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Wie wird sie sein, die Stadt im Jahr 2030?

© promo

Strategiepapier des Berliner Senats: Sie planen, als gäbe es kein Heute

"Berlin 2030" heißt das Strategiepapier, an dem im Umfeld von Bürgermeister Müller gearbeitet wird. Doch die Stadt braucht auch jetzt schon eine bessere, zukunftsorientierte Politik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Es sollte ein Geheimnis bleiben, was schon lange kein Geheimnis mehr ist: Der Senat von Berlin und die ihn tragenden drei Parteien haben keine einheitliche Vorstellung davon, wie und wohin sich diese Stadt entwickeln soll. Weder beim Wohnungsbau noch in der Verkehrsplanung, um nur zwei Beispiele zu nennen, ist ein gemeinsamer Wille erkennbar. Nun kam heraus, dass im Umfeld des Regierenden Bürgermeisters an einer Strategie für „Berlin 2030“ gearbeitet wird. Den Rest des Jahres 2018 will man sich mit der Vorbereitung und dem Sammeln von Datenmaterial beschäftigen. 2019 soll die Strategie entwickelt, im Frühjahr 2020 vorgestellt und durch einen Senatsbeschluss gekrönt werden.

Die Zivilgesellschaft wurde umfassend eingebunden

Als Vorhaben steht das, ohne Nennung von Daten, ziemlich weitschweifig im Koalitionsvertrag (ab Seite 32). Schließlich geht es im Kern um eine Weiterentwicklung von Konzepten, die seit 2012 unter der Federführung der jeweiligen Stadtentwicklungssenatoren Michael Müller und Andreas Geisel ausgearbeitet worden waren. Vor allem Müller hatte sich dabei durch eine Einbindung der Zivilgesellschaft über zahlreiche Foren und Konferenzen hervorgetan. Das Ergebnis war ein breiter Konsenses in der Stadt.

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Wenn nun erstmals die Federführung nicht bei der Stadtentwicklungssenatorin liegt, sondern beim Regierenden Bürgermeister selbst, ist das ein Indiz für die Verzweiflung, die sich bei Michael Müller selbst und in der Senatskanzlei angesichts des hinhaltenden Taktierens der jetzt amtierenden Senatorin breit gemacht hat. Die offizielle Begründung, unter Katrin Lompscher setze die Verwaltung andere Schwerpunkte und habe sich deshalb nicht um die Führung des wichtigsten Prozesses überhaupt bemüht, ist ein Zeichen der Kapitulation.

Nur systematische Investitionen bewahren die Stadt vor Auseinandersetzungen

Dass eine rot-rot-grüne Koalition andere Schwerpunkte setzt, als eine Rot- Schwarze, liegt zwar auf der Hand. Aber die verheerenden Folgen der weniger an der Sache als am Prinzip des Kürzens- um-jeden-Preis orientierten Sparpolitik der zurückliegenden Legislaturen sind ja allen Parteien bewusst. Und alle wissen auch, dass nur systematische Investitionen in Personal und Infrastruktur die wachsende Stadt vor brutalen Auseinandersetzungen zwischen sich zurück gesetzt fühlenden Bevölkerungsgruppen bewahren können. Der soziale Friede in Berlin ist gefährdet – zumindest in der Senatskanzlei ist diese Botschaft wohl inzwischen gehört worden.

Im Blick scheint der nächste Wahltermin

Verwaltungsexperten meinen, der gesetzte Zeitrahmen bis Ostern 2020 sei ambitioniert und nicht zu großzügig angesetzt. Dennoch wirkt das knappe Konzept so, als plane da ein politischer Stratege mit dem Blick auf den nächsten Wahltermin, als gäbe es kein Heute. Natürlich müssen Planungen fortgeschrieben werden. Aber die Defizite etwa beim Wohnungsbau sind so offensichtlich, die Verzögerungsversuche bei der Umsetzung vorhandener Lösungsansätze so skandalös klientelpolitisch bestimmt, dass man keine zwei Jahre braucht, um durchzugreifen.

Auf die gesellschaftliche Debatte zu verzichten wäre fatal

Die Senatsverwaltung möchte zwar die Zivilgesellschaft einbinden, lehnt aber eine Einbindung der „ Stiftung Zukunft Berlin“ ab. Die sei zu professoral, repräsentiere andere gesellschaftliche Schichten als jene, die die derzeitige Regierung tragen, munkelt es aus der Koalition. Am Sachverstand der von Volker Hassemer geleiteten Gruppe zweifelt jedoch niemand. Ihr vom Tagesspiegel breit dokumentiertes Forum zur Stadt von Morgen und der Reform einer bürgernahen Verwaltung bot jede Menge Denkanstöße. Dass R2G die Vorstellungen der sie tragenden Parteien einbringen will, ist legitim. Es aber ohne breite zivilgesellschaftliche Debatte zu tun, wäre fatal.

In dieser Stadt ist, im übertragenen Sinne, Feuer unterm Dach, nicht nur in einer Koalition, deren Mehrheit schwindet. Zuwanderung, Wohnungsnot, Verdrängungswettbewerb, eine oft überforderte Verwaltung – die Stadt wird immer öfter als Bedrohung wahrgenommen, steht in dem Senatspapier – wie wahr!

Das Kurzkonzept der Senatsstrategie können Sie hier als PDF lesen.

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