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Polizisten in Bochum sichern während einer Razzia von Zoll und Polizei eine Shisha-Bar.

© dpa/Bernd Thissen/Bearbeitung: Tagesspiegel

Streit um Begriff: Wird man auch in Zukunft noch von Clankriminalität sprechen?

Polizeibehörden benutzen den Begriff „Clankriminalität“, um ein ganz bestimmtes Kriminalitätsphänomen zu beschreiben. Kritiker finden die Bezeichnung diskriminierend. Drei Experten geben eine Einschätzung.

Der Begriff „Clankriminalität“ wird von den Polizeibehörden in Deutschland benutzt, um ein ganz bestimmtes Kriminalitätsphänomen zu beschreiben. Es gibt den Vorwurf der Diskriminierung, andererseits gibt es keinen anderen Begriff, der das Spezifische an dieser Art von Kriminalität beschreibt.  

In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, was sie davon halten. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Aufhetzende Sprache ist nicht zu akzeptieren

Der Forscher Özgür Özvatan hat das Wort Clan in Berichten über den Mittleren Osten, über die Kardashians und über die Automobil-Familie Porsche gefunden. Diskriminierend und rassifizierend fand er es nur bei Meldungen über sogenannte „Clankriminalität“.

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Das Wort ist zum Synonym für die angeblich komplett kriminelle arabische Familie geworden. Statt Organisierte Kriminalität als solche zu benennen, wird hier mit dem Wort „Clan“ Aggression und Missgunst absichtlich befeuert. Wir haben ein Recht darauf, dass die Polizei ernsthaft und besser ausgestattet ihre Arbeit macht.

Sämtliche Familienmitglieder in eine Art Sippenhaft zu nehmen, hilft aber nicht. Worte wie „Clankriminalität“, das Racialprofiling, jede Art der Diskriminierung schaden. Aufhetzende Sprache will ich nicht akzeptieren.

Wir brauchen Vorbilder für gesellschaftlichen und beruflichen Aufstieg mit allen Nachnamen. Wir brauchen sie beim Bäcker, an der Uni, als Lehrer und bei der Polizei. Ich will hier friedlich zusammenleben. Dazu haben alle gleichermaßen eine Chance verdient. Unabhängig vom Nachnamen.


Es gibt derzeit keinen besseren Begriff für das Phänomen

Eine wichtige Grundlage unserer polizeilichen Arbeit ist die Auswertung der Kriminalitätslage. Um valide und vergleichbare Daten zu erhalten, braucht es einheitliche Begriffsverständnisse für Kriminalitätsphänomene.

Der Begriff „Clankriminalität“ wird bundesweit durch alle Polizeibehörden einheitlich für ein Phänomen genutzt, das gemeinsam durch spezifische Kriterien definiert wurde. Die Bezeichnung und Definition wurden unter Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise so angelegt, dass die Stigmatisierung von Personengruppen vermieden wird.

Zur Bekämpfung der Clankriminalität verfolgen wir in Berlin daher auch keinen namensbasierten, sondern einen täterorientierten Ansatz. Unsere Maßnahmen betreffen das kriminelle Verhalten einzelner Personen oder Strukturen.

Wir werden den Begriff und seine Definition gemeinsam mit den Polizeibehörden von Bund und Ländern weiter reflektieren – aktuell gibt es keinen Begriff, der das Kriminalitätsphänomen besser beschreibt.


Es ist nötig, das Phänomen klar zu benennen

Ab den Siebzigerjahren sind auch solche Großfamilien aus dem Nahen Osten nach Deutschland gekommen, die schon in ihrer Heimat in stete Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Großfamilien und Justiz verwickelt waren. Einige von ihnen fallen auch hierzulande durch Eigentums-, Gewalt- und Drogendelikten auf.

Oft sprechen Angehörige dabei selbst davon, einem „Clan“ anzugehören – der Zusammenhalt unter entfernteren Verwandten ist oft enger als in Deutschland üblich ist. Eine entschlossene Reaktion auf die Clankriminalität blieb lange aus – aus falscher Rücksichtnahme.

Kriminelle Väter, Söhne und Onkel konnten ihre nicht-kriminellen Angehörigen dominieren, eine Szene entstand. Auf den Begriff „Clankriminalität“ zu verzichten, ist also falsch. Das Phänomen klar benennen, ist nötig – auch, um Täter von Mitläufern zu trennen, das Gefüge aufzubrechen. Ermittler, viele Politiker und durchaus auch Sozialarbeiter haben das erkannt. Wir werden weiter von Clankriminalität sprechen.

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