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Schöne Bilder für zwei Länder-Chefs, die unter Druck stehen.

© AFP

Treffen der energiepolitischen Parias in Lubmin: Söder und Schwesig wollen voneinander profitieren

In Lubmin besichtigen Manuela Schwesig und Markus Söder Nord Stream 1 und ein geplantes LNG-Terminal. Ihre Fehler der Vergangenheit blenden sie dabei aus.

Was Selbstinszenierung angeht, kann sich Manuela Schwesig (SPD) noch von Markus Söder (CSU) etwas abschauen. Die beiden Länderchefs von Mecklenburg-Vorpommern und Bayern stehen gemeinsam an der Reling des Ausflugsboots „Kleine Freiheit“. Der Himmel in zartem blau-weiß, im Hintergrund die Felsen von Rügen. Beide strahlen in die Kameras, beide tragen Jacken mit den Wappen ihrer Länder. Dann zieht Söder noch sein Handy aus der Hosentasche. Ein kurzes Selfie mit Schwesig, fertig ist der nächste Beitrag für Twitter und Instagram.

Das Treffen im Norden ist auf Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten zu Stande gekommen. Er will sich über die künftige Gasversorgung über ein schwimmendes LNG-Terminal im Ostseehafen Lubmin informieren. Ausgerechnet Söder und Schwesig. Beide gelten als Parias der Energiepolitik. Söder, weil seine CSU in Bayern den Ausbau der Stromnetze und Windkraft lange blockiert hat und nun Energieengpässe in diesem Winter befürchtet. Schwesig, weil sie sich lange für eine Pseudo-Klimaschutzstiftung engagiert hatte, unter deren Deckmantel Russland die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 fertigstellen konnte.

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Seit die Energiepreise durch die Decke gehen, verkauft sich Schwesig als Teil der Lösung. Lubmin, wo die Rohre von Nord Stream 1 und 2 anlanden und die drei großen Überlandpipelines Eugal, Opal und NEL das Gas in Deutschland verteilen, spielt dabei eine zentrale Rolle.

„Die Pipeline ist nicht nur gut für MV, es ist auch gut für Bayern und andere Länder entlang der Rohre“, sagt Schwesig. 130 Milliarden Kubikmeter Gas können von hier verteilt werden, deutlich mehr als der Jahresverbrauch von Deutschland der bei rund 90 Milliarden Kubikmetern liegt. Doch dafür muss auch Gas fließen. Das liege aber nicht in der Hand der Landesregierung in Schwerin. „Es sei daher nicht richtig und nicht fair, dass viele in den vergangenen Monaten mit dem Finger auf MV gezeigt haben“, ärgert sich Schwesig.

Im Hafen von Lubmin schauen sich Söder und Schwesig zuerst die Anlandestation von Nord Stream 1 an. Die Anlage liegt zwischen Kiefern einige Metern hinter der Ostseeküste. Graue Flachdachgebäude, geschwungene weiße Rohre und Schlote. Als Söder – Spezialschutzhelm mit bayerischer Flagge auf dem Kopf – und Schwesig das Gelände betreten, ist ein Rauschen zu vernehmen. Noch pumpt der russische Staatskonzern Gazprom Gas durch die Rohre. Allerdings nur 20 Prozent der möglichen Kapazitäten. Von Mittwoch an wird das Rauschen mindestens drei Tage lang verstummen. Erneute Wartungsarbeiten, lautet die offizielle Begründung.

Sogar der Helm passt bei Söder.

© Imago

„Putin treibt mit uns ein Spiel, das ist erkennbar“, sagt Söder im Hafen von Lubmin. Vor allem für sein Bundesland wird das immer mehr zum Problem. Bayern hat so massiv wie kein anderes Bundesland auf Gas aus Russland gesetzt, doch man sitzt am Ende der Leitungen. Erreicht den Norden zu wenig Gas reicht der Druck nicht aus, um es in den Süden zu transportieren. Zudem sind ausgerechnet die Gasspeicher im Süden am wenigsten gefüllt.

Söder: Wenn in Bayern der Strom fehlt, hat Deutschland ein Problem

Doch Söder bleibt an Bord der „Kleinen Freiheit“ gewohnt selbstbewusst. Er referiert die Stärke Bayerns: das größte Bundesland, die meisten Industriearbeitsplätze, ein Bruttoinlandsprodukt so groß wie das von Portugal, Tschechien und Griechenland zusammen. „Wenn die Energieversorgung bei uns nicht funktionieren würde, dann hätte Deutschland insgesamt ein Problem“, sagt Söder.

Damit Schwesig und Söder aus der Bredouille kommen, muss auch in Zukunft Gas in Lubmin ankommen. Das wollen zwei Potsdamer Gründern mit ihrer Firma „Deutsche Regas“ sicherstellen. In Zusammenarbeit mit „Total Energy“ planen sie ein privates schwimmendes LNG-Terminal in Lubmin. „Das ist der perfekte Platz, um ein solches Spezialschiff anzulegen – wenn nur der Greifswalder Bodden nicht so flach wäre“, sagt Stephan Knabe, Aufsichtsratsvorsitzendes Unternehmens.

Tatsächlich ist die Ostsee hier an den meisten Stellen nur rund zehn Meter tief – zu wenig für die schweren LNG-Tanker. Deshalb will die Firma das Flüssigerdgas mit kleinen Shuttleschiffen auf hoher See vom Tanker entladen und zum Regasifizierungsschiff in den Hafen bringen. „Es ist praktisch kein Eingriff in das Ökosystem nötig“, sagt Knabe. Für ihre Pläne müssen sie nur wenige Meter Rohre verlegen, bereits am 1. Dezember soll das Gas fließen. Doch die Kapazitäten sind wegen der Shuttle-Lösung überschaubar. Rund 4,5 Milliarden Kubikmeter Gas sollen es in der ersten Projektphase sein. Immerhin genug für zwei Millionen Haushalte, rechnet Knabe vor.

Söder nickt zufrieden. „Mecklenburg-Vorpommern ist nicht das größte Land, es leistet aber Großes“, sagt er und bedankt sich auch bei Schwesig, dass sie den medialen und politischen Sturm der vergangenen Monate ausgehalten habe.

Auch Schwesig ist zufrieden mit dem Besuch aus Bayern. Gemeinsam mit Söder unterzeichnet sie eine Absichtserklärung, dass der Freistaat Personal in den Norden schicken will, damit die vielen Genehmigungsverfahren für die Windkraftanlagen und das LNG-Terminal gestemmt werden könnten. Doch auch hier geht es an diesem Tag um die Symbolik. Es soll sich - so ist zu hören - lediglich um drei oder vier Beamte handeln.

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