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Diese Krankenkassenkarte ist wertvoll. Denn sie garantiert ihrem Besitzer medizinische Behandlung. Ruanda ist das einzige Land Afrikas, das eine fast flächendeckende Krankenversicherung eingeführt hat. Allerdings decken die Einnahmen bisher lediglich 20 bis 40 Prozent der Ausgaben.

© Thomas Imo/GIZ

Ruanda 20 Jahre nach dem Völkermord: Ruandas Wirtschaft wächst, aber die Armut bleibt

Ruanda ist weit gekommen. Die Wirtschaft wächst schnell. Aber immer noch arbeiten 80 Prozent der Bevölkerung auf winzigen Feldern in der Landwirtschaft und schaffen es kaum, auch nur ihre Familien zu ernähren. Dafür sind sie aber jetzt krankenversichert.

Bis 2020 will Ruanda kein armes Land mehr sein, sondern zu den Ländern mittleren Einkommens aufgeschlossen haben. 2013 ist die ruandische Wirtschaft um 6,5 Prozent gewachsen, in den Jahren zuvor stets zwischen sechs und acht Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr liegt nach Weltbank-Angaben allerdings lediglich bei 570 US-Dollar. 43 Prozent der Bevölkerung leben in extremer Armut, obwohl in den vergangenen zehn Jahren immer mehr den Aufstieg in ein Einkommen oberhalb von zwei Dollar am Tag geschafft haben. 80 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft, aber ihre Felder sind so klein, dass sie kaum ihre eigene Familie ernähren. Lediglich 20 Prozent der Bevölkerung sind reich genug, um auch Steuern zu zahlen. Das ist auch in etwa der Anteil der Wirtschaftsleistung, die dem formellen Sektor zugerechnet werden kann.

60 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre. Ulrike Maenner von der GIZ sagt: „Das ist auch eine Chance, mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat den Völkermord nicht mehr selbst miterlebt.“ Doch die Analphabetenrate ist weiterhin hoch. Und trotz einer inzwischen 12-jährigen Schulpflicht kommen die meisten Schulabgänger ohne die Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt, die sie bräuchten, um Jobs zu finden oder sich selbstständig zu machen.

Es gibt gute Straßen, auf denen kaum jemand fährt

Eigentlich verfügt Ruanda über eine beachtliche Infrastruktur. Die Regierung hat im ganzen Land asphaltierte Straßen bauen lassen. Es fährt aber fast niemand dort herum. Ruanda ist kein Transitland. Im ganzen Land sind gerade mal 60 000 Autos und Motorräder zugelassen. Das Breitbandkabel für das Internet ist von der Küste Kenias über Uganda in Ruanda angekommen und bis in jede Stadt verlegt. Was fehlt, ist die „letzte Meile“, der Internetzugang für Haushalte und Firmen. Derzeit nützt das schnelle Internet nur der Regierung, wenigen Unternehmen und großen Hotels, die ihre Anschlüsse selbst finanziert haben. Daraus soll aber für Ruanda die Zukunft werden: als IT-Mekka. 40 Prozent der Bevölkerung besitzen ein Mobiltelefon, und es entwickeln sich Dienstleistungen dafür.

Das Problem: Die Stromproduktion im Land hat eine Leistung von gerade mal 100 Megawatt, Stromausfälle gibt es in der Hauptstadt häufig, und es sind ohnehin nur sieben Prozent der Bevölkerung ans Stromnetz angeschlossen. Die Regierung will hier zwar viel investieren, und das Potenzial für kleine Wasserkraftwerke oder Solaranlagen ist groß. Im Kivu-See soll Methan gefördert und für die Stromproduktion genutzt werden. Doch es fehlt das Geld.

Eine Krankenversicherung für alle

Ruanda ist das einzige afrikanische Land, das eine Krankenversicherung eingeführt hat, die nahezu 100 Prozent der Bevölkerung auch erreicht. Nach UN-Schätzungen sind im Völkermord etwa eine halbe Million Frauen vergewaltigt worden. Oft wurden sie gezielt mit dem HI-Virus infiziert, das Aids auslöst. Der Anteil HIV-infizierter Menschen liegt bei vier Prozent. Außerdem war die Sterblichkeit von Frauen bei der Geburt und die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren sehr hoch. Mit dem Ausbau von Gesundheitsstationen fast überall im Land, die zumindest die gesundheitlichen Alltagsprobleme behandeln und unproblematische Geburten begleiten können, haben sich diese Zahlen in Ruanda dramatisch verbessert. Das Land dürfte die Gesundheitsziele der Millennium-Entwicklungsziele 2015 wohl alle erreichen.

Finanziert wird die Krankenversicherung durch Beiträge, die allerdings nur zwischen 20 und 40 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen decken. Der Rest kommt bisher aus westlichen Geberländern. Mit Deutschland hat Ruanda die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen 2012 beendet. Denn von Deutschland will Ruanda künftig vor allem Hilfe beim Aufbau einer Berufsausbildung, die es jungen Menschen ermöglicht, selbst Unternehmer zu werden und anderen Jobs zu geben.

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