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Manuela Schwesig und Robert Habeck in Lubmin.

© imago/BildFunkMV / imago

„Schwerer Eingriff in das Ökosystem“: Eine Pipeline mit Konfliktpotenzial

Für ein temporäres Gas-Terminal will Wirtschaftsminister Habeck vor Lubmin eine neue Pipeline bauen lassen. Sie soll mitten durch ein Naturschutzgebiet führen.

Markus Söder war schneller als Robert Habeck. Drei Wochen ist es her, dass der bayerische Ministerpräsident den Hafen von Lubmin besucht hat. Gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) besichtigte er die Anlandestation der Gaspipeline Nord Stream 1 und drehte eine Bootstour über den Greifswalder Bodden. Schöne Bilder, Fischbrötchen, Pressekonferenz. Drei Wochen später das gleiche Programm: Habeck und Schwesig mit Baustellenhelmen, Seit’ an Sei’t auf dem Schiff, zum Statement im Zelt.

Doch anders als Söder hat der Bundeswirtschaftsminister eine Nachricht nach Lubmin mitgebracht: „Der Bundeskanzler fährt kommende Woche in die Vereinigten Arabischen Emirate und wird sicherlich dort einige Verträge (...) für LNG unterzeichnen können.“ Details nennt Habeck nicht, aber er betont seinen Anteil an dem Erfolg. Seit seinem Besuch auf der arabischen Halbinsel im März seien die Gespräche fortgeführt worden.

Damit das Gas der Saudis jedoch überhaupt nach Deutschland kommt, braucht Habeck die Infrastruktur in Lubmin. Zwei schwimmende Terminals für Flüssigerdgas (LNG) sollen dort entstehen und über die Verteilnetze den Osten und Süden der Republik versorgen.

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Zwei Unternehmer aus Potsdam wollen mit ihrer Firma „Deutsche Regas“ bereits zum 1. Dezember mit einer Shuttle-Lösung LNG über den flachen Bodden in den Hafen von Lubmin transportieren und von dort ins deutsche Netz einspeißen. 4,5 Milliarden Kubikmeter Gas sollen so pro Jahr Lubmin erreichen – Baubeginn im Hafen ist an diesem Dienstag.

Solche LNG-Tanker sollen bald auch vor Lubmin kreuzen.

© REUTERS

Für den Vizekanzler ein wichtiger Zwischenschritt. Gelingen auch in Brunsbüttel und Wilhelmshaven bis zum Jahreswechsel die LNG-Bauvorhaben, sei die Gasversorgung gesichert. „Wenn alles gut läuft, die Sparsamkeit in Deutschland hoch ist und wir ein bisschen Glück mit dem Wetter haben“, sagt Habeck, „haben wir eine Chance, gut über den Winter zu kommen.“

Deutsche Umwelthilfe schließt Klagen nicht aus

Habeck interessiert sich an diesem Montag jedoch für ein Projekt, das frühestens ein Jahr später zur Verfügung steht, denn auch dann sei die Lage noch angespannt. „Die Gas-Speicher müssen auch für den Winter 2023/24 voll sein“, sagt Habeck. Mit Unterstützung der Bundesregierung sollen die Energieunternehmer RWE und Stena ein weiteres LNG-Terminal in Lubmin errichten.

Da der Hafen aber zu klein ist und die schweren LNG-Tanker nicht über den Bodden fahren können, soll eine Anlegestation auf offener See errichtet werden. „Eine Gastankstelle für Deutschland“ werde dort entstehen, kündigt der Grünen-Politiker an. Damit das Gas von der Tankstelle auch an Land kommt werde eine 30 bis 40 Kilometer lange Pipeline gebaut. „Es ist ein ambitioniertes, ehrgeiziges und kreatives Projekt“, sagt Habeck.

Es ist aber auch ein Projekt, an dem es bereits Kritik gibt. „Es stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn für ein temporäres Gas-Terminal eine weitere Pipeline durch den Nationalpark verlegt wird“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, dem Tagesspiegel.

Tatsächlich ist der Boden vor Lubmin bereits dicht bebaut. Die Rohre von Nord Stream 1 und 2 liegen dort, zudem erreichen die Stromkabel der Offshore-Windparks in Lubmin das Land. „Ich bin äußerst skeptisch, ob wir diese Infrastruktur brauchen“, sagt Müller-Kraenner und schließt rechtliche Schritte nicht aus. „Wenn Genehmigungsunterlagen vorliegen, werden wir das sicherlich juristisch bewerten.“

Die privatwirtschaftliche Konkurrenz von RWE und Stena hatte die Pläne zunächst ebenfalls kritisiert. Der Aufsichtsratsvorsitzende der „Deutsche Regas“, Stephan Knabe, sagte dem Tagesspiegel bereits vor Wochen: „Eine dritte Pipeline auf dem Grund des Bodden durch den Nationalpark dauert mehrere Jahre und wäre ein schwerer Eingriff in das sensible und geschützte Ökosystem.“ Der Unternehmer, der das Gas-Geschäft in Lubmin ebenfalls ausweiten will, würde gerne die ungenutzten Rohre von Nord Stream 2 verwenden. Damit könnte zeitnah deutlich mehr Gas nach Deutschland kommen.

Stephan Knabe will den Gas-Markt aufmischen.

© promo

Am Montag äußert sich Knabe auf Anfrage jedoch deutlich offener für die Pläne der Bundesregierung: „Wir verfolgen weiter unseren Plan, LNG über das Rohr von Nord Stream 2 anzulanden. Sollte der Bau einer weiteren Pipeline gelingen, wäre das für uns aber auch eine denkbare Option. Der Gas-Bedarf und der Bodden sind groß genug für zwei Unternehmen.“

Es ist ein naheliegender Gedanke, die Rohre von Nord Stream 2 zu nutzen. Das sollte man zumindest prüfen.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe

Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe unterstützt diese Idee. „Es ist ein naheliegender Gedanke, die Rohre von Nord Stream 2 zu nutzen. Das sollte man zumindest prüfen“, sagt Müller-Kraenner. Auch von der FDP kommt Unterstützung. „Wer den Eindruck erweckt, dass Nord Stream 2 eine Lösung für die deutsche Gasversorgung ist, betreibt Putin-Propaganda pur“ sagt der energiepolitische Sprecher der Liberalen, Michael Kruse. Auch fünf Pipelines würden nichts an der Situation ändern. „Es ist deshalb richtig, den Anschlusspunkt in Lubmin für schwimmende Terminals zu nutzen“, sagt Kruse dem Tagesspiegel.

Doch Habeck lehnt diese Forderung ab. „Solche Überlegungen gibt es nicht“, sagte er in Lubmin.

In der Bundesregierung hat man lange die Reaktion aus dem Kreml gefürchtet, sollte man ein kleines Stück von Nord Stream 2 enteignen. Die Angst vor einem vollständigen Lieferstopp über Nord Stream 1 hatte zur Vorsicht geführt. Doch seit inzwischen knapp drei Wochen fließt kein Gas mehr über die Pipeline – und Habeck rechnet auch nicht mehr mit neuen Lieferungen: „Ich sehe kein absehbares Szenario, wo Nord Stream 2 eine Rolle für die Energiesicherheit von Deutschland spielt.“ Was mit den Rohren von Nord Stream 1 und 2 passiere, „kann heute kein Mensch sagen“.

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