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Olaf Scholz, 65, und Friedrich Merz, 67, sind beide Volljuristen – und neigen beide gelegentlich dazu, das ihre Gesprächspartner spüren zu lassen. 

© Imago/Political-Moments

Spitzentreffen im Kanzleramt: Wo Olaf Scholz und Friedrich Merz sich ähnlich sind

Wir vergleichen die beiden Männer, was sie trennt, was sie verbindet: Herkunft, Familie, Regierungserfahrung, Temperament, Sport-Vorlieben, Mitarbeiter-Umfeld. 

Altersmäßig liegen nur knapp zweieinhalb Jahre zwischen Regierungschef und Oppositionsführer, ihre Geburtsorte Osnabrück und Brilon sind nur 130 Kilometer voneinander entfernt. Olaf Scholz, 65, und Friedrich Merz, 67, sind beide Volljuristen – und neigen beide gelegentlich dazu, das ihre Gesprächspartner spüren zu lassen. In mancherlei ähneln sich also der Kanzler und der Mann, der gern Kanzler wäre. In anderer Hinsicht könnten sie unterschiedlicher nicht sein.


Herkunft

Scholz ist zwar in Osnabrück geboren, hat aber fast zeit seines Lebens in Hamburg gewohnt. Er wuchs mit zwei jüngeren Brüdern in Hamburg auf. Seim Vater war Handelsvertreter, die Mutter arbeitete in der Textilwirtschaft. Bei Scholz’, Wahl zum Kanzler im Bundestag Ende 2021 war er dabei. Der „Bild“-Zeitung sagte Scholz Senior, damals 86, sein Sohn habe ihm „schon mit 12 gesagt, dass er Bundeskanzler werden will“.

Und weiter: „Olaf musste nie lernen, dem ist das zugeflogen. Seine Brüder hat das sehr geärgert.“ Olaf Scholz sei nicht nur ein guter Schüler gewesen („In Latein konnte der Lehrer von ihm lernen“), sondern als Kind „ein Besserwisser“. Scholz ist konfessionslos, trat einst aus der evangelischen Kirche aus.

Friedrich Merz ist Katholik und das älteste von vier Geschwistern. Wie Scholz, der eine durchaus wilde Juso-Jugend hinter sich hat, gibt es Geschichten über den Mofarocker Merz aus dem Sauerland.

Dem „Tagesspiegel“ erzählte er vor mehr als 20 Jahren einmal, dass seine Freunde Bier, Schnaps und die Doors gewesen seien und er Eltern wie Lehrer gequält habe. Das führte unter anderem zu einem nicht ganz freiwilligen Schulwechsel – er galt zeitweise als undisziplinierter Schüler, dem aber schon damals ein großes Redetalent nachgesagt wurde.


Familie

Seit 1998 ist Olaf Scholz mit Britta Ernst, 62, verheiratet. Die beiden kennen sich seit gemeinsamen Juso-Zeiten in Hamburg. Britta Ernst ist Volkswirtin. Das Paar hat keine Kinder. Lange lebten sie in Hamburg-Altona, nunmehr in Potsdam, wo Scholz inzwischen seinen Bundestagswahlkreis hat.

Seine Rubinhochzeit, die nach 40 Ehejahren gefeiert wird, hat Friedrich Merz schon hinter sich. Mit seiner Frau Charlotte ist er seit 1981 verheiratet – kennengelernt hatte er sie auf einer Examensfeier an der Uni Bonn. Das Paar hat einen Sohn und zwei Töchter.

Als Merz das erste Mal Vater wurde, so sagte er einmal rückblickend, seien seine wilden Zeiten endgültig vorbei und seine „Verbürgerlichung“ abgeschlossen gewesen.


Ausbildung

Nach seinem Abitur studierte 1977 Scholz Jura in Hamburg, machte beide Staatsexamina, absolvierte den Zivildienst. Ab 1985 arbeitete er als Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht.

