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Ein Altenpfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Frau.

© picture alliance/dpa/Sebastian Kahnert

„Sterbewunsch ist zu respektieren“ : Ethikrat äußert sich zur Sterbehilfe

Vor mehr als zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung zur Sterbehilfe gekippt. Eine neue steht noch aus. Nun meldet sich der Ethikrat zu Wort.

9.000 Selbsttötungen pro Jahr werden in Deutschland registriert, dazu kommen fast 100.000 Suizidversuche. Für viele Menschen ist der „selbstbestimmte Tod“ eine Option. Erst vor wenigen Tagen ist zum Beispiel bekannt geworden, dass der im Alter von 91 Jahren gestorbene französische Starregisseur Jean-Luc Godard Hilfe zum Suizid in Anspruch genommen hat.

Mehr als zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltende Regelung zur Sterbehilfe gekippt hat. Schwerkranke Patienten, Sterbehilfevereine und Ärzte hatten damals gegen das Verbot der „gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ geklagt und Recht bekommen. Eine neue gesetzliche Regelung ist bis jetzt nicht verabschiedet worden.

Der Ethikrat hat nun am Donnerstag in einer Stellungnahme eine Stärkung der Suizidprävention angeregt. Gerade wenn die freiverantwortliche Selbsttötung als grundlegendes Recht definiert werde, müsse garantiert werden, dass solche Entscheidungen wirklich informiert, selbstbestimmt und ohne äußeren Druck gefasst würden, sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, in Berlin.

Gesellschaftliche und staatliche Institutionen in der Verantwortung

Der katholische Theologe und Ethikratsmitglied Andreas Lob-Hüdepohl sagte, dass vor allem große gesellschaftliche und staatliche Institutionen in der Verantwortung stünden, Suizidprävention zu ermöglichen, und zwar „über die gesamte Lebensspanne, in allen relevanten Lebensbereichen, zeitnah und flächendeckend“.

Trotz der Möglichkeit der Suizidassistenz seien Staat und Gesellschaft nicht von der Situation entlastet, dass Menschen geholfen werden müsse, „damit der Tod nicht das kleinste Übel ist“. Die politischen Aufgaben zu dem Thema reichten vom Kampf gegen Altersarmut und Einsamkeit bis hin zu funktionierenden Pflegeeinrichtungen und einem Ausbau der Palliativmedizin.

Gründe reichen von Vereinsamung bis Lebenssattheit

Ethikratsmitglied Helmut Frister sagte, dass eine Ausübung des Selbstbestimmungsrechts durch freiverantwortlichen Suizid immer möglich sei. Es sei denn, die Person müsse vor sich selbst geschützt werden. Psychische Krankheiten könnten die Selbstbestimmungsfähigkeit zwar beeinträchtigen, schlössen sie aber nicht aus. Die Mitglieder des Ethikrats stellten mannigfaltige Gründe für einen Freitod vor: Von der Vereinsamung über Krisensituationen bis zu Zukunftsangst und Lebenssattheit. Sie lehnen eine Glorifizierung des Suizids als Freitod ebenso ab wie dessen Jahrhunderte praktizierte Verdammung.

Kirche muss gewährleisten, dass Suizidwilligen die Umsetzung einer freiverantwortlichen Entscheidung nicht verwehrt oder verunmöglicht wird.

Andreas Lob-Hüdepohl, katholischer Theologe und Ethikratsmitglied

Lob-Hüdepohl zeigt Verständnis dafür, dass vor allem kirchliche Einrichtungen für sich in Anspruch nehmen, keine Suizidbeihilfe zu praktizieren. Gleichwohl müssten solche Einrichtungen aber zumindest gewährleisten, dass Suizidwilligen „die Umsetzung einer freiverantwortlichen Entscheidung nicht verwehrt oder verunmöglicht wird“ - innerhalb oder außerhalb der eigenen Mauern. Zu politischen Entscheidungen wolle und werde der Ethikrat keine Stellung beziehen.

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