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Lars Klingbeil, Bundesvorsitzender der SPD.+

© dpa/Rolf Vennenbernd

Update

„Jetzt ist Schluss“: SPD-Chef Klingbeil wirft Union „Geisterfahrt“ in Atomfrage vor

Der Vorschlag von Ministerpräsident Söder, die Atomkraft in Länderregie zu übergeben, stößt auf wenig Zuspruch. Die Zuständigkeit liege eindeutig beim Bund, mahnt Umweltministerin Lemke.

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SPD-Chef Lars Klingbeil hat das Ende der Atomkraft in Deutschland verteidigt. Nach einem Rundgang über die Industrieschau Hannover Messe sagte Klingbeil am Montag, er sei froh, dass CDU und CSU im Bund keine Verantwortung mehr für die Energiepolitik tragen.

„Diese politische Geisterfahrt, die wir gerade von Herrn Söder und Herrn Merz erleben, wenn es um die Atomenergie geht, das widerspricht all dem, was wir heute gehört haben“, sagte er. Die Industrie in Deutschland brauche Planungssicherheit.

Die Union habe in den vergangenen Jahren hingegen dazu beigetragen, dass es energiepolitisch Unklarheit gegeben habe. Über die Atomkraft sagte Klingbeil: „Jetzt ist Schluss. Jetzt geht es darum, dass konsequent in den Ausbau der Erneuerbaren investiert wird.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuvor einen weiteren Betrieb von Atomkraftwerken in Länderregie ins Spiel gebracht.

Lemke weist Söders Vorstoß zurück

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat den Vorstoß von Söder zurückgewiesen. Auch bei der FDP, die sich vor der Abschaltung der letzten Meiler in Deutschland für längere AKW-Laufzeiten eingesetzt hatte, sorgte Söders Forderung für Verwunderung und Kritik. Zuspruch bekam der CSU-Chef aus der CDU.

Die letzten drei verbliebenen deutschen AKW waren am späten Samstagabend abgeschaltet worden, darunter Isar 2 in Bayern. Söder forderte in der „Bild am Sonntag“, das Atomgesetz noch einmal zu ändern und den Ländern die Zuständigkeit zu geben, damit Bayern den Meiler in eigener Regie weiterbetreiben kann.

Lemke pochte auf die Zuständigkeit des Bundes für die Atomkraft und verwies darauf, dass die Länder bei dem Thema im Bundesauftrag handelten. „Es ist geradezu bedrückend, wie ein Ministerpräsident genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen und Aspekte der nuklearen Sicherheit so leichtfertig ignoriert“, sagte die Grünen-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Bild“-Zeitung (Montag).

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„Selbst wenn man den Reaktor, wie Herr Söder es offensichtlich will, wieder ans Netz bringen möchte, reicht es dazu nicht, ihm eine neue Laufzeit rechtlich einzuräumen. Es bedürfte quasi einer Neugenehmigung des Reaktors.“

Söder rechtfertigt seinen Wunsch mit der Energiepolitik des Bundes. Die Bundesregierung verweigere sich nachhaltig, „die bayerische Energieversorgung nur annähernd oder die süddeutsche ernst zu nehmen, während bei anderen Bundesländern die Zusage erfolgt, neue Gaskraftwerke auf den Weg zu bringen“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Montag nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München.

Mit Blick auf rechtliche Bedenken am Betrieb des Atommeilers unter bayerischer Aufsicht verwies Söder darauf, dass bisher auch die Länder fachlich und rechtlich alleine zuständig gewesen seien - einschließlich der jeweiligen Lagerung des Atommülls vor Ort. Den Vorwurf, „man habe die Meinung geändert“, ließ Söder mit Verweis auf Finnland ebenfalls nicht gelten. Dort sei die kritische Haltung einst noch „entschlossener gewesen“, nun aber setze das Land wieder auf die Kernenergie.

Umweltministerium verweist Söder an Bundesrat

Das Bundesumweltministerium riet Söder, sich mit seinem Vorstoß direkt an den Bundesrat zu wenden. „Ich denke, ich sage kein Geheimnis, dass auch der Bundesrat Initiativen zur Änderung des Grundgesetzes ergreifen könnte“, sagte Ministeriumssprecher Bastian Zimmermann am Montag in der Regierungspressekonferenz. „Und auch kein Geheimnis, dass Bayern Mitglied des Bundesrates ist. Insofern muss Herr Söder diese Forderung gar nicht an den Bund richten, sondern kann, wenn er will, selbst tätig werden im Bundesrat.“

Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte der „Welt“ (Montag), Söder werfe sich „mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug“. Die Zuständigkeit für die Kernenergie liege nach dem Grundgesetz beim Bund, die Länder führten diese lediglich im Auftrag des Bundes aus.

„Das gilt auch für Bayern, selbst zu Wahlkampfzeiten“, betonte Trittin. Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat Söder mit seinem Vorstoß implizit eine Zusage gegeben, Atommüll in Bayern zu lagern, wie sie in der ARD-Sendung „Anne Will“ sagte.

FDP-Politiker zeigten sich verwundert über Söders Aussagen. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte in der „Rheinischen Post“ (Montag) nochmals deutlich, dass die FDP Sympathie für einen längeren AKW-Betrieb habe. Djir-Sarai sagte in Richtung Söder aber: „Bis ein Gesetz zur Föderalisierung der Stromerzeugung aus Kernenergie beschlossen wäre, hätte er seine Meinung vermutlich wieder geändert.“ Als bayerischer Umweltminister habe Söder den Atomausstieg auch noch vorangetrieben.

FDP-Vize Johannes Vogel äußerte sich ähnlich. „Markus Söder wechselt seine Positionen ja wie Unterhosen“, sagte Vogel in der ARD-Sendung „Anne Will“. „So jemand Erratischem würde ich ungern die Verantwortung für Energiepolitik geben“, fügte Vogel hinzu.

Bei der CDU findet Söder hingegen Befürworter seiner Idee. Unionsfraktionsvize Jens Spahn schrieb auf Twitter, es brauche jetzt pragmatische Lösungen. „Wenn Bayern bereit ist, die politische und fachliche Verantwortung für den Weiterbetrieb zu übernehmen, sollte der Bund dies ermöglichen“, betonte er.

CDU-Chef Friedrich Merz will Söders Forderung zumindest prüfen. Angesichts der Folgen des Atomausstiegs für die Versorgungslage seien „alle denkbaren Alternativen zur besseren Energieversorgung diskussionsfähig - auch dieser Vorschlag aus Bayern“, sagte Merz am Montag in Berlin. Er kritisierte die Stilllegung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke als „überstürzte Entscheidung der Bundesregierung“ - „durchgesetzt letztendlich durch die Grünen“.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte der „Rheinischen Post“, die Kernenergie aufzugeben, sei eine Fehlentscheidung. „Es ist deshalb richtig und Ausdruck seiner Verantwortung als Ministerpräsident, wenn Markus Söder alle Möglichkeiten in Betracht zieht, um diesen groben Fehler doch noch abzuwenden.“

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann sprach sich wie Söder für einen Weiterbetrieb des Atomkraftwerkes Isar 2 in bayerischer Eigenregie aus. „Rechtlich braucht er eine Mehrheit und muss ein Bundesgesetz ändern, so ist es“, sagte Linnemann im RTL/ntv-„Frühstart“. „Aber dass Politiker erstmal eine Meinung haben in so einer Situation, wo wir eine ganz andere Lage haben als vor zehn Jahren, finde ich richtig.“ (dpa)

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