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Zusatzforderung: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wünscht sich von den EU-Staaten eine Aufstockung des Brüsseler Budgets um insgesamt 66 Milliarden Euro.

© dpa/HATIM KAGHAT

Tauziehen um Brüsseler Milliarden: „Gift für das Image der EU-Beamten“

Der Europäische Steuerzahlerbund sieht den automatischen Inflationsausgleich für EU-Beamte kritisch. Das führe dazu, dass keine Diskussion darüber stattfinde, ob die Gehaltserhöhungen überhaupt gerechtfertigt seien.

Emmanuel Macron wählte beim letzten EU-Gipfel im vergangenen Monat klare Worte. In den meisten EU-Mitgliedstaaten müsse man Einschnitte bei den Haushalten hinnehmen, deshalb erwarte man Ähnliches auch von der EU-Kommission, sagte Frankreichs Präsident bei dem Treffen in Brüssel.

Konkret geht um die Summe von 1,9 Milliarden Euro. Dahinter verbergen sich Verwaltungskosten für den EU-Apparat, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusätzlich zum laufenden Haushalt der Gemeinschaft der 27 Staaten fordert. Und darin sind wiederum die Gehälter der EU-Beamten inbegriffen. Für dieses Jahr können die EU-Beamten nach gegenwärtigem Stand ein Gehaltsplus von 3,7 Prozent erwarten – als Anpassung an die Inflation.

Die automatische Anpassung an die Inflationsrate ergibt sich aus dem EU-Beamtenstatut. Dort ist festgelegt, dass Gehaltsanpassungen für die EU-Beamten auf der Basis der Inflation in Belgien und Luxemburg sowie der Kaufkraftentwicklung von Beamten in zehn EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Bei diesen Mitgliedstaaten handelt es sich um Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen, Schweden und Spanien.

„Diese Automatismen sind Gift für das Image der EU-Beamten“, kritisierte der Präsident des Europäischen Steuerzahlerbundes, Michael Jäger. „Sie führen dazu, dass gar keine Diskussion mehr darüber stattfindet, ob eine Erhöhung gerechtfertigt ist oder nicht“, sagte er dem Tagesspiegel weiter.

Dagegen wies der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier darauf hin, dass eine Änderung des EU-Beamtenstatuts die Zustimmung der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments benötigen würde. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass eine solche Aussetzung der Gehälteranpassung von den Gewerkschaften der Beamten beklagt werden würde“, so Geier.

Schließlich hätten alle Arbeitnehmer in Belgien und Luxemburg einen Rechtsanspruch auf den Inflationsausgleich ihrer Gehälter, sagte Geier weiter. „Wer die Verwaltungskosten der EU spürbar senken möchte, sollte sich stattdessen lieber für die Aufgabe des zweiten Parlamentssitzes in Straßburg einsetzen“, forderte er.

Wer die Verwaltungskosten der EU spürbar senken möchte, sollte sich stattdessen lieber für die Aufgabe des zweiten Parlamentssitzes in Straßburg einsetzen.

Jens Geier, SPD-Europaabgeordneter

Die Spitze des SPD-Europaabgeordneten richtet sich gegen Frankreichs Staatschef Macron, der sich beim letzten Brüsseler Gipfel so vehement gegen zusätzliche Ausgaben für den EU-Beamtenapparat ausgesprochen hatte. Pikant: Wenige Tage nach dem EU-Gipfel empfing Macron die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in seinem Amtssitz im Elysée-Palast und dankte ihr für ihren Einsatz für Straßburg als Sitz des Europaparlaments.

Dabei ist der monatliche „Wanderzirkus“ zwischen Brüssel und Straßburg, wo jeweils Parlamentssitzungen stattfinden, vor allem aus Kostengründen umstritten. Allerdings ist auch der Sitz des EU-Parlaments im französischen Straßburg in den EU-Verträgen verankert – ähnlich wie die Inflationsanpassung bei den Brüsseler Gehältern im EU-Beamtenstatut.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sieht die zusätzlichen Forderungen zur Deckung der EU-Verwaltungskosten kritisch.

© REUTERS/Pool

Derweil ist Macron nicht der einzige unter den Staats- und Regierungschefs, welcher die Forderung nach zusätzlich knapp zwei Milliarden Euro für die EU-Verwaltungskosten kritisch sieht. Denn Kommissionschefin von der Leyen erwartet von den Mitgliedstaaten, dass sie die zusätzlichen Milliardenforderungen schultern. Die für Verwaltungsausgaben vorgesehene zusätzliche Summe von 1,9 Milliarden ist ein Bestandteil eines Paketes, dessen Gesamtsumme sich auf 66 Milliarden Euro beläuft.

Die EU-Kommission erklärt den gesamten zusätzlichen Finanzbedarf für die laufende Haushaltsperiode zwischen 2021 und 2027 unter anderem mit der Ukraine-Hilfe, die seinerzeit noch nicht eingepreist war, als im Jahr 2020 der jetzige Mehrjahresetat der Gemeinschaft festgezurrt wurde. Mit den Zusatzausgaben für die Ukraine-Hilfe haben Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz und fast alle übrigen Staats- und Regierungschefs auch kein Problem. Aber über die Verwaltungskosten – und deren mögliche Finanzierung über Umschichtungen an anderer Stelle im Brüsseler Etat – dürfte bis zum nächsten Gipfel im Dezember noch heftig gefeilscht werden.

Dabei fallen die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten just in eine Phase, in der von den Hauptstädten in der Gemeinschaft wieder mehr Haushaltsdisziplin verlangt wird: Ab Anfang kommenden Jahres soll nach der Corona-Pandemie und dem Beginn des Ukraine-Krieges der Stabilitätspakt der Gemeinschaft wieder greifen, der strikte Obergrenzen bei der Neuverschuldung vorsieht.

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