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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

© Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Streit in der Regierung: Diese Fragen muss die Ampel im Koalitionsausschuss klären

Heute Abend wollen sich SPD, FDP und Grüne in dem Ausschuss zu schwierigen Themen einigen. In der Verkehrspolitik sind die Chancen dafür gestiegen.

Selten hing der Erfolg eines Koalitionsausschusses so sehr von einem Vorspiel in Brüssel ab. Am Samstag einigten sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing und der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, endgültig auf das Verbrenner-Aus samt einer Ausnahme für E-Fuels.

Für die Grünen war das eine Voraussetzung, um der FDP und Kanzler Olaf Scholz entgegenzukommen, wenn die Ampel am Sonntagabend nach einem Neustart sucht. Denn auch in Berlin dreht sich der Streit vor allem um die Verkehrspolitik.

Der Autobahn-Streit

Endlich abräumen wollen Wissing und Scholz vor allem den Konflikt um die beschleunigte Planung von Autobahnen, Schienenwegen und Wasserstraßen. Die Grünen wehren sich seit Dezember gegen Wissings Gesetzentwurf, der eine Halbierung der Planungszeiten erreichen soll.

Nur der Reparatur von Autobahnen, nicht aber dem Ausbau wollen sie ein „überragendes öffentliches Interesse“ zugestehen, womit der Naturschutz weitgehend ausgehebelt würde.

Die SPD hat einen Kompromiss vorgeschlagen. Die schnellere Verfahren gäbe es demnach nur für volkswirtschaftlich besonders sinnvolle Ausbauten an Engpässen, betroffen dürften vor allem Ballungsgebiete sein. Auf der Liste könnten demnach am Ende rund 60 bis 80 Projekte stehen.

Klimaschutz im Verkehr

Es kommt jetzt auf die Gegenleistung an. Beim letzten Koalitionsausschuss bot Wissing einige Milliarden zusätzlich für den Bahn-Ausbau. Grüne und SPD halten bis 2030 jedoch pro Jahr mindestens vier bis fünf Milliarden Euro mehr für nötig.

Finanziert werden könnte das durch die Lkw-Maut, die ab 2024 eine CO2-Komponente erhalten wird, was nach Ampel-Schätzung vier bis sechs Milliarden Euro pro Jahr bringen dürfte. Das allein wird den Grünen allerdings nicht reichen. Warum sollten sie dem FDP-Verkehrsminister Wissing, der selbst mehr Geld für den Schienenausbau verlangt, derart in die Hände spielen?

Steht beim Koalitionsausschuss erneut im Fokus: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

© IMAGO/Felix Zahn

Stattdessen wollen sie über den Klimaschutz im Verkehr reden, kündigte Fraktionschefin Katharina Dröge nach der Fraktionsklausur in Weimar an.

2022 hat der Verkehrssektor bereits neun Millionen Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen. Die Emissionen in Wissings Verantwortungsbereich stagnieren bei 148 Millionen Tonnen, obwohl sie mit jedem Jahr weiter abnehmen müssten auf nur 85 Millionen Tonnen in 2030.

Ein wirksames Sofortprogramm, wie im Klimaschutzgesetz vorgeschrieben, hat Wissing seit fast einem Jahr nicht vorgelegt. Allerdings hat der FDP-Minister bereits zum letzten Koalitionsausschuss ein paar Vorschläge mitgebracht. Doch soweit kam man damals wohl nicht, das Treffen endete bereits nach drei Stunden. Nun dürfte die Liste wieder hervorkommen.

Manche FDP-Ideen dürften den Grünen allerdings kaum gefallen, wie mehr Einsatz von Biosprit. Für die klimaneutralen Kraftstoffe setzen sich auch die SPD-Verkehrspolitiker:innen ein – als Brückentechnologie.

Doch Umweltministerin Steffi Lemke will den Einsatz von Benzin und Diesel aus Anbaupflanzen sogar zurückfahren, zugunsten der weltweiten Ernährungssicherheit. Dass Wissing die Lücke beim Klimaschutz im Verkehr vollständig abbaut, ist ohnehin nicht zu erwarten. Schließlich wollen die Liberalen die Sektorziele abschaffen.

Heizungen

Die FDP wiederum sperrt sich gegen das von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) geplante Aus für neue, herkömmliche Öl- und Gasheizungen schon im Jahr 2024. Am Mittwoch soll eine Koalitionsrunde nun besprochen haben, wie die Wärmewende sozial abgefedert werden kann, berichtet der „Spiegel“.

Im Gespräch ist demnach eine Abwrackprämie für fossile Heizungen, günstige Kredite und Steuervorteile für Wohnungs- und Hauseigentümer sowie eine geringere Modernisierungsumlage für Mieter:innen. Finanziert werden könnte die Abwrackprämie aus dem Klima- und Transformationsfonds. Außerdem sollen neben Wärmepumpen auf Wunsch der FDP auch mit Wasserstoff betriebene Heizungen zugelassen werden. Wirtschaftsminister Habeck hat dagegen eigentlich nichts einzuwenden, auch wenn er nicht glaubt, dass sich das wirtschaftlich lohnt.

