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Im vergangenen März kam es in der georgischen Hauptstadt Tiflis zu Protesten gegen ein Gesetz, das die Medienfreiheit einschränken sollte.

© AP/dpa/Zurab Tsertsvadze

Sichere Herkunftsstaaten: SPD dringt auf schnelle Einstufung von Georgien und Moldau

Nach der Ansicht von SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sind in Georgien und Moldau weder politische Verfolgung noch unmenschliche Behandlung zu befürchten. Beide Länder gehörten perspektivisch in die EU, sagt er.

Angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen dringt die SPD darauf, Moldau und Georgien möglichst schnell als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Der entsprechende Gesetzentwurf sei der derzeit in der Ressortabstimmung, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Tagesspiegel. „Wir hoffen auf eine schnelle Umsetzung“, sagte er weiter.

Zuletzt hatten allerdings innerhalb der Ampel-Koalition die Grünen Bedenken geäußert, Moldau und Georgien als sichere Herkunftsländer zu benennen. Asylanträge von Menschen aus Ländern, die als sichere Herkunftsstaaten gelten, werden in der Regel abgelehnt. Mit Blick auf Georgien konnten sich die Grünen zu Beginn des Monats in ihrer Skepsis gegen die Einstufung bestätigt sehen: Ultrakonservative Nationalisten stürmten in der Hauptstadt Tiflis ein Pride-Festival und richteten dort schwere Verwüstungen an.

Es ist richtig und auch sinnvoll, Moldau und Georgien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen.

Dirk Wiese, Vizevorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag

Wiese wies derweil darauf hin, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder im Mai beschlossen hatten, die Registrierungen sowie die Asylverfahren zu beschleunigen. Insbesondere solle das für Verfahren von Geflüchteten aus den Staaten gelten, die eine EU-Beitrittsperspektive besitzen. „Daher ist es richtig und auch sinnvoll, Moldau und Georgien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen“, so Wiese.

Nach den Worten des SPD-Fraktionsvizes seien in Georgien und Moldau weder politische Verfolgung noch unmenschliche Behandlung zu befürchten. „Sie gehören perspektivisch in die Gemeinschaft der Europäischen Union“, sagte er weiter. Zudem erinnerte er daran, dass Georgien seit 2014 eng mit der EU assoziiert ist, seit Jahren gibt es Visafreiheit.

Doch zuletzt waren Zweifel an der West-Orientierung Georgiens aufgekommen, nicht nur wegen der Ausschreitungen beim Pride-Festival in Tiflis. Zuvor hatte der georgische Premierminister Irakli Garibashvili im Rahmen des Global Security Forums in Bratislava Ende Mai die Nato-Osterweiterung als „einen der Hauptgründe für die russische Invasion der Ukraine“ bezeichnet. 

Der Koordinator der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit dem Südkaukasus, Robin Wagener, sieht in der starken Polarisierung im politischen Diskurs ein Problem für Georgien.
Der Koordinator der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit dem Südkaukasus, Robin Wagener, sieht in der starken Polarisierung im politischen Diskurs ein Problem für Georgien.

© imago/photothek/Felix Zahn

Allerdings hält der Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem Südlichen Kaukasus, der Republik Moldau sowie Zentralasien, Robin Wagener, Georgien keinesfalls für den Westen verloren. „Die Verleihung des EU-Kandidatenstatus ist ein wichtiges Thema in Georgien – für die Regierung, aber auch für die Opposition und die Zivilgesellschaft“, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel.

Im vergangenen Jahr hatte die EU der Ukraine und Moldau den Kandidatenstatus verliehen. Für Georgien wurden hingegen zunächst unter anderem eine Justizreform und die Einrichtung einer unabhängigen Anti-Korruptionsbehörde zur Auflage gemacht. Im Herbst will die EU-Kommission bewerten, welche Fortschritte Georgien inzwischen gemacht hat. „Zunächst einmal muss diese Bewertung abgewartet werden. In meinen persönlichen Gesprächen vor Ort wurde deutlich, wie sehr sich die große Mehrheit den Kandidatenstatus wünscht“, sagte Wagener.

Als großes Problem Georgiens bezeichnete er die starke Polarisierung im politischen Diskurs. Dass in dem Land der Schutz vulnerabler Gruppen derzeit nicht ausreichend gewährleistet sei, hätten die Ausschreitungen bei dem Pride-Festival in Tiflis zu Beginn des Monats „besonders bitter vor Augen geführt“, so Wagener.

Ein Scheitern des europäischen Reformprozesses würde Moskau in die Hände spielen.

Robin Wagener, Koordinator der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit dem Südlichen Kaukasus

Andererseits habe die Diskussion um das von der Regierung in Tiflis inzwischen wieder zurückgezogene Agentengesetz gezeigt, dass die Regierung unter der Führung der Partei „Georgischer Traum“ durchaus dialogbereit sei. Gegen das Gesetz, mit dem die Regierung eine ausländische Einflussnahme auf Massenmedien und politische Organisationen kontrollieren wollte, hatte es zu Beginn des Jahres Massenproteste gegeben.

„Die Regierungspartei ‘Georgischer Traum’ verfolgt nach wie vor einen Kurs in Richtung EU“, sagte Wagener weiter. „Allerdings ist es wichtig, diesen Kurs nicht durch widersprüchliche Signale zu konterkarieren.“ Zudem sei es in der aktuellen Zeit wichtiger denn je, dem russischen Einfluss im Land ein klares Bekenntnis für Georgiens Zukunft in der EU entgegensetzen zu können: „Ein Scheitern des europäischen Reformprozesses würde Moskau in die Hände spielen. Die Tür zur EU ist weit offen. Die Regierung muss aber deutlich zeigen, auch hindurchgehen zu wollen.“

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