Merz erwarb seine Hochschulreife zwei Jahre früher – im selben Jahr 1975 trat er in die Bundeswehr ein, musste sie aber wegen einer Knieverletzung im September des Folgejahres vorzeitig beenden.

Als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung studierte der Jungunionist direkt im Anschluss Rechtswissenschaften in Bonn und Marburg. Auf das erste Staatsexamen 1982 arbeitete er in Saarbrücken – erst am Landgericht Saarbrücken, nach dem zweiten Staatsexamen 1985 als Richter auf Probe am Amtsgericht.


Berufspolitik

Erst vergleichsweise spät, im Alter von 39 Jahren, wurde Olaf Scholz Berufspolitiker, 1998 war das, mit dem Einzug in den Bundestag. Schon zuvor war er bei den Jusos aktiv gewesen, hatte dann aber erst einmal als Rechtsanwalt gearbeitet. Fokus: Arbeitsrecht.

Olaf musste nie lernen, dem ist das zugeflogen. Seine Brüder hat das sehr geärgert.

Scholz Senior

Scholz hat eine enorm breite Regierungserfahrung: Er war Innensenator und Bürgermeister in Hamburg, zudem Bundesarbeits- und -finanzminister. Verhandlungen zu führen – das zählt zu Scholz’ Stärken. Er kennt sich bis in Details aus, besitzt Disziplin und Durchhaltevermögen, die Leitung der Antragskommission vor zuweilen wilden SPD-Parteitagen haben ihn gestählt. Als Vertreter der Länder setzte Scholz den Bund immer wieder finanziell unter Druck. Heute hält er die Länder kurz.

Friedrich Merz, mit 34 Jahren zum CDU-Europaabgeordneten gewählt, ist als Berufspolitiker immer Parlamentarier gewesen – also einer, der mehr kontrolliert und kritisiert als konstruktiv gestaltet. Er hat noch nie regiert.

In nur acht von 17 Jahren seiner von 2009 bis 2021 unterbrochenen Bundestagstätigkeit war seine Union an der Regierung, er saß dabei auch nicht unbedingt an zentraler Stelle – der erste Anlauf als Unionsfraktionschef von 2000 bis 2002 fand in der Opposition statt.

34
Jahre war Friedrich Merz, als er zum CDU-Europaabgeordneten gewählt wurde.

Merz, Jurist wie Scholz, hat in seiner langen Auszeit von der aktiven Politik unter anderem für das Geldinstitut HSBC und Blackrock gearbeitet, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Seine Nähe zur Wirtschaft schon als Parlamentarier, die mit Kritik an verschiedenen Aufsichtsratsmandaten verbunden war, verteidigte er stets.


Sport

Man tritt Olaf Scholz nicht zu nahe, wenn man feststellt, dass er lange eher unsportlich war. Spätestens seit seinem Sturz im Sommer, infolgedessen er ein paar Tage eine Augenklappe trug, ist allgemein bekannt: Der Kanzler joggt.

Seit seinem Sturz im Sommer, bei dem er für einige Tage eine Augenklappe trug, ist es allgemein bekannt: Der Kanzler joggt.

© dpa/Kay Nietfeld

„Der Impuls zum Joggen stammte von meiner Frau Britta Ernst“, sagte Scholz mal der „Bunten“: „Sie sagte mir vor gut 20 Jahren: ‘Olaf, so geht es nicht mehr weiter mit dir!’ Ich sollte unbedingt was für meine Fitness tun.“ Seither achtet er auf seine schlanke Linie, steigt außerdem in einem der zahlreichen Gewässer um Potsdam ins Ruderboot.

Im Gegensatz dazu zieht es Merz in seiner Freizeit eher nach oben. Im Sauerland wird gewandert und geradelt, höhere Berge finden sich rund um den Tegernsee, wo die Familie ein Ferienhaus besitzt. Noch höher hinaus geht es vom Flugplatz seiner Heimatstadt Arnsberg mit dem kleinen Privatflugzeug, das sich der Hobbypilot leistet und leisten kann.