Eine Abwrackprämie wäre mir neu.

Steffen Hebestreit, Regierungssprecher

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte allerdings, eine Abwrackprämie „wäre mir neu“. Und ein Sprecher von Wirtschaftsminister Habeck sagte, dieser Begriff sei „nicht von unserem Haus in die Diskussion gebracht worden“. Völlig abgeräumt scheint der Heizungsstreit somit noch nicht zu sein.

Finanzen

Hintergrund des Ampel-Streits ist seit Wochen die Aufstellung des Etats für 2024 und der Finanzplanung bis 2027. Vor allem die Grünen fühlen sich bisher zu schlecht bedient, nicht zuletzt mit Blick auf die Kindergrundsicherung – eines ihrer Großprojekte.

Dagegen nutzt Finanzminister Christian Lindner das Verfahren, um sich als Wahrer haushaltspolitischer Stabilität zu profilieren und so enttäuschte FDP-Wähler zu halten.

Vor der Runde am Sonntag war nach einem Papier aus dem Finanzministerium, das Mitte der Woche in Berlin kursierte, noch unklar, wie ein Loch von 14 bis 18 Milliarden Euro im nächsten Etat gestopft werden soll. Darin sind demnach „neue Projekte und Vorhaben der Ressorts“ nicht enthalten.

Die 200 Milliarden Euro des Abwehrschirms sind nur dazu da, Menschen und Betriebe in der Energiekrise zu schützen.

Christoph Meyer, FDP-Fraktionsvize

Im Blick von SPD und Grünen ist möglicherweise der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), also der Nebenhaushalt, der zur Finanzierung der Energiepreisbremsen und anderer Stützungsmaßnahmen mit Kreditermächtigungen in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet wurde. Gebraucht werden nach dem milden Winter vorerst wohl nur 15 bis 30 Milliarden. Lindner möchte jedoch keine Umleitung der Kreditermächtigungen zugunsten anderer Töpfe oder Projekte.

FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sagte dazu dem Tagesspiegel: „Die 200 Milliarden Euro des Abwehrschirms sind nur dazu da, Menschen und Betriebe in der Energiekrise zu schützen.

Wofür die Hilfsgelder benutzt werden dürfen, ist im Gesetz klar definiert.“ Den Schirm jetzt zu durchlöchern, sei unsozial und unverantwortlich, „denn keiner weiß, wie die Lage im nächsten Winter ist“. Mit der FDP-Fraktion werde es keine „realitätsfernen Klimagesetze auf Kosten der Menschen“ geben.

Das Koalitionsklima

Darüber hinaus sucht die Ampel aber auch ganz grundsätzlich nach einem neuen Klima der Zusammenarbeit. Wieder einmal. Denn darum ging es schon bei der Kabinettsklausur in Meseberg. Erwartet wird, dass die Verhandlungen bis weit in die Nacht dauern werden. Ein Neustart wird der Ampel nämlich nur gelingen, wenn sie endlich an paar Streitthemen abräumt.

Verkehrsminister Wissing erhöhte vor dem Treffen den Druck. „Ich hoffe, die Grünen geben ihre Blockadehaltung auf“, sagte Wissing der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit Blick auf den Autobahn-Streit. „Dass die Genehmigungsverfahren für viele Infrastrukturvorhaben beschleunigt werden, sollte eigentlich Konsens sein.“

Ich hoffe, die Grünen geben ihre Blockadehaltung auf.

Volker Wissing, Bundesverkehrsminister

Die Rolle als Blockierer wollen die Grünen nicht akzeptieren. Sie sind in den vergangenen Tagen Kanzler Olaf Scholz ungewöhnlich scharf angegangen. Der Tenor: Wenn die Koalition zu keinen Lösungen kommt, liegt das auch an Führungsschwäche. So hat insbesondere die Grünen-Fraktion für ein mögliches Scheitern der Gespräche vorgebeugt.

In der Koalition gibt es aber durchaus Optimismus. Und das hängt mit einer Japan-Reise zusammen. Auf den langen Flügen nach Tokio zu den deutsch-japanischen Regierungskonsultationen sollen Scholz und seine wichtigsten Minister:innen mögliche Lösungen vorbesprochen haben. Mit nach Japan reisten unter anderem Habeck, Wissing, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Wie genau der Koalitionsausschuss die komplizierten Streitfragen auflösen wird, lässt sich allerdings kaum vorhersagen. Denn hier werden komplizierte Fachfragen wie das Planungsrecht von zumeist fachfremden Politiker:innen verhandelt. Das Gremium von 16 Personen (sechs von den Grünen, sechs von der FDP und nur vier von der SPD) gilt als eine Black Box.

So stand am Ende des Koalitionsausschusses im vergangenen Frühjahr das Neun-Euro-Ticket. Ein Projekt, von dem zuvor noch niemand gehört hatte und das in dieser Form erst in den Sitzungen in den frühen Morgenstunden entstand.

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