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Svenja Schulze wünscht sich mehr Sachlichkeit in der Feinstaubdebatte.

© Monika Skolimowska/ZB/dpa

Streit in der Bundesregierung: Schulze verärgert über Feinstaubdiskussion

Nach der Absage der Bundesregierung ans Tempolimit reagiert die Ministerin verschnupft. Ihre Position jedoch wird von Forschern unterstützt.

Eine Antwort auf die Frage, ob sie ein Tempolimit befürworte, ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) schuldig geblieben. Mehrfache Nachfragen in einem ZDF-Interview hatte die Ministerin am Sonntagabend holprig unbeantwortet gelassen – und dafür Spott in den Sozialen Medien geerntet. Am Montagmittag holte die politische Entwicklung Schulze ein: Die Bundesregierung lehne ein Tempolimit ab, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das Thema ist vorerst abgehakt.

Als Schulze später vor die Presse tritt, ist ihr die Verärgerung anzumerken. Nach der Intervention ihres Kabinettskollegen Andreas Scheuer (CSU) gegen ein Tempolimit und seinen Sympathiebekundungen für die Initiative der Lungenfachärzte gegen die geltenden NOx-Grenzwerte, ist Schulze sauer. „Diese Debatte trägt nicht zur Versachlichung bei“, sagte sie. Im Gegenteil, die Verunsicherung in der Bevölkerung nehme nur noch weiter zu, wenn Fakten verdreht würden.

Unterstützung in der Diskussion um Stickoxid-Grenzwerte (NOx) erhielt Schulze von Wissenschaftlern. Der Leiter der Pneumologie der Charité, Christian Witt, betonte, die vorgeschriebenen Grenzwerte seien keinesfalls zu niedrig bemessen, sondern eher zu hoch. Die Datenlage habe sich seit zehn Jahren weiterentwickelt und die Neubewertung lasse aufhorchen. 70.000 wissenschaftliche Publikationen stünden gegen ein zweiseitiges Thesenpapier der 100 Ärzte.

Es könne nicht gesagt werden, dass Stickoxide unterhalb der Grenzwerte tatsächlich ungefährlich seien, hob Witt hervor. „Es gibt keinen sicheren unteren Grenzwert für NOx.“ Vielfach wissenschaftlich erwiesen sei, dass hohe NOx-Emissionen dazu führten, „dass Kranke noch kränker werden“. Zahlreiche internationale Lungenspezialisten hatten diese Position am Wochenende mit Erklärungen unterstützt.

Die Bundesregierung möchte eine gemeinsame Position herstellen

Den Disput nimmt die Regierung zum Anlass, darüber nachzudenken, wie man eine fundierte gemeinschaftliche Position herstellen könne, sagte Regierungssprecher Seibert. Darüber werde mit der Leopoldina als Nationaler Akademie der Wissenschaften gesprochen. Die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, begrüßte dies ebenso wie Schulze und Witt.

Verkehrsminister Scheuer will das Thema im EU-Verkehrsministerrat diskutieren, mit dem Ziel die Grenzwerte gegebenenfalls zu ändern. Christian Calliess, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der FU Berlin, gibt dem Unterfangen wenig Chancen: Frühestens im November dieses Jahres sei die dann neu gewählte EU-Kommission handlungsfähig, sagte er am Montag. Vor einer Grenzwert-Änderung müsse diese auch noch vom EU-Rat und dem EU-Parlament gebilligt werden.

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