In Verbindung mit der Selbsteinschätzung, damit in Deutschland zur „gehobenen Mittelschicht“ zu gehören, ist Merz’ Fliegerei immer wieder Thema derjenigen, die ihm politisch weniger wohlgesonnen sind. Dabei ist noch nicht einmal abschließend geklärt, ob der CDU-Chef ein Privatflugzeug besitzt oder zwei.


Engste Berater

Wer Menschen, die Olaf Scholz gut kennen, fragt, wer seine engsten Berater sind, hört immer wieder: „Britta und Wolfgang“. Britta Ernst (SPD) ist die Ehefrau des Kanzlers, eine hochpolitische Frau, bis zum Frühling Bildungsministerin in Brandenburg, zuvor unter anderem Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion.

Wolfgang Schmidt (SPD) ist Kanzleramtsminister, arbeitet seit rund 20 Jahren an der Seite von Scholz, tat das schon als dieser Generalsekretär der SPD war. Die beiden Männer sind schon durch zahlreiche Höhen und Tiefen gegangen.

Anders als Scholz, der sein Kernteam von einer Station zur nächsten mitnahm, verfügte der Politik-Comebacker Merz erst gar nicht über einen solch eingeschworenen Stab, den er etwa ins Adenauerhaus hätte mitbringen können. Am ehesten gehört dazu Armin Peter, der schon sein Sprecher war, als Merz zwischen 2019 und 2021 Vizepräsident des parteinahen Wirtschaftsrates der CDU war.

Der Impuls zum Joggen stammte von meiner Frau Britta Ernst.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Die Bildung eines funktionierenden Teams, nachdem Merz Ende Januar in die Berliner Parteizentrale eingezogen war, erlebte zahlreiche Rückschläge – so hatten die Kommunikations­expertin Kathrin Degmair oder die Leitungsstab­chefin Andrea Verpoorten nur sehr kurze Gastspiele. Generalsekretär Mario Czaja wurde im Juli durch Carsten Linnemann ersetzt.

Zu Merz’ dauerhaften Beratern gehören eher CDU-Granden früherer Zeiten – so zum Beispiel Wolfgang Schäuble und Hessens früherer Regierungschef Roland Koch.


Temperament

Leise spricht der Kanzler oft, cholerische Anfälle oder gar Brüllen erlebt man bei ihm nicht. Scholz aber kann äußerst wortkarg sei, über das Hanseatische hinaus. „Na“, sagt er gern zur Begrüßung, die rechte Hand in der Tasche. Das war’s. Eher kein Mann des Smalltalks, Empathie ausbaufähig. Zuweilen ist er schneidend scharf, gegenüber Menschen, die nicht ganz so schnell oder klug sind wie er, auch schon mal herablassend. Zuweilen erzählt er Witze, über die er selbst am lautesten lacht.

Plaudern und witzeln kann Friedrich Merz durchaus charmant. Schlagfertig kann er ebenso sein, wie er in seinen Bundestagsauftritten immer wieder unter Beweis gestellt hat. Gerade in der Bundestagsfraktion hat er zuletzt viele mit Teamplay für sich einnehmen können.

Er gilt manchen in der Partei allerdings auch als dünnhäutig, in seinen Aussagen gelegentlich unkontrolliert und anfällig in politischen Drucksituationen. Als etwa auf dem Hamburger CDU-Bundesparteitag 2018 alle damit rechneten, er würde mit einer fulminanten Rede die Delegierten gleich im ersten Anlauf Richtung Parteivorsitz überzeugen, blieb Merz überraschend blass.

Dass er nach einer weiteren Niederlage noch einen dritten und dann auch erfolgreichen Versuch startete, spricht für eine Hartnäckigkeit – wie sie Scholz ebenfalls besitzt.

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