materiell, aber auch an der politischen Kultur in Deutschland. Es schmerzt und besorgt, dass ausgerechnet die selbsternannte Aufbruchskoalition dieses Bühnenstück aufführt.